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Nato-Oberbefehlshaber in Europa - Kalter Krieg 2.0

Der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, General Breedlove, sagte vor Kurzem im US-Kongress, die Nato befände sich mitten in einem hybriden Krieg mit Russland. Neben einer Abschreckungstaktik im Baltikum setzt er notfalls auch auf einen Angriff Kaliningrads

Autoreninfo

Petra Erler ist Geschäftsführerin der Strategieberatung European Experience Company GmbH. 1990 war sie nach den ersten freien Wahlen in der DDR Staatssekretärin für Europäische Angelegenheiten. Von 2006 bis 2010 war sie die Kabinettschefin von EU-Kommissar Günter Verheugen.

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Am 5. März 1946, also vor 70 Jahren, hielt Winston Churchill seine berühmte Rede zum Eisernen Vorhang. Dieser Jahrestag wäre mir entgangen, wenn es nicht die Anhörung des Nato-Oberbefehlshabers in Europa, General Philip Breedlove, am 25. Februar im US-Kongress gegeben hätte. Im Komitee für die Streitkräfte. Der Vorsitzende eröffnete die Anhörung, indem er aus der Rede Churchills zitierte: Er (Churchill) sei überzeugt, Sowjet-Russland wolle keinen Krieg, aber die Früchte des Krieges ernten und seine Macht und seine Doktrin unbegrenzt ausbreiten. Außerdem wäre da nichts, was die russischen Freunde mehr bewunderten als Stärke und vor dem sie weniger Respekt hätten als vor Schwäche – insbesondere militärischer Schwäche.

Das Zitat, schloss der Vorsitz, war damals wahr und sei heute ebenfalls wahr. Punkt. Da ist es wieder, das Gespenst des Kalten Krieges, das ganz selbstverständlich bemüht wird. Nicht irgendwo, sondern im amerikanischen Kongress, vom republikanischen Abgeordneten Mac Thornberry. Damit war der Ton der Anhörung gesetzt – und Breedlove ganz in seinem Element.

Der Aggressor Russland
 

Tatsächlich gilt Russland in der amerikanischen Sicherheitsdoktrin von 2015 als Aggressor, während die Nato auf dem Treffen in Wales 2014 nicht so weit ging, sondern die „aggressiven Handlungen“ von Russland in Bezug auf die Ukraine verurteilte.

Die neue US-Sicherheitsdoktrin spricht vom Primat der Politik, erlaubt Abschreckung, wenn und wo nötig aber auch Vernichtung von Aggressoren. Im Amerikanischen heißt das die Bereitschaft „to project power globally“.

Was General Breedlove, zuständig für alle militärischen Operationen der Nato, zum Nato-Russland-Verhältnis im Einzelnen zu sagen hat, kann man nachhören und in einigen amerikanischen und ukrainischen Medien auch nachlesen.

Laut Breedlove haben die Russen beschlossen, Gegner der USA zu sein. Sie stellten demnach eine „langfristige existenzielle Bedrohung für die Vereinigten Staaten von Amerika dar“. Zudem brauche die Nato ausreichend Kapazität, um nötigenfalls die „Festung Kaliningrad“ zu durchbrechen. Schließlich hätte eine Studie der Rand-Corporation, für die Breedlove höchste Töne der Wertschätzung fand, kürzlich herausgefunden, dass die Russen in 60 Stunden das Baltikum einnehmen könnten. So schnell könne die Nato nicht einmal „piep“ sagen, Abschreckung sei daher nötig. Denn das Baltikum sei der verwundbarste Punkt in der Nato.

Kaliningrad notfalls überrennen
 

Da nützt es nichts, dass die Russen behaupten, sie würden die Nato nicht angreifen wollen. General Breedlove will vorsorgen, Kaliningrad notfalls überrennen, und was dann käme, das mag man sich gar nicht vorstellen. Was wir jedoch genau wissen, ist, dass die Russen ausweislich ihrer Sicherheitsstrategie vom 31. Dezember 2015 das Heranrücken der Nato an ihre Grenzen als Bedrohung auffassen. In ihrer Militärdoktrin von 2009 hatten sie sich „besorgt“ darüber gezeigt. Allgemein betrachten die Russen die USA und die Nato als Gefahr, nicht aber als Bedrohung.

Wie zu hören ist, plant der deutsche Vorsitz in der OSZE in diesem Jahr, die verschiedenen Sicherheitsdoktrinen der Mitglieder gemeinsam zu erörtern. Um Vertrauen aufzubauen.

Ob dies allerdings den Nachfolger des bald in Rente gehenden Breedlove beeindruckt, ist mehr als fraglich. Denn das Nato-Oberkommando, das Breedlove verkörpert, scheint sich sicher: Da herrsche kein Kalter Krieg mit Russland, vielmehr befänden wir uns mittendrin in einem „hybriden Krieg“ mit Russland, so Breedlove wörtlich. Die Russen würden nicht nur die internationale Ordnung in Frage stellen, sondern wollten auch deren Spielregeln ändern, betonte der General an anderer Stelle. Welche, sagte er nicht.

Heimspiel für Breedlove
 

Ob die Nato-Partner seine Sicht auf die Dinge teilen würden, wurde Breedlove im Ausschuss gefragt. An diesem Punkt war er etwas vorsichtiger. Sie hätten ihn verstanden, aber was die Höhe der Militärausgaben angehe, da sei man unterschiedlicher Auffassung.

Breedlove hatte in dem betreffenden Ausschuss ein Heimspiel. Er musste sich keine kritischen Fragen gefallen lassen. Niemand war erschrocken, als er konstatierte, man müsse die Paradigmen der vergangenen 20 Jahre, die für den US-Truppenabzug aus Europa galten, grundlegend ändern. Und als er sagte, dass Russland kein Partner mehr sei.

Niemand fragte, wie denn der General das jüngste Treffen zwischen dem Nato-Generalsekretär und dem russischen Außenminister beurteile, bei dem Möglichkeiten einer Wiederaufnahme des Nato-Russland-Rates besprochen worden waren. Immerhin hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg von der Bedeutung des politischen Dialogs mit Russland gesprochen und den Rat als „Allwetterveranstaltung“ bezeichnet, für gute, aber eben auch für Krisenzeiten.

3,4 Milliarden Dollar für den Schutz des Baltikums
 

Im betreffenden Ausschuss ging es formal um das Budget für die European Reassurance Initiative der Nato, die die Kapazitäten der Nato im Baltikum stärkt. Nach den Planungen sollen sich die US-Mittel 2017 auf 3,4 Milliarden Dollar belaufen und damit vervierfachen. Ob das reichen werde, um die Russen abzuschrecken, fragte der Ausschussvorsitzende. Oder sei das eher symbolisch gedacht? Beides, erwiderte Breedlove. Aber schließlich müsse man einen Schritt nach dem anderen gehen.

Wie wohl eine Anhörung des Generals im Deutschen Bundestag ablaufen würde? Was wohl die Bundesregierung von alledem hält? Ist der Frieden schon verloren im hybriden Krieg? Breedlove ist schließlich nicht irgendwer. Aber da ist nur Schweigen.

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