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Russischer Botschafter in Berlin - „Das Thema Lisa ist erledigt“

Werner Sonne hat mit dem russischen Botschafter in Berlin, Wladimir Grinin, über die Reise des bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer nach Moskau, die deutsch-russischen Beziehungen und den Fall Lisa gesprochen

Autoreninfo

Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Herr Grinin, der bayerische Ministerpräsident Seehofer ist nach Moskau gereist und wurde auch von Präsident Putin empfangen. Er sieht die Wirtschaftssanktionen sehr kritisch. Ist er jetzt Moskaus bester Freund in Deutschland?

Wir schätzen diesen Besuch sehr positiv ein. Das ist nicht der erste Besuch eines Ministerpräsidenten eines deutschen Bundeslandes. Sie haben sicher gehört, dass auch der mecklenburgische Ministerpräsident Sellering, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz in den letzten Monaten bei uns zu Besuch waren. Auch Bayerns Wirtschaftsministerin, Frau Ilse Aigner war bei uns. Es ist sehr zu begrüßen, dass wir auf dem Niveau der Länder unsere Beziehungen erweitern und fördern. Das wird uns vielleicht helfen, die heutige Misere der allgemeinen russisch-deutschen Beziehungen irgendwie zu beseitigen und sie wieder zu normalisieren.

Im Unterschied zu Seehofer hat ja gerade zu Beginn dieser Woche die Bundeskanzlerin noch einmal eine Verlängerung der Sanktionen bekräftigt. Sehen Sie, dass hier die gemeinsame Front bei der Frage der Sanktionen auseinanderbricht?

Ich möchte die Fragen der deutschen Innenpolitik nicht kommentieren. Sonst weiß man schon, woran die Aufhebung der Sanktionen liegt. Es liegt vor allem an der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen. Und mit der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen ist es zur Zeit nicht besonders gut bestellt, weil die Kiewer Seite nicht alles erfüllt, was im Rahmen dieser Vereinbarungen  zu erfüllen wäre. Wir hoffen darauf, dass unsere Partner aus dem Normandie-Format, die Deutschen und die Franzosen, entsprechende Konsequenzen ziehen und auf die ukrainische Seite Druck ausüben.

Nun sagt auch Horst Seehofer gegenüber Präsident Putin, dass auch die russische Seite ihre Hausaufgaben machen müsse in der Ukraine. Wird es so kommen wie im Minsker Abkommen gefordert wird, dass Russland der Ukraine wieder ihre Kontrolle über ihre eigene Grenze in der Ost-Ukraine überlässt?

Selbstverständlich wird das gemacht. Aber es wird nicht von der russischen Seite gemacht, sondern von Donezk und Luhansk, die auch Teilnehmer an diesen Verhandlungen sind. Das ist das erste. Das zweite, und vielleicht wichtigste: Es muss alles erfüllt werden, was die Minsker Abmachungen im Sinne der gesetzlichen Gewährleistung und Sicherung der Rechte der Einwohner von Donbas voraussehen. Dann kommt es zu Kontrolle der Grenzen durch die Ukraine. Das ist der letzte Punkt in der Umsetzung dieser Abmachungen.

Wie würden Sie insgesamt den Zustand der deutsch-russischen Beziehungen bewerten, die ja sehr belastet sind?

Ich würde sagen, es handelt sich um den Verfall unserer Beziehungen. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Mechanismen der Zusammenarbeit wie Regierungskonsultationen, wie die Arbeit der strategischen Arbeitsgruppen für Sicherheitspolitik, für Wirtschaft und Finanzen eingestellt worden waren. Natürlich hoffen wir darauf, dass die weitere Erosion dieser Beziehungen nicht zugelassen wird und umgekehrt wieder Schritte in Richtung Verbesserung und Wiederherstellung der Beziehungen vorgenommen werden. Wir sind dazu immer bereit, und wir sehen positive Anzeichen auf der deutschen Seite. Signale, dass wir zusammen wirklich Schritte in die richtige Richtung machen. Ich will vor allem die Wiederherstellung des Petersburger Dialogs nennen. Ich möchte daran erinnern, dass wir jetzt eine Businessplattform hergestellt haben an Stelle dieser strategischen Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Finanzen. Dies ist auch ein positives Signal. Wir hoffen, dass wir unsere Kontakte zwischen den Außenministerien intensivieren, insbesondere im Zusammenhang mit dem deutschen OSZE-Vorsitz, und wir wünschen, dass dieser OSZE-Vorsitz zur Stärkung dieser Organisation führt.

Da sind wir bereit, aktiv zusammenzuarbeiten. Besonders ist zu betonen, dass wir viel Wert auf die Fortsetzung und Intensivierung unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit legen. Und ich möchte erwähnen, dass auf unseren Vorschlag 2016 das Jahr des Jugendaustausches stattfindet. Es werden jetzt die letzten Vorbereitungen gemacht zum Start dieses Jugendaustausches. Ich glaube, das ist ein wichtiger und nützlicher Beitrag für die Zukunft unserer Beziehungen, weil der Jugend die Zukunft gehört.

Die Zusammenarbeit der Wirtschaft war ein großes Thema bei dem Seehofer-Besuch. Wie steht es eigentlich mit deutschen Investitionen in Russland nach den Sanktionen?

Diese rechtswidrigen Sanktionen haben sich selbstverständlich sehr negativ auf unseren Handel ausgewirkt, der fast um das Doppelte gesunken ist. Aber was die Präsenz der deutschen Wirtschaft auf dem russischen Markt angeht, die ist zwar ein wenig zurückgegangen, aber trotzdem beträgt die Zahl der Unternehmen, die auf dem russischen Markt tätig sind, über 6.000. Das finden wir sehr positiv und die Investitionen der deutschen Wirtschaft vor Ort in Russland sind ein bisschen gestiegen. Das ist auch sehr positiv.

Die deutsch-russischen Beziehungen sind gerade in den letzten Tagen durch den Fall Lisa, einer 13-jährigen Deutsch-Russin, belastet worden. Warum hat es Ihr Außenminister für richtig gehalten, sich in diesen Fall öffentlich so einzumischen?

Wie der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, bei einer Pressekonferenz am 1. Februar gesagt hat, findet er es als ein sehr gutes Zeichen, dass es nach dem Telefonat Lawrow-Steinmeier am vergangenen Freitag von beiden Seiten aus der Politik keine öffentlichen Einlassungen mehr zu diesem Thema gibt. Es scheint so zu sein, dass das Thema erledigt ist. Deshalb will ich auch mich auch nicht darauf einlassen.

Aber sehen Sie sich als Schutzmacht für die deutsch-russischen Bürger, die ja in großer Zahl während der Zeit der Sowjetunion und danach nach Deutschland gekommen sind?

Es gab ziemlich viele Auswanderer, bis zu zwei Millionen. Genau ist das schwer festzustellen. Jedenfalls halten wir sehr enge Kontakte mit verschiedenen Organisationen derjenigen, die wir als Landsleute bezeichnen. Wir unterhalten unsere Beziehungen zu diesen Landsleuten über ihre Organisationen, aber auch unter Einbeziehung der deutsch-russischen Regierungskommission, die sich mit Russlanddeutschen in Russland und heute auch mit Spätaussiedlern aus Russland in Deutschland beschäftigt. Die Hauptaufgabe ist die Erhaltung der ethno-kulturellen Identität. Aus unserer Sicht und aus der Sicht unserer deutschen Partner in dieser Kommission ist das wichtig. Warum? Weil diese ethno-kulturelle Identität und ihr Erhalt es erlauben, engere Kontakte zu entwickeln zu den Einheimischen. Das ist eine Art Brücke zwischen unseren Ländern. Eine Brücke, die sehr effektiv ist und wir möchten, dass diese Effektivität sich selbstverständlich weiterentwickelt. Das wichtigste in diesem Zusammenhang ist aus meiner Sicht natürlich der Russischunterricht in Deutschland und der Deutschunterricht in Russland. Die Sprache ist das Rückgrat der Kultur. Das ist allen klar, und wenn die Sprachen entwickelt werden, dann wird es uns allen helfen. Und es wird uns auch bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit helfen, weil sehr viele Auswanderer, sei es aus Russland, sei es aus Deutschland, an diesem wirtschaftlichen Austausch aktiv teilnehmen. Sehr viele Russen sind bei deutschen Unternehmern eingesetzt, die auf dem russischen Markt arbeiten.

Das sind alles deutsche Staatsbürger, um die es hier in Deutschland geht. Glauben Sie, dass Russland hier eine besondere Verantwortung für die deutschen Bürger hat, weil sie früher einmal in der Sowjetunion oder in Russland gelebt haben?

Die Verantwortung haben diese Auswanderer auf sich selbst verlegt. Und wie gesagt, wir sehen unsere Aufgabe, unseren Beitrag darin, dass wir in Zusammenarbeit mit unseren deutschen Partnern eben diese ethno-kulturelle Identität weiter fördern werden. Das ist alles.

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