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Prominente über den Papst - Franziskus? Find ich gut!

Pomp ist nicht seine Sache. Über Homosexuelle mag er nicht richten. Damit gewinnt der oberste Hirte der katholischen Kirche die Herzen der Menschen – über alle Glaubensgrenzen hinweg. Fünf Stimmen berühmter Deutscher zu Papst Franziskus

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Martina Gedeck: Franziskus braucht die Liebe der Gläubigen


Die Bewegungen dieses Papstes sind überraschend, sein Handeln scheint unvorhersehbar, er bricht mit Gewohntem. Dafür vor allem wird er geschätzt. Es entsteht der Eindruck eines aktiven Kirchenmannes, der sich nicht instrumentalisieren lässt, sondern eigene Entscheidungen trifft, die sich ganz unmittelbar an der Nachfolge Christi orientieren. Er tritt in einen sehr offenen Dialog mit den Gläubigen und spricht sie direkt an, herzlich und unverstellt. Sollte Franziskus eine Veränderung der autokratischen Strukturen innerhalb des Vatikans umsetzen wollen, braucht er die Liebe und das Vertrauen der Weltgemeinschaft der Gläubigen.

Zunächst aber scheint er seinem Herzen und seinem Gewissen zu folgen und da anzufangen, wo es nottut: sich den Armen und Ausgeschlossenen zuzuwenden, dort hinzugehen, wo keiner hin will, mit denen zu sprechen, die keiner sehen will, und Mitmenschlichkeit und Verantwortung einzufordern. Abgesehen von den kleinen großen Zeichen (einfaches Habit, offenes Auto, bescheidenes Wohnen) gibt es erste strukturelle Reformen: Er unterzeichnet ein Dekret zur verschärften Verfolgung von Kindsmissbrauch und passt die teilweise veraltete Justiz im Kirchenstaat internationalen Standards an. Das lässt hoffen.

Martina Gedeck zählt zu den profiliertesten Charakterdarstellerinnen im deutschen Film. „Die Gottesfrage hat mich immer begleitet“, sagt die Protestantin.

Bodo Kirchhoff: Das vollkommene Gegenteil


Italien, wo wir den Sommer mit unseren Schreibseminaren verbringen, steht noch im Banne Silvio Berlusconis. Auf gespenstische Weise imponiert er vielen Italienern, trotz seiner Plastikhaare und dem Hang zum Operettenhaften, der Lügen, der Rechtsverdrehereien und im Grunde nicht besonders männlichen Affären.

Vor diesem Hintergrund stellt Franziskus das vollkommene Gegenbild dar. Der neue Papst ist in jeder Hinsicht die menschliche Opposition zu Berlusconi, vor allem zu dessen lächerlichem Prunkbedürfnis. Franziskus’ bewusster Verzicht auf alles Pomphafte zeigt, dass es zumindest an der Spitze eines geistlichen Staates einen Menschen geben kann, der durch Einfachheit beeindruckt. Meine Hoffnung ist, dass er etwas dazu beiträgt, die Italiener mit ihrem Staat und den Amtsinhabern zu versöhnen, sie aus ihrer kindischen Rolle zu holen, den Staat um jeden Preis „bescheißen“ zu müssen. Dieser Papst wendet sich dem Übel, ja dem Unrat zu, statt ihn mit erhobenem Zeigefinger für moralische Appelle zu nutzen. Er macht sich notfalls diesen Zeigefinger schmutzig, und nur dann hat ein solcher Finger Gewicht. Franziskus ist wieder ein Mächtiger, dem man sich anschließen kann, weil seine Macht auch aus gezeigter Ohnmacht besteht.

Die Frage ist, ob er mit den komplizierten Verhältnissen im Vatikan allein fertig wird, welche Berater er sich holt und ob er auch mit dieser Aufgabe ein Modell für Italien schafft.

Bodo Kirchhoff ist Schriftsteller. Von ihm stammen unter anderem die Romane „Die Liebe in groben Zügen“, „Schundroman“ und „Infanta“.

Sebastian Turner: Eine Freude für alle


Der neue Papst erfreut alle Christenmenschen und nicht nur die. Einfache und einnehmende Botschaften und ein Verhalten, das sie zu belegen scheint, strahlen aus – weit über die katholische Kirche hinaus. Für das Verständnis der Weltreligionen untereinander ist es ein Segen, wenn das Christentum von einem Botschafter vertreten wird, der auch bei Muslimen, Juden, Hindus und Buddhisten ankommt.

Es ist ihm gelungen, große Sympathien und Erwartungen zu wecken. Das ist nicht einfach. Wirklich schwer wird es, sie zu erfüllen, wenn eine der ältesten Organisationen der Erde dafür verändert werden muss.

Sebastian Turner ist Werbefachmann. Als Parteiloser hat er 2012 für das Amt des Stuttgarter Oberbürgermeisters kandidiert.

Michael Wolffsohn: Ein Glücksfall für die Religion an sich


Päpste kommen und gehen, der Katholizismus bleibt. Die Religion an sich bleibt, gleichgültig in welcher Form. Wir erleben die Krise der Institution(en) der Religion(en), nicht die Krise der Religion an sich. Zeitlos sind ihre Grundfragen: Wer oder was ist der Mensch? Woher kommen, wohin gehen wir? Wie, für wen, wofür leben wir? Das sind die ewigen Fragen des Seins, der Religion.

[[{"fid":"59025","view_mode":"full","type":"media","attributes":{"height":600,"width":399,"style":"width: 150px; height: 226px; float: left; margin: 5px 10px;","class":"media-element file-full"}}]]Ohne Institution keine Tradition, verstanden als Weitergabe und Beschäftigung mit diesen Fragen. Dafür bestehen die Institutionen der Religionen, die Kirche zum Beispiel. Auch die Institutionen der Religionen bestehen aus Personen, charismatischen und glaubwürdigen, belanglosen oder unglaubwürdigen. Das bedeutet: Die Krise der Institution katholische Kirche und anderer religiöser Institutionen ist eine Krise ihrer Personen.
Nun hat der Katholizismus wieder mit Papst Franziskus eine charismatische Person, die – wie in der zunehmend personalisierten Politik – die Hoffnungen und Wünsche der Gläubigen glaubwürdig durch seine Person fokussiert. Das ist ein Glücksfall für den Katholizismus und „die“ Religion an sich.

Die Gefahr: Charisma wird zur Gewohnheit und veralltäglicht sich meistens. Die Chance: Die Zeit des Charismas ist für die Substanz zu nutzen. Lang lebe Papst Franziskus – und sein Charisma.

Michael Wolffsohn ist deutsch-jüdischer Historiker. Er schrieb unter anderem die Bücher „Wem gehört das Heilige Land?“ und „Juden und Christen“.

Amelie Fried: Zeichen und Wunder


Ich sehe in der Kirche eher ein politisches als ein spirituelles Unternehmen und ans Spitzenpersonal habe ich ähnliche Erwartungen wie an Staatschefs oder Konzernlenker – Vorbildfunktion, Führungsqualitäten, Kompetenz und Menschlichkeit.

In den vergangenen Jahren hätte ich keinen Euro in eine katholische Konzernaktie investiert, zu rückständig und moralisch fragwürdig erschien mir die Führung. Der Gipfel waren die systematische Vertuschung von Missbrauchsfällen und die Umarmung der Holocaust-Leugner von den Piusbrüdern.

Und nun Franziskus. Nach anfänglicher Skepsis wegen zu großer Nähe zur argentinischen Militärherrschaft (die ihm nicht nachgewiesen werden konnte) überrascht der neue Chef fast täglich seine Kunden und Mitarbeiter. Er trägt keinen Hermelin und keine Prada-Schuhe, wohnt im Gästehaus statt im Palast, umarmt die Ausgestoßenen der Gesellschaft und wirbt für eine „Kirche der Armen“. Er will die Kurie reformieren, bei der Vatikanbank aufräumen, und auf das Thema Schwulenlobby im Vatikan angesprochen, sagt er, wenn es eine solche geben sollte, sei das ein Problem, weil Lobbys ein Problem seien. Und weiter: „Wenn ein Priester homosexuell ist, Gott sucht und ein Mensch guten Willens ist, wer bin ich, über ihn zu richten?“

Es gibt Homosexuelle in der katholischen Kirche? Und die können gute Priester sein? Womöglich sogar gute Menschen? Das hat uns bisher keiner von denen da oben gesagt, schön, dass es jetzt mal einer getan hat. Leider bleibt für den Papst der homo­sexuelle Akt eine Sünde. Aber bei der katholischen Kirche ist man ja schon dankbar für kleine Signale in Richtung mehr Menschlichkeit, Empathie und Gleichberechtigung – was nur zeigt, wie groß der Mangel ist. Aber vielleicht geschehen ja noch Zeichen und Wunder. Für den Fall, dass Franziskus den Zölibat aufhebt und Frauen ins Priesteramt lässt, kündige ich hiermit meinen Eintritt in die katholische Kirche an. Zum Glück ist die Gefahr gering.

Amelie Fried ist Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin. Sie ist evangelisch getauft, aber mit Anfang zwanzig aus der Kirche ausgetreten.

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