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(picture alliance) David Petraeus: Wegen einer Affäre mit seiner Biografin Paula Broadwell mussten er seinen Posten als CIA-Chef räumen

Die Affären der US-Führungsoffiziere - Petraeus, Allen und kein Ende

Nachdem David Petraeus nach einer Affäre mit seiner Biografin Paula Broadwell als CIA-Chef zurücktrat, wird nun auch gegen John Allen ermittelt, den Oberkommandierenden US-General in Afghanistan. Laut einer Studie der „Navy Times“ wurden allein in diesem Jahr bereits mehr als 20 Führungsoffiziere wegen Fehlverhaltens entlassen

Es kommt nicht oft vor, dass Reporter als Schauplatz ihrer Artikel die Ortsmarke angeben „Aboard a U.S. Military Aircraft“ – an Bord einer US-Militärmaschine. Doch diesmal waren es die Sicherheitsexperten der amerikanischen Medien, die Verteidigungsminister Leon Panetta auf seinem Flug nach Australien begleiten, die als erste über die spektakulären Weiterungen der Petraeus-Affäre erfuhren.

Am frühen Dienstagmorgen erhielten sie im Flugzeug eine kurze Pressemitteilung, der zufolge nun auch gegen den Oberkommandierenden US-General in Afghanistan, John Allen, ermittelt wird, der auch die Isaf-Truppen befehligt. Allen ist der Nachfolger von David Petraeus, der im vergangenen Jahr CIA-Chef wurde und in der vergangenen Woche von diesem Posten zurücktrat, nachdem eine Affäre mit seiner Biografin Paula Broadwell bekannt geworden war.

Bei den Ermittlungen gegen Allen geht es um eine „möglicherweise unangemessene Kommunikation“ zwischen dem mehrfach dekorierten Vier-Sterne-Marine-General und Jill Kelley, also jener 37-jährigen Frau, die die Petraeus-Affäre ins Rollen gebracht hatte. Im Frühsommer hatte sich Kelley an einen Freund gewandt, der bei der Bundespolizei FBI arbeitet, und sich über anonyme Droh-Mails beschwert. Das FBI recherchierte und fand heraus, dass diese von Broadwell stammten, die wiederum mit Petraeus liiert gewesen war.

Petraeus, Allen und Kelley haben alle in Tampa (Florida) gelebt. Petraeus und Kelley kannten sich. In welcher Beziehung Allen zu Kelley stand, ist derzeit noch unklar. Das Pentagon erhielt vom FBI 20.000 bis 30.000 Seiten, die meisten davon Email-Kopien, zur Auswertung. Die Dokumente stammen aus den Jahren 2010 bis 2012. Allen bestreitet jede Art von Fehlverhalten, sein Nominierungsverfahren zum künftigen militärstrategisch verantwortlichen Nato-Oberbefehlshaber wurde indes von Panetta auf Eis gelegt. Ehebruch kann nach den amerikanischen Militärrichtlinien als Vergehen geahndet werden. Die entsprechenden Bestimmungen finden sich in Artikel 134 des „Uniform Code of Military Justice“.

Bereits am Montag war bekannt geworden, dass die Bundespolizei das Haus der Ex-Geliebten von Petraeus, Paula Broadwell, in Charlotte im Bundesstaat North Carolina durchsucht hatte. Mehrere FBI-Beamte hätten mit leeren Kartons das Grundstück betreten, berichteten lokale Medien. Offenbar solle herausgefunden werden, ob die Beziehung zwischen Petraeus und Broadwell ein Sicherheitsrisiko bedeutete. Auf Broadwells Computer hatte das FBI mehrere als geheim klassifizierte Dokumente gefunden. Sowohl Petraeus als auch Broadwell dementierten allerdings, dass diese von Petraeus stammten.

Ebenfalls im Verlauf des Montags tauchte indes ein Youtube-Video auf, in dem Broadwell Ende Oktober bei einem Vortrag in Denver behauptet, dass bei dem Terroranschlag am 11. September in der libyschen Stadt Bengasi mehrere Milizionäre hätten befreit werden sollen, die von der CIA im Konsulat festgehalten worden seien. Das könnte sie, falls es stimmen sollte, entweder durch einen spekulativen Bericht des TV-Senders „Fox News“ erfahren haben – oder eben von Petraeus selbst. Allerdings soll die Beziehung zwischen den beiden zu der Zeit, also Ende Oktober, bereits zu Ende gewesen sein.

Je weiter sich die Kreise in der Affäre ziehen, desto mehr Fragen türmen sich auf. Wann genau begann die Affäre zwischen Petraeus und Broadwell? Falls der General zu deren Beginn noch in Diensten des Militärs stand, könnte er belangt werden. In welcher Beziehung stand Broadwell zu Kelley? Ihre Droh-Mails schrieb die Petraeus-Biografin anonym, aber was motivierte sie dazu? Wer wusste was wann? Diese Frage aller Fragen betrifft sowohl die Beziehungen als solche (war Petraeus womöglich erpressbar?) als auch die politische Hierarchie. Warum wurde Präsident Barack Obama erst am Wahltag selbst informiert, nachdem bereits ein halbes Jahr lang gegen Petraeus ermittelt worden war?

Seite 2: Kein Ende der Affären in Sicht

Je mehr Fragen sich auftürmen, desto wilder wiederum wuchern die Gerüchte. Erinnert wird an die alte Rivalität zwischen FBI und CIA. War die CIA zu mächtig geworden? Und hatte nicht schon der erste FBI-Chef Edgar Hoover seine Agenten manchmal auf die Intimsphäre von Politikern angesetzt, um diese dann erpressen zu können? Oder wird das Ganze womöglich von Außen gesteuert, wie in den Romanen von John le Carré, wenn Smiley gegen seinen russischen Widersacher „Karla“ kämpft?

Weitaus ernster freilich sind die Konsequenzen fürs amerikanische Militär. Denn Petraeus und Allen sind keine Einzelfälle. Mehr als 20 Führungsoffiziere wurden allein schon in diesem Jahr wegen Fehlverhaltens entlassen, schreibt die „New York Times“ unter Berufung auf eine Studie der „Navy Times“. Die Gründe sind vielfältig. Der Nach-9/11-Stress durch häufiges Rotieren zwischen Irak und Afghanistan mit hohen persönlichen Risiken bei gleichzeitig langer Abwesenheit von der Familie schwächt offenbar den Charakter einiger Soldaten. Bei anderen kommt ein ausgeprägter Ego-Kult hinzu. Besonders Petraeus umgab sich angeblich gern und ausschließlich mit Bewunderern. Er liebte das Angehimmeltwerden, hasste das ehrliche Widerwort.

In den Unterlagen für angehende Führungskräfte beim Militär findet sich auch ein Essay mit dem Titel „The Bathsheba Syndrome: The Ethical Failure of Successful Leaders“ (Das Batsheba-Syndrom: Das ethische Versagen erfolgreicher Führungspersonen). Der biblischen Erzählung zufolge hatte König David ein Verhältnis mit Batsheba, der Frau von Urija, einem Soldaten. Durch eine Hinterlist ließ David seinen Untergebenen Urija im Kampf sterben. Der Charakter eines Menschen, so lernen es auch amerikanische Schulkinder, „ist das, was man tut, wenn keiner zusieht“.

Für Obama kommen die Affären zur Unzeit. Sie werfen ein grelles Licht auf dessen Personalprobleme. Panetta wird ohnehin ausscheiden, ersetzt werden muss auch Außenministerin Hillary Clinton. Ursprünglich war die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice als Clintons Nachfolgerin vorgesehen, doch dürfte sich Rices Ernennungsverfahren wegen ihrer unrühmlichen Rolle nach den Terroranschlägen in Bengasi in die Länge ziehen. Als neuer Verteidigungsminister ist John Kerry im Gespräch, der freilich lieber Außenminister werden würde.

Bei der CIA ist die Lage noch komplizierter. Als Nachfolger von Petraeus bieten sich Michael Morell und John Brennan an. Morell war CIA-Vize und führt zur Zeit kommissarisch die Amtsgeschäfte. Er ist eng mit Obamas Vorgänger, George W. Bush, befreundet und innerhalb des Geheimdienstes außerordentlich gut vernetzt. Brennan, ein langjähriger, erfahrener CIA-Mann, sollte eigentlich schon vor vier Jahren CIA-Chef werden, zog aber seine Bewerbung zurück, nachdem ihn Menschenrechtsorganisationen beschuldigt hatten, den Einsatz von Foltermethoden gebilligt zu haben.

Zu Ende, sagen Experten, sind die Affären noch längst nicht. Auch die politischen Implikationen deuten sich gerade erst an. Dem Drama der Wahl folgen nahtlos die Dramen dieser Skandale. Amerika kommt nicht zur Ruhe.

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