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Rohani auf Europa-Tour - Vom Geächteten zum Umschmeichelten

Automanager in Frankreich und Deutschland reiben sich die Hände. Italiens Pipeline- und Bauindustrie scheffelt Milliardenaufträge. Irans Hassan Rohani tourt durch Europa, nicht mehr als Dunkelmann der Achse des Bösen, sondern als Präsident eines Landes, das gerade frisch aus dem Keller der international Geächteten geklettert ist

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Martin Gehlen ist Journalist und berichtet aus der arabischen Welt.

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Er gibt sich aufgeräumt und erleichtert, denn er kommt nicht als Bittsteller, sondern als umworbener Großeinkäufer, der nach zwei Jahrzehnten Sanktionen praktisch alles braucht, was der Modernisierung dient und gegen Geld zu haben ist.

Mit dem Atomabkommen von Wien ist der gordische Knoten durchtrennt im Verhältnis zwischen dem Alten Kontinent und den Erben der 2500-jährigen persischen Geschichte. Viele europäische Regierungen und Geschäftsleute waren dem immer strikteren Sanktionskurs Washingtons nur widerwillig gefolgt. Die Partner aus Teheran galten als gute Kunden, selbstbewusst und kompetent, pünktlich zahlend und zuverlässig. Italien war vor dem Atomkonflikt der wichtigste Handelspartner.

Viele Iraner hegen Sympathien für Europäer
 

Frankreichs und Deutschlands Autokonzerne standen Pate bei Irans Fahrzeugindustrie, der größten im gesamten Nahen und Mittleren Osten. Die meisten iranischen Firmenlenker haben in ihren Köpfen den früheren europäischen Lieferanten die Treue gehalten, auch wenn ihnen durch den internationalen Boykott zuletzt nur noch China offenstand.

Im wirtschaftlichen Frühling werden aber auch die politischen und kulturellen Beziehungen neu aufblühen. Die Iraner mit ihrer Zivilisation und Geschichte, ihrem Bildungsniveau und ihrer reichen Kultur haben den Europäern immer gelegen. Das Land ist ein erstklassiges Touristenziel. Kommt der Austausch von Wissenschaftlern, Künstlern und Politikern wieder in Gang, wird das Debatten beleben und Vertrauen regenerieren. Anders als die Bürger in vielen arabischen Staaten, hegen die Iraner Sympathien für den Westen.

Verhältnis zwischen Iran und USA weiterhin kompliziert
 

Und so setzt Hassan Rohani bei seiner Öffnungspolitik vor allem auf Europa. Die Bande zu den USA neu zu knüpfen, ist weitaus vertrackter – auch wenn der politischen Elite der Islamischen Republik die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Washington inzwischen als der Jackpot außenpolitischer Regierungskunst gilt. Doch das Misstrauen sitzt tief. Vielen Iranern ist der vom CIA 1953 organisierte Putsch gegen Mohammed Mossadeq, ihren ersten demokratisch gewählten Premier Irans, genauso unvergessen wie die Waffenhilfe für Saddam Hussein im irakisch-iranischen Krieg von 1980 bis 1988.

Im Verhältnis zu Europa setzt Rohani auf Wandel durch Annäherung. Seine 78 Millionen Landsleute überzeugte er mit der Formel „Außenpolitik ist Innenpolitik“. Eine Entspannung im Äußeren werde eine Entspannung im Inneren nach sich ziehen, versprach der gewiefte Kleriker dem zermürbten Volk. Seine konservativen Kontrahenten treibt das zur Weißglut.

Hinrichtungszahl im Iran fünfmal so hoch wie in Saudi-Arabien
 

Seit dem Atomerfolg in Genf machen sie sich daran, Rohanis brisantes Doppelversprechen zu torpedieren. Intellektuelle und Künstler erleben momentan eine massive Einschüchterungskampagne. Die Zahl der Hinrichtungen ist auf Rekordniveau geklettert und liegt fünfmal so hoch wie in Saudi-Arabien. Politische Aktivisten, Journalisten, zuletzt sogar zwei Lyrikerinnen wurden drakonisch bestraft.

Die nächste Kraftprobe, die Parlamentswahlen, steht bevor. Der ultra-orthodoxe Wächterrat blockiert praktisch sämtliche Reformkandidaten. Selbst Khomeini-Enkel Hassan, bekannt für seine aufgeklärten Ansichten, darf nicht antreten. Bliebe es dabei, würde die Abstimmung am 26. Februar zur Farce. Und so gerät der diese Woche in Rom und Paris hofierte Rohani nächste Woche daheim wieder in schweres Wetter. Außenpolitik ist Innenpolitik – das Hoch seiner Europareise kann er dafür gut gebrauchen.

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