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Pegida und die Tea Party - Zwillingsbrüder im Geiste

Hier schreit man „Lügenpresse“, dort „Mainstream Media“. Hier sorgen sich die Islamfeinde um das christliche Abendland, dort um die Verfassung: Zwischen Pegida und der US-amerikanischen Tea Party gibt es erstaunliche Parallelen

Autoreninfo

Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Explosion in Leipzig! Die Polizei wird attackiert! Leipzig in Flammen! Pegida, sei es in Leipzig oder Dresden, hat Freunde unter amerikanischen Rechtspopulisten, und die Demos und Gegendemos finden reges Interesse. Breitbart.com, die führende Website für Tea-Party-Anhänger – benannt nach dem verstorbenen Internetaktivisten Andrew Breitbart – bringt fast täglich Berichte über die Demonstrationen. Und wer glaubt, diese Artikel seien radikal, sollte erst einmal die Kommentare lesen. Der Begriff „Liar Media“, Lügenmedien, ist bereits über den Teich gewandert, über „Dhimmitude“, „Islamofaschisten“ und „kulturelle Marxisten“ wird geschimpft und es werden Vergleiche zwischen den Anschlägen auf die Leipziger S-Bahn und dem Reichstagsbrand von 1933 gezogen. Breitbart.com schrieb ausgerechnet unter Bezug auf Al Arabiya –, dass es ähnliche Bewegungen in der Schweiz, Österreich und Norwegen gebe, die tausende von Likes auf Facebook hätten und für ein Burka-Verbot seien.

Derweil empören sich liberale Zeitungen wie die New York Times über Lutz Bachmann und seine entdeckten Hitler-Fotos. Wegen solcher Ausfälle hatten sich US-Populisten bisher eigentlich von deutschen und österreichischen Rechtspopulisten ferngehalten. Sie wollen nicht mit Nazis in einen Topf geworfen werden. Für die antifaschistischen Gegendemonstranten allerdings haben sie noch weniger Sympathien. „Um effektiv zu sein, muss Pegida die Verrückten loswerden, die Antisemiten, und die weißen Supremacisten", – das amerikanische Äquivalent der Neonazis – die können die ganze Bewegung herabzerren“, rät ein Kommentator.

Eigentlich halten Tea-Party-Aktivisten Europäer für dekadent, schwach und obrigheitshörig.  Aber mit den Populisten haben sie sich angefreundet, vor allem mit Geert Wilders, mehr aber noch mit Marine Le Pen. Jim DeMint, früherer Senator, nannte sie eine „richtige Lady, vor allem, wenn man sie mit dem Clownpaar Palin/Bachmann vergleicht.“ Dass sogar die New York Times zur Empörung vieler Leser Le Pen kürzlich eine Plattform bot, ist ein Zeichen dafür, wie ernst die europäischen Rechtspopulisten in den USA inzwischen genommen werden. Auch über Pegida berichtet die Times alle paar Tage.

Wohlwollende Berichterstattung aus den USA
 

Auch Newsmax.com, das dem konservativen Verleger Christopher Ruddy gehört, beobachtet Pegida. Ruddy schrieb zuvor für Rupert Murdochs New York Post über die Affären der Clintons. Seine Website gilt als Sprachrohr der Tea Party. Auch bei Newsmax sprechen schon die Leserkommentare für sich: Mal wird Angela Merkel für eine „Marxistin“ gehalten, die Europas Grenzen für muslimische Immigranten und die Neue Weltordnung öffnen will – ein Kampfbegriff der US-Rechten, der die Vereinten Nationen meint – mal wird auf kriminelle Immigranten, Multikulti und Ehrenmorde geschimpft. Und der Murdoch-Nachrichtensender Fox News, sozusagen das offizielle Organ der Rechtspopulisten, warnte erst vor No-Go-Zones in Europa (und fing sich eine Klagedrohung der Pariser Bürgermeisterin ein). Danach brachte Fox die Geschichte, dass ein katholischer Pfarrer bei Pegida nicht sprechen durfte.

Dass Medien, die der Tea Party nahestehen, wohlwollend berichten, ist kein Zufall. Es gibt zwischen der Tea Party und Pegida erstaunliche Ähnlichkeiten. Die US-Rechtspopulisten kamen nicht zufällig auf, als ein schwarzer Präsident ins Weiße Haus zog, den sie für einen muslimisch-kommunistischen Araber aus Kenia halten. Das wäre so, als wenn in Deutschland eine Mischung aus Cem Özdemir und Sarah Wagenknecht Kanzlerix würde. Dass Obama auch noch einen schwarzen Justizminister und eine schwarze Botschafterin zu den Vereinten Nationen berief, machte es nicht besser.

Wie Pegida, besteht die Tea Party vornehmlich aus weißen, älteren, besser gestellten, konservativen Protestanten, die sich als das eigentliche Volk sehen. Dass Obama Millionen von Mexikanern legalisieren will, finden sie empörend. Sie sind gegen Sozialleistungen für Einwanderer, die es in den USA sowieso kaum gibt, und für eine starke Polizei. Ihr Held ist Sheriff Joe Arpaio aus Maricopa, Arizona. Jan Brewer, die der Tea Party nahestehende Gouverneurin hat Gesetze durchgedrückt, wonach die Polizei die Papiere von verdächtig aussehenden – was heißt, braunhäutigen – Autofahrern kontrollieren darf. Und wenn es nach Arpaio ginge, wäre die Mauer zu Mexico doppelt so hoch.

Besonders sorgt sich die Tea Party darum, dass in den USA die Scharia eingeführt werden wird: Es gibt mehrere Gesetzesinitiativen, das zu verhindern. Das ist schon deshalb absurd, weil die Zahl der muslimischen Einwanderer bei knapp einem Prozent liegt. Und ähnlich, wie sich Pegida auf das christliche Abendland beruft, beschwört die Tea Party die Konstitution der USA. Die sei, glauben manche gar, von Gott gegeben.

Pegida als Politikerschmiede?
 

Die Wut der Tea Party entzündete sich ursprünglich an den Milliarden für die Bankenrettung. Aber bald ging es darum, dass auch arme und schwarze Familien gerettet wurden, die sich überschuldet hatten. Aus einer Kampagne für Sparsamkeit wurde Sozialneid. Kurz darauf kamen die Libertären mit an Bord, die von den Milliardärsbrüdern Charles und David Koch finanziert werden. Deren Vorstellung vom schlanken Staat haben mit denen des Fußvolks aber wenig zu tun. Die Kochs sind weder gegen Immigration noch gegen die Schwulen-Ehe. Sie wollen den Umweltschutz und den Sozialstaat schleifen, vor allem die Rente und Medicare. Damit hat der gemeine Tea Partier, der sich vor allem aus Südstaatlern, Dixicrats rekrutiert, die Waffen tragen wollen und das Ende der Rassentrennung nicht verwunden haben, nichts am Hut. Seitdem versuchten allerlei Gruppen, die Tea Party zu kooptieren – Evangelikale, Zionisten, Abtreibungsgegner, rechte Militias und konservative Republikaner – sodass sie nun heillos zersplittert wirkt.

Was der Pegida die „Lügenpresse“, ist dem Tea Partier die „Mainstream Media“, ein Begriff, den der altlinke Noam Chomsky geprägt hat, der damit die etablierte Presse meint. Daraus machte Sarah Palin, die frühere Gouverneurin von Alaska, die „Lamestream Media“. Besonders verhasst sind bei der Tea Party – die sich sonst allzeit ihrer Liebe zu Israel brüstet – linke jüdische Journalisten aus dem Sündenbabel New York. Aber auch Moslems bekommen ihr Fett weg. Tea Partier ereiferten sich beispielsweise, als in New York eine Moschee angeblich an Ground Zero gebaut werden sollte. Und Autoren wie der iranischstämmige Wissenschaftler Reza Aslan, der sich auch noch erdreistet, über das Christentum zu schreiben, stehen unter Dauerbeschuss.

Als außerparlamentarische Bewegung ist die Tea Party nicht mehr stark genug, aber viele ihrer Vorkämpfer sitzen nun im Senat oder hoffen auf die Präsidentschaft: Rand Paul, Ted Cruz, Scott Walker. Ob aus der Pegida auch mal Politiker entwachsen? Es ist zu früh, dass zu sagen, aber irgendwann schwappt alles aus Amerika ins alte Europa.

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