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Rinat Achmetow - Der Oligarch, der zwischen Moskau und Kiew tanzt

An ihm kommt nicht einmal der deutsche Außenminister vorbei: Der ukrainische Oligarch Rinat Achmetow ist eine zentrale Figur im Konflikt mit Russland. Er hat die Macht über die Separatisten im Osten des Landes

Autoreninfo

Tomas Sacher ist ein tschechischer Journalist. Er leitete das Wirtschaftsressort des Magazins „Respekt“ und moderiert Debatten zur Politik und Wirtschaft. Er lebt in Berlin und Prag

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Seine Wortgewalt hat alle überrascht. Fünf Minuten brauchte dieser Mann nur, um die pro-russischen Demonstranten zu überzeugen, die Sicherheitsgebäude in Donezk zu räumen. Da war Kiew klar: Wenn die Regierung einen Dialogpartner im Osten des Landes sucht, darf Rinat Achmetow nicht vergessen werden.

Der blonde, untersetzte 48-Jährige ist nicht nur der reichste Tatar der Welt. Achmetow, der von sich sagt, „einfach sehr viel Glück“ gehabt zu haben, ist auch der mächtigste unter den ukrainischen Oligarchen – jener zehn Männer, die de facto die gesamte Wirtschaft des Landes kontrollieren.

In Donezk und anderen ostukrainischen Städten ist die Situation dramatisch. Bewaffnete Milizen halten vielerorts Amtsgebäude und Polizeistationen besetzt. Die Frage, welche Rolle Achmetov dabei spielt, treibt alle um. Sowohl für Kiew als auch für Moskau ist er ein Ärgernis: Einerseits lehnt Achmetow die Maidan-Revolution ab. Andererseits warnt er vor den Gefahren, die von Russland ausgehen.

Mächtiger Philanthrop                                        


Rinat Achmetow gibt gerne vor, sich nicht für Parteipolitik zu interessieren. Soziale Projekte sind ihm lieber. Ostukrainische Studenten schickt er mit Stipendien ins Ausland; für Arme und Waise spendet er reichlich. Fußballfans kommen günstig in seinen Klub Shakthar Donezk. Die Eintrittskarten kosten umgerechnet nur 1,50 Euro, obwohl das Stadion zu den modernsten der Welt gehört. Die lokalen Fußballspieler baden in Marmor-Whirlpools, Hunderte Gärtner pflegen den Rasen.

„Klar arbeiten wir dabei im Minus, aber es ist doch ein riesiges soziales Projekt“, heißt es bei seiner Firma System Capital Management in Donezk.

2010, die letzte ukrainische Präsidentschaftswahl. Der Kandidat Viktor Janukowitsch lädt zu einer Pressekonferenz. Die Lobby des Kiewer Luxus-Hotels „Hilton“ ist zum Wahlzentrum umgebaut. Schwere Teppiche, die Wände holzvertäfelt. Janukowitsch spricht. Er will die Stichwahl gegen Timoschenko gewinnen. Doch der Präsident interessiert die Gäste gar nicht.

Erst, als Rinat Achmetow über den Gang läuft, wacht das Publikum auf. Sie applaudieren, jubeln, umringen den Oligarchen. Der wiegelt ab, auch ein Interview will er nicht geben: „Keine politischen Fragen, bitte. Ich bin nur ein Beobachter, genau wie Sie.” Achmetow lacht, entschuldigt sich und verschwindet durch die bewachte Tür. Für die Anwesenden ist die Botschaft klar: Dieser Mann bezahlt für die gesamte Show.

Den Einfluss in die Politik sichert sich Achmetow mit der „Stiftung für gute Regierungsführung”. Jährlich pumpt der Oligarch Millionen Dollar in diesen Think Tank, der ukrainische Politikentscheider mit Analysen und Strategien beliefert. Seine Idee: Die Ukraine soll sich dem demokratischen Vorbild Westeuropas annähern.

Achmetow gewinnt jede dritte Ausschreibung


Eigentlich ist Parteipolitik dann doch Achmetows Lieblingsdisziplin. Das wurde im Zuge der Affäre um die Botschaftsdepeschen von Wikileaks deutlich: Schon im Jahr 1997 hatte er den damaligen Präsidenten Leonid Kutschma überzeugt, den zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Viktor Janukowitsch in die Position des Gouverneurs der ostukrainischen Region Donbas zu berufen. Seitdem kontrolliert Achmetow in Janukowitschs „Partei der Regionen“ aus der Ferne jeden wichtigen Schritt. Hinter den Kulissen soll er mindestens fünfzig Abgeordnete lenken. Er selbst war drei Jahre lang im Parlament. Inzwischen sitzen dort mehrere seiner Verwandten. Sogar Achmetows ehemaliger Fahrer ist Abgesandter der Partei.

Es sind diese politischen Verbindungen, die seinen Erfolg begründen. Er machte von Anfang an alles richtig: Als die Stahl- und Bergbaumagnaten einen riesigen Teil der ostukrainischen Industrie privatisierten, griff Achmetow zu Dumpingpreisen zu. Seine Firmen haben in den vergangenen Jahren fast 31 Prozent aller Ausschreibungen des Landes gewonnen, hat das ukrainische Forbes-Magazin berechnet.

Zum allgegenwärtigen Verdacht auf Korruption und Vetternwirtschaft schweigen die Medien: Der Großteil der Presse gehört Achmetow selbst.

Wer Achmetow nicht störe, könne hier ganz ruhig leben und auch erfolgreich sein, sagt ein Unternehmer aus Donezk. „Ein Konflikt mit dem Oligarchen kann aber dazu führen, dass man keine Aufträge mehr bekommt.“ Kein Wunder: Achmetows Vermögen wird auf 11 Milliarden Euro geschätzt. So erklärt sich auch sein gewaltiger Einfluss auf die pro-russischen Demonstranten.

Doch die Vorgänge der letzten Monate haben Achmetows Macht in Gefahr gebracht. Seine engsten Verbündeten sind aus dem Weg geräumt: Der Gasmagnat Dmitri Firtasch wurden im März in Wien verhaftet. Ihnen droht die Auslieferung in die USA, der Vorwurf: organisierte Kriminalität.

Rinat Achmetow könnte der Nächste in dieser Reihe sein. Ende Februar hat die Schweizer Staatsanwaltschaft Achmetows Firma DTEK Trading in Genf durchsucht. Die Ermittler glauben, dass er Janukowitschs Sohn geholfen hat, Geld aus ukrainischen Staatsfirmen zu stehlen und zu waschen.

Auch die prowestliche Kiewer Regierung könnte Achmetow zum Verhängnis werden. Viele Kommentatoren vermuten, dass der Oligarch die Unruhen im Osten selbst angestiftet hat. „Wir wollen mehr Unabhängigkeit für die einzelnen Regionen“, sagte Achmetow zu den Demonstranten. Mit Blick auf die Kiewer Machthaber ergänzte er: „Hier ist Donbas und sie müssen uns ernst nehmen.” Das tun sie auch: Sowohl Interimspräsident Alexander Turtschinow als auch die Oppositionsführerin Julia Timoschenko haben ihn besucht. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach bei ihm Ende März vor.

Wie Achmetow Janukowitsch stürzte


Achmetows Forderungen sind immer dieselben: mehr Autonomie für die Ostukraine, Dezentralisierung, vielleicht sogar Föderalisierung, ein Recht auf Volksabstimmung und Russisch als zweite offizielle Amtssprache. Dass Interimspräsident Alexander Turtschinow die Präsidentschaftswahl am 25. Mai auch für ein Referendum über eine Föderalisierung der Ukraine nutzen will, ist zumindest ein Teilerfolg für Achmetow. Möglicherweise fordert der Oligarch noch mehr: eine Garantie für eine künftige starke Position und Schutz vor Strafverfolgung. Im Gegenzug bietet er an, weitere Proteste zu stoppen.

Ein riskantes Manöver: Denn Achmetow weiß, wie der Kreml mit Oligarchen umgeht. Er erinnert sich noch gut an den Fall des Michail Chodorkowski, den Putin ins Gefängnis werfen ließ. Auch seine Volkszugehörigkeit könnte Achmetow noch Ärger bereiten. Die Krim-Tataren haben die russische Annexion abgelehnt.

„Er spielt ein doppeltes Spiel“


Den Spagat zwischen Kiew und dem Kreml versucht er trotzdem. Dreimal schon hat er in der Krise Putin in Moskau besucht. Er will weiterhin die Fäden ziehen. „Achmetow und seine Lokal-Elite spielen ein doppeltes Spiel“, sagt ein Politikwissenschaftler in der ukrainischen Tageszeitung Gazeta Politolog. Formal zeige er sich loyal zu Kiew. Tatsächlich aber untergrabe er die neue Regierung, indem er die Separatisten unterstützt. „Achmetows Interessen sind fast die gleichen wie die russischen. Er will ein absoluter Herrscher sein”, so der Experte.

Seine Macht hat er schon in der Endphase der Janukowitsch-Regierung demonstriert. Als der damalige Präsident Putin entgegenkam, wandte sich der Oligarch gegen seinen politischen Schützling. Achmetow ließ seine fünfzig Abgeordneten gegen Janukowitsch stimmen. So versetzte er dem alten Regime den Sargnagel.

Achmetow trifft sich weiterhin mit pro-russischen Demonstranten. Eine Einigung gibt es bis heute nicht. Vielleicht sind bewaffnete russische Soldaten aber auch zu viel für einen Oligarchen mit lokalpolitischen Strukturen.

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