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Nukleare Aufrüstung - Iran bleibt in der Atomfrage stur

Zwar haben die Iraner mit dem IS jetzt einen gemeinsamen Feind, doch gegenüber der internationalen Gemeinschaft pochen sie weiterhin auf ihr Atomprogramm. Damit bleibt der Verdacht, Iran könnte sich nuklear aufrüsten. Am 24. November läuft die Frist für eine Einigung ab. Was kommt danach?

Für Iran gewinnt eine alte Frage gerade neue Bedeutung: der Besitz der Atombombe. Im Nahen und Mittleren Osten, quasi vor der eigenen Haustür, breitet sich gerade mit dem „Islamischen Staat“ der Todfeind aus. Die Anhänger der radikalen Terrormiliz streben genauso wie die Mullahs in Teheran nach der Führungsrolle in der Umma, der islamischen Weltgemeinschaft. Es ist nicht zuletzt ein Kampf zwischen extremistischen Sunniten und den überwiegend in Iran lebenden Schiiten.

Mit einer Atombombe hätte Iran in dieser Auseinandersetzung eine ganz andere Position. Das Land wäre praktisch nicht mehr angreifbar – Nordkorea hat das vorgemacht. Aus einer Position der Stärke könnte es sein Streben nach Hegemonie im gesamten Mittleren Osten weiter ausbauen.

Die Gegenpole im islamischen Lager fürchten die iranische Bombe daher noch mehr als die Atommacht Israel. Das behält sich einen militärischen Schlag gegen Teherans Nuklearprogramm weiterhin ausdrücklich vor. Saudi-Arabien, die Golfemirate, Ägypten und auch die Türkei – sie alle überwiegend sunnitisch geprägt – hoffen auf internationale Hilfe. Die sechs sogenannten E3+3-Staaten – in Europa bestehend aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie den USA, China und Russland – sollen Iran zur Aufgabe seines militärischen Atomprogramms zwingen.

Das Tauziehen geht nun in die entscheidende Runde, nachdem es im Sommer schon einmal um vier Monate verlängert werden musste. In den vergangenen drei Tagen wurde in Wien um eine Lösung gerungen. Aus Washington war eigens US-Außenminister John Kerry angereist, aus Teheran Außenminister Mohammed Dschawad Zarif. Der Druck ist hoch: Bis zum 24. November muss die Einigung stehen.

Doch ein substanzielles Ergebnis gab es keines, wieder einmal. Im Diplomatensprech heißt das so: „Wir sind dabei, uns nach vorne zu bewegen“, sagte Zarif. Doch zum Optimismus besteht kein Anlass.

Atomprogramm hat starken Rückhalt in der iranischen Bevölkerung


Der wichtigste Streitpunkt ist die Urananreicherung. Iran hält inzwischen 19.000 Zentrifugen bereit. Für ein ziviles Programm würden aber weniger als 5000 reichen. Die Iraner haben hier kein neues Angebot mit nach Wien gebracht. Solange sie an dieser hohen Zentrifugenzahl festhalten, kann es keine Lösung geben. Denn damit könnten sie in relativ kurzer Zeit wieder größere Mengen hoch angereichertes Uran 235 herstellen. Das wäre genug für den Bau der Atombombe – die sogenannte Breakout-Zeit würde dramatisch verkürzt.

Auch um den Plutoniumreaktor in Arak wird weiter gerungen. Vorschläge, ihn in einen Leichtwasserforschungsreaktor umzuwandeln, hat Teheran bisher auch nicht akzeptiert.

Die Iraner wollen Zusagen. Die vor einem Jahr gelockerten Wirtschaftssanktionen sollen völlig aufgehoben werden. Das Land ächzt seit Jahren unter diesen Beschränkungen. Doch die E3+3-Verhandler sind dazu nicht bereit – nur wenn sich der Iran bewegt, will man hier nachgeben.

Eine strategische Entscheidung sei in Teheran noch nicht gefallen, heißt es aus Wien. Im Klartext: Ayatollah Ali Chamenei, der religiöse Führer und eigentliche starke Mann, legt fest, wohin die Reise gehen soll. Sein Votum wird am Ende den Ausschlag geben. Wird er bei den starken konservativen Kräften bleiben, die unbedingt am Atomprogramm festhalten wollen? Oder wird er sich den Reformern zuwenden, die für Konzessionen sind? Der Westen darf sich dabei nicht täuschen: Auch in der Bevölkerung hat das Atomprogramm großen Rückhalt.

Alptraum-Szenario: Terroristen im Besitz der Atomwaffen


Immerhin einen Hoffnungsschimmer gab es bei den Atomverhandlungen. Die Russen arbeiten den Angaben zufolge trotz der Ukraine-Krise solidarisch und konstruktiv auf der Seite der Verhandler mit. Die Ukraine sei das eine, die Atomverhandlungen etwas anderes. Beides wollen die Russen nicht vermischen. Sie wollen genau wie China eine Lösung.

Tatsächlich muss Iran wissen, dass es keine Schlupflöcher gibt. Teheran gegen den Rest der Welt – das ist zurzeit die Situation.

Aber was, wenn man sich nicht einigt?

In einem ersten Schritt hatte Iran sich bereit erklärt, seine großen Bestände an hoch angereichertem Uran so zu verdünnen, dass es für den Bau einer Bombe derzeit nicht mehr reicht.  

Doch seitdem ist der Konflikt eingefroren. Die Iraner sind angesichts der unverändert großen Zahl an Zentrifugen und sonstiger Technik weiterhin in der Lage, ihre Produktion wieder hochzufahren. Sollte sich daran bis zum 24. November nichts ändern, blieben die Sanktionen in Kraft – oder würden sogar noch verschärft, wenn der US-Kongress sich in Washington durchsetzen sollte.

Falls Iran sein Atomprogramm wieder starten sollte, dann könnte der Alptraum doch noch wahr werden: Die Gedankenspiele reichen von militärischen Luftschlägen Israels gegen die iranischen Atommeiler bis hin zur nuklearen Proliferation im Mittleren Osten. Die großen Gegenspieler rund um den Iran wie die Türkei, Ägypten und Saudi-Arabien könnten dann ebenfalls nach der Bombe streben. Damit würde noch eine andere Gefahr dramatisch ansteigen: Auch radikale Kräfte in der Region könnten irgendwann in den Besitz von Atomwaffen kommen. Damit hätte sich der Kreis bei den Sorgen um das Wachsen des „Islamischen Staates“ geschlossen.

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