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(picture alliance) Ein türkisches Armeefahrzeug auf Patrouille im Grenzgebiet

Grenzkonflikt Syrien-Türkei - Schwappt der Krieg auf die Nato über?

Ankara setzt im Konflikt mit Assad auf das „Patriot“-Abwehrsystem. Was bezweckt der Natopartner damit?

Die Türkei hat informell schon seit einiger Zeit bei Nato-Partnern vorgefühlt, ob sie auf Militärhilfe an ihrer Grenze zu Syrien setzen kann. Eine offizielle Anfrage gibt es bisher noch nicht; käme sie demnächst, würde sie sich nicht auf Beistandspflichten in einem Bündnisfall stützen, sondern auf Hilfe bei der Landesverteidigung. Ins Auge gefasst hat das türkische Militär vor allem das Luftabwehrsystem „Patriot“. Über „Patriot“-Batterien verfügen in der Nato die USA, die Niederlande und die Bundeswehr.

Warum bittet Ankara um Hilfe?

Der Ansturm der Flüchtlinge aus Syrien droht die Kapazitäten des Nachbarlandes Türkei zu überfordern.

Allein in der Nacht zu Freitag kamen 8.000 Syrer im südostanatolischen Ceylanpinar über die Grenze – die größte Einzelgruppe seit Beginn der Unruhen in Syrien im März 2011 (siehe nebenstehenden Beitrag). Die Ankunft von immer mehr Menschen erhöht den Druck auf die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, einen Ausweg zu finden. Dabei könnten Raketen vom Typ „Patriot“ helfen – hofft man in Ankara.

Nach Ausbruch der Unruhen versuchte Erdogan es beim syrischen Präsidenten Baschar al Assad mit gutem Zureden, bis der türkische Premier im Sommer vergangenen Jahres zu dem Schluss kam, dass er von Damaskus mit immer neuen leeren Versprechungen hingehalten wurde.

Es folgte eine längere Phase, in der Ankara vor allem den politischen und militärischen Widerstand gegen Assad unterstützte. Doch die Zerstrittenheit der Opposition und Gräueltaten der syrischen Rebellen setzten auch dieser Initiative enge Grenzen. Nach dem Tod von fünf türkischen Zivilisten beim Beschuss durch syrische Granaten im Oktober drohte Erdogan dann mit Krieg und schickte weitere Truppen an die Grenze. Dabei hat der Regierungschef mehrmals eine türkische Militärintervention im Alleingang ausgeschlossen. Ohne Unterstützung der UN oder zumindest der USA will Ankara keine Soldaten ins Nachbarland schicken.

Nach der Wiederwahl Barack Obamas hat Erdogan verstärkten Druck der Türkei auf den amerikanischen Verbündeten angekündigt. Die Stationierung von Flugabwehrraketen des Typs „Patriot“ an der Grenze könnte in diesem Zusammenhang aus türkischer Sicht sehr wichtig werden. Falls Ankara und Washington der syrischen Luftwaffe mit Abschuss durch „Patriots“ drohen sollten, könnte auf syrischer Seite in Grenznähe eine Art Schutzzone entstehen. Dies würde die Möglichkeit eröffnen, dass zumindest einige der syrischen Flüchtlinge nach Hause zurückkehren und die Situation in den überfüllten türkischen Lagern entlasten könnten. Außerdem hätten die syrischen Rebellen im Schutz der „Patriot“ die Chance, die durch den Verlust der Luftunterstützung geschwächten Regierungstruppen weiter zurückzudrängen. Auf diese Weise, so hofft Ankara, ließe sich die Lage im Grenzgebiet zumindest mittelfristig beruhigen

Seite 2: Wie verhält sich Deutschland?

In der Bundesregierung und unter Verteidigungspolitikern wird das türkische Begehren mit gemischten Gefühlen gesehen, schon weil nicht ganz klar ist, welches Ziel die Türkei mit den Abwehrstellungen verfolgt. „Patriot“ ist in erster Linie ein Anti-Raketen-System, kann aber auch gegen normale Kampfflugzeuge eingesetzt werden. Geht es nur um den Schutz des Bündnispartners vor einer potenziellen Bedrohung durch syrische Kampfjets, wäre die Waffenhilfe vorstellbar. Aufhorchen lassen haben die Zuständigen in Regierung und Parlament aber Hinweise, es könnte der Türkei um eine Art Schutzschild für Flüchtlinge gehen, die sich über die Grenze hinaus in syrisches Territorium erstrecken würde. Das aber, warnen Parlamentarier, wäre ohne ein Mandat der UN undenkbar – abgesehen von der politischen Frage, ob Deutschland sich derart in den Syrien-Konflikt hineinziehen lassen sollte.

Droht der Konflikt auf Israel überzugreifen?

Nach Einschätzung des Nahost-Beauftragten der EU, Andreas Reinicke, besteht für Israel derzeit keine unmittelbare Gefahr. „Auch wenn erstmals drei syrische Panzer in die entmilitarisierte Zone auf dem Golan eingedrungen sind, glaube ich nicht, dass sich an der stabilen Situation an diesem Grenzabschnitt etwas ändern wird“, sagte er dem Tagesspiegel. Reinicke verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass der entmilitarisierte Status des Golan von einer UN-Mission überwacht werde. Israel indes warnt Damaskus unmissverständlich vor einem Übergreifen des Konflikts. „Das syrische Regime ist für das verantwortlich, was sich entlang der Grenze ereignet“, erklärte Vize-Regierungschef Mosche Jaalon. Wenn Jerusalem feststelle, dass sich die Zwischenfälle der vergangenen Tage „in unsere Richtung ausdehnen, werden wir die Bürger Israels und die Souveränität des israelischen Staats zu verteidigen wissen.“

 

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