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Referendum für den Grexit - Wie die Griechen eines Sonntags ihren Untergang beschlossen

Beim Referendum in Griechenland hat sich eine klare Mehrheit der Bevölkerung gegen die derzeitige Sparpolitik ausgesprochen. Damit bleibt dem Land nur noch ein Weg: der Grexit. Ein Kommentar

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Das Gute zuerst: Es ist ein recht eindeutiges Ergebnis, das das griechische Volk da  abgeliefert hat. 60,3 Prozent der Wähler stimmten bei dem Referendum über die Sparpolitik mit „Nein“, 39,7 Prozent mit „Ja“.

Das Schlechte gleich hinterher: Die Griechen haben ihren eigenen Untergang besiegelt. Dem Land stehen fürchterliche Jahre bevor. Und die siegestrunkenen Nein-Sager feiern auf den Straßen. Es ist gespenstisch.

Wie seinerzeit die Matrosen auf Odysseus‘ Schiff sind fast zwei Drittel der wahlberechtigten Griechen den beiden Sirenen Alexis Tsipras und Janis Varoufakis verfallen. Die beiden tun wie die Heilsbringer, die stellvertretend für alle Unterdrückten des Kontinents für irgendeine große europäische Sache kämpfen, die den Stier des amerikanischen Finanzkapitalismus bei den Hörnern packen und ähnlichen Blödsinn, den sie auch heute wieder erzählt haben. Wahnhaft ist das – und ein großes Unglück für das griechische Volk.

Leinen los – und gute Reise!


Die Troika, Angela Merkel, François Hollande und wie sie alle heißen werden jetzt nämlich nur eine Antwort kennen: Hahn zu, Ende, Schluss, Aus. Du hast dich für diese Reise entschieden, Griechenland, also: Leinen los – und gute Fahrt. Die Odyssee war eine Spazierfahrt gemessen an dem, was dem Land nun blüht.

Denn kein Regierungschef der Eurogruppe, kein Regierungschef der EU kann wiederum seinem Volk nun noch erklären, warum die große Schuldenumwälzpumpe weiter Geld nach Athen bringen soll. Damit wird folgendes Szenario eintreten: Die griechische Verwaltung wird nicht mehr in der Lage sein, Renten und andere staatliche Transferleistungen in Euro auszubezahlen. Eine zweite Währung muss her, die Drachme, was auch immer. Und dann wird schnell der Punkt kommen, an dem Griechenland von sich aus den Austritt aus der Europäischen Union und dem Euro beschließen muss. Grexit.

Dann hat die europäische Idee eine Riesendelle. Sie ist aber nicht tot, ebenso wenig wie dies der Anfang vom Ende der Merkel‘schen Kanzlerschaft ist. Vielleicht liegt im Griechen-GAU sogar eine Chance, die richtigen Lehren aus dieser Katastrophe zu ziehen. Und die wäre: Es kann auch einmal jemand die Europäische Gemeinschaft verlassen. Aber die, die bleiben, sollten sich ganz schnell an die Vollendung dieses Projektes machen.

Was es jetzt braucht, ist eine Vertiefung der Union, eine gemeinsame Finanzpolitik, eine gemeinsame Wirtschaftspolitik. Sonst ist dieser Sonntag wirklich der Anfang vom Ende. Nicht von Merkels Kanzlerschaft. Sondern von Europa.

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