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Putins Kampf gegen den Westen - Was Europa jetzt tun muss

Wladimir Putin führt einen nicht-militärischen Informationskrieg gegen den Westen. Durch propagandistische Berichterstattung und finanzielle Unterstützung EU-kritischer Parteien versucht er seinen Einfluss auszuweiten. Die EU sollte die Medienmanipulation schnell offenlegen und an einer konsequenten Sanktionspolitik festhalten

Autoreninfo

Stefan Meister ist seit August 2014 Programmleiter für Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin

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Nach russischer Lesart beeinflusst der Westen, insbesondere die USA, über soziale Netzwerke, über Jugendgruppen und NGOs die inneren Entwicklungen in den postsowjetischen Ländern. Diese Aktivitäten werden von der Moskauer Führung als direkter Angriff auf die russische Autorität wahrgenommen.

Russland fürchtet einen Machtverlust in seiner Interessensphäre, über die sich das Land als Großmacht definiert. Es sieht sich im Recht, auf diese Bedrohung zu reagieren. Die beiden Mittel der Wahl: Isolation und offensive Propaganda.

Unabhängige Medien werden unter Druck gesetzt
 

Russland sucht jene Kräfte zu isolieren, die für Einflüsse aus dem Ausland offen sind: Qua Gesetz werden die Arbeit von NGOs und die ausländische Finanzierung unabhängiger russischer Organisationen massiv behindert. Unabhängige Medien, die ohnehin nur einen kleinen Teil der Bevölkerung erreichen, werden massiv unter Druck gesetzt.

Gleichzeitig inszenieren die staatlichen Fernsehsender, über die sich etwa 90 Prozent der Bürger maßgeblich informieren, Präsident Wladimir Putin als omnipräsente und unersetzliche Figur. Unliebsame Ereignisse kommen nicht vor oder werden faktisch falsch dargestellt.

Auch im Ausland setzt die russische Führung auf gezielte Desinformation: Internet-Trolle attackieren kritische Berichte über die russische Politik in europäischen Onlinemedien, reale Ereignisse werden bewusst verzerrt oder falsch dargestellt. Letzteres vor allem durch die mit enormen Summen finanzierten, staatlich gelenkten Auslandsmedien wie den Fernsehsender RT oder den Radio- und Online-Sender Sputnik, der inzwischen in 34 Ländern in lokalen Sprachen produziert. Einst als Alternative zu CNN und BBC gedacht, sollen diese Medien nunmehr das „dekadente“ westlich-demokratische Modell unglaubwürdig erscheinen lassen.

Radikale im Westen werden unterstützt
 

Gleichzeitig haben russische Organisationen damit begonnen, mit radikalen Gruppen im Westen zu kooperieren und diese teilweise zu unterstützen. Dabei handelt es sich um rechtsextreme Parteien wie den Front National in Frankreich, aber auch Einladungen für Vertreter der Linkspartei in Deutschland. Entscheidend ist, dass diese Gruppen dazu beitragen können, das bestehende System zu schwächen.

Durch die Einflussnahme auf einzelne Mitgliedstaaten sollen die auf Konsens angelegten Staatenbündnisse EU und NATO sabotiert werden. So dienen Verhandlungen über Energielieferungen mit dem EU-kritischen ungarischen Präsidenten Viktor Orbán dazu, einerseits zu zeigen, dass Russland Verbündete in der EU hat, andererseits über diese bilateralen Verhandlungen die gemeinsame EU-Politik zu schwächen. Gleiches gilt für die Gespräche Putins über Investitionen in Griechenlands Pipeline-Infrastruktur.

Putins Russland ist zu einem Partner für verschiedene anti-amerikanische, Anti-EU- und Anti-Globalisierungsgruppen geworden. Indem Putin dem Westen die Stirn bietet, wird er zur Projektionsfläche für eine mögliche alternative Politik.

Die Schwäche des Westens ist Putins Stärke
 

Der Kreml hat erkannt, dass seine Propaganda in der EU am erfolgreichsten ist, wenn sie die Schwächen des Gegners offenbart. Es rächt sich, dass die EU-Mitgliedstaaten in den letzten Jahren notwendige Reformen versäumt haben und EU-Kritiker politisch an Gewicht gewinnen konnten.

Populistische und rassistische Parteien wie der französische Front National, Jobbik in Ungarn und UKIP in Großbritannien profitieren davon und werden salonfähig. Das verschärft die Glaubwürdigkeitskrise der EU in ihren eigenen Mitgliedstaaten.

Auch in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft verliert die EU an Einfluss und an Attraktivität. Etwa im Westbalkan, wo die russische Einflussnahme vor allem in Serbien auf fruchtbaren Boden fällt. Gazprom hat sich in den wichtigsten Energielieferanten des Landes eingekauft und bestimmt maßgeblich die Energiepolitik.

Sicher, die Möglichkeiten einer direkten Einflussnahme in Russland sind begrenzt. Die von der deutschen Politik und Wirtschaft propagierte Modernisierungspartnerschaft ist längst gescheitert. Zivilgesellschaft und oppositionelle Gruppen in Russland stehen unter enormem Druck, viele Oppositionelle haben das Land bereits verlassen. Und der verbreitete Patriotismus scheint ungebrochen. Davon zeugen die Zustimmungsraten für Putins Politik von knapp 90 Prozent.

Sieben Empfehlungen für die europäische Politik
 

1. Trotzdem sollte die EU versuchen, Kontakte in die russische Gesellschaft und zu den Eliten zu erhalten und den Austausch zu fördern. Visaerleichterungen für russische Bürger in die EU könnten ein Mittel sein, als positive Agenda gegenüber Einreisebeschränkungen für das Umfeld von Putin. Gleichzeitig sollte sich die deutsche und europäische Politik auf unterschiedliche Szenarien für eine Zeit nach Putin vorbereiten. Solche können eine Destabilisierung Russlands ebenso nicht ausschließen wie ein noch nationalistischerer Präsident.

2. Die EU sollte an ihrer Reputation und ihren Einflussmöglichkeiten arbeiten. Das Reformdefizit und die Wirtschaftsprobleme vieler Mitgliedstaaten bieten russischer Propaganda Steilvorlagen. Die nationalen Regierungen müssen der Anti-EU-Stimmungsmache von Rechts- und Linkpopulisten etwas entgegensetzen. Es braucht Sanktionen für Regierungen, die durch Populismus den Zusammenhalt in der EU schwächen wollen.

3. Auch die Sanktionspolitik gegenüber Russland muss fortgeführt werden. Sie unterstreicht den Zusammenhalt und die Glaubwürdigkeit der EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich der russischen Aggressionen in der Ukraine. Die russische Führung wird weiter versuchen, einzelne Mitgliedstaaten etwa durch niedrige Energiepreise für ein Ausscheren zu gewinnen. Verweigert Russland Zugeständnisse in der Ukrainekrise, müssen die EU-Mitgliedstaaten hart bleiben, um ihre Glaubwürdigkeit zu bewahren. Die Sanktionen haben bewirkt, dass die russische Führung nicht größere Teile ukrainischen Territoriums erobert hat und bei möglichen Aktionen in der Republik Moldau oder Georgien vorsichtiger vorgehen wird.

4. Die EU muss Wege finden, die russische Propaganda offenzulegen. Die Bundesregierung hat einen richtigen Schritt getan, die Deutsche Welle und ihre russischen und ukrainischen Programme finanziell zu stärken. Dass die britische Regierung jetzt bei der BBC massiv sparen will, ist falsch. Auch die BBC sollte ihr russisches Programm als seriöse Alternative zu Sputnik ausbauen. Gegen das Wegbrechen unabhängiger russischer Medien und NGOs sollte ein europäischer Fonds für sie eingerichtet werden, wie es der Europäische Demokratiefonds jüngst vorgeschlagen hat. Gleichzeitig sollten führende europäische Medien ihr Korrespondentennetz in Russland, der Ukraine und anderen postsowjetischen Staaten ausbauen, um russischer Propaganda mit Fakten zu begegnen.

5. Die EU hat die Analyse der Lage in Russland und anderen postsowjetischen Staaten lange vernachlässigt. Es bedarf einer Stärkung nationaler Thinktanks und Hochschulen, um das Wissen über diese Region auszuweiten. Gleichzeitig sollten sich die politischen Stiftungen in Moskau und den postsowjetischen Hauptstädten verpflichten, die EU und ihre Politik besser zu erklären. Die erheblichen Informationsdefizite erleichtern es, Stereotype aus der Zeit des Kalten Krieges bis heute als Erklärungsmuster anzubieten.

6. Langfristig muss sich die EU in jenen Bereichen konsolidieren, wo die russische Propaganda am erfolgreichsten ist: Sie sollte eine gemeinsame Energie- und Außenpolitik weiterentwickeln, die wirtschaftlichen Probleme der südlichen EU-Staaten beheben und verantwortungsvolles Regieren flächendeckend innerhalb der EU verankern. Dazu gehört es, Minderheitenrechte in der EU zu stärken, hart gegen Korruption vorzugehen, und russische Finanzströme in die EU und weltweit stärker offenzulegen.

7. Gleichzeitig braucht die EU ein ernsthaftes Angebot für die Staaten der östlichen Nachbarschaft. Es liegt im Interesse der EU-Mitgliedstaaten, die Ukraine ökonomisch und politisch zu stabilisieren. Gelingt es, sie zu einem Erfolgsmodell zu entwickeln, kann dies auf andere postsowjetische Staaten ausstrahlen. Der große Vorteil der EU ist es, dass Russland weder über die ökonomische Kraft noch über das politische Modell verfügt, um diese Länder tatsächlich zu entwickeln. Moskau fördert Destabilisierung, Korruption und schwache Staaten, um das Abhängigkeitsverhältnis zu erhalten. Die EU hat attraktivere Angebote für die Gesellschaften dieser Länder parat und sollte diesen strategischen Vorteil stärker nutzen.

Dr. Stefan Meister leitet das Programm Osteuropa, Russland und bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Dr. Jana Puglierin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Berliner Forum Zukunft der DGAP. Sie ist Expertin für deutsche Außen- und Sicherheitspolitik.

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