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Islamistischer Terror in Paris - Der Krieg ist da

Die Attentate in der französischen Hauptstadt fordern den Westen heraus. Dieser muss nun von der Alles-Egal-Gesellschaft zum wehrhaften Prinzip werden. Nur militärisch könnte der Krieg gegen den „Islamischen Staat“ gewonnen werden

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Am 13. November 2015 hat keineswegs ein namenloser Terror den Westen heimgesucht. Dem Westen wurde der Krieg erklärt. Wieder ist es Frankreich, wieder Paris, wie schon zu Beginn dieses alptraumhaften Jahres 2015, als die Zeitschriftenmacher von „Charlie Hebdo“ und Kunden eines jüdischen Supermarkts von Islamisten hingerichtet wurden. Während es damals noch den Hauch einer ideologischen Rechtfertigung für die Wahl der Hinrichtungsopfer gab – diese hätten Mohammed beleidigt beziehungsweise seien als Juden Feinde des Islams –, hat das Massaker in seiner planvollen Wahllosigkeit die eine klare Botschaft: Der Westen soll verschwinden, indem die Menschen des Westens sterben, allesamt. Perverser, totaler wurde kaum ein Krieg je erklärt.

Wenn der bemitleidenswerte französische Staatspräsident Hollande mit Bedacht von einem „Kriegsakt“ spricht, der außerhalb Frankreichs organisiert worden sei, sagt er damit zweierlei: Er verweist auf die Beistandspflicht der Nato, die genau für solche Zwecke gegründet wurde, zur wechselseitigen militärischen Hilfe bei Attacken auf ihre Mitgliedsstaaten. Und zweitens charakterisiert er das Massaker nicht länger als Terrorismus oder organisierte Gewalt einer kriminellen Vereinigung, des „Islamischen Staates“, sondern als das, was es wirklich ist: als Kriegsbeginn.
Alle Nato-Partner, auch Deutschland, sind nun aufgefordert, Frankreich zu unterstützen und ihrerseits konsequent gegen die Kriegspartei auf ihrem Territorium vorzugehen. Ist der Westen im Allgemeinen, ist Deutschland im Besonderen dazu willens und fähig? Von einem Land, dessen Kanzlerin Grenzen für prinzipiell nicht zu sichern hält, ist wenig mehr zu erwarten als eine Politik der großen Gesten.

Doch mit Solidaritätsadressen und Mitleidsbekundungen wurde noch kein Krieg gewonnen. Tränen helfen nicht, Frau Merkel. Nach Kriegsbeginn kann einzig und allein durch Verteidigung die Souveränität wiedererlangt werden. Gauck hat Recht, nicht Merkel, wenn er fordert, Zorn müsse in „Entschlossenheit und Verteidigungsbereitschaft“ münden. Nicht fromme Sprüche und schon gar nicht, wie in einem besonders peinlichen Moment nach „Charlie Hebdo“, eine Selbstfeier der Staatsspitze vor dem „Brandenburger Tor“ nebst denkbar deplatzierter Koran-Rezitation, wird die islamistische Kriegspartei zu zerstören beitragen. Ein neuerliches Eiapoipeia der guten Denkungsart wäre ein Kotau der Selbstaufgabe.
Und der Westen als Ganzes? Ist er mehr als eine Alles-Egal-Gesellschaft mit wirtschaftlichen Sonderinteressen? Mehr als eine toleranzberauschte Gruppenmoral mit der Lizenz zum Wegschauen? Der islamistische Massenmord von Paris mit bisher über 120 unschuldigen Opfern, dieser Anschlag auf die Freiheiten des Westens kann nicht allein mit der Litanei beantwortet werden, nun werde man erst recht alle Freiheiten in Anspruch nehmen. Natürlich, das Geschäft der islamistischen Freiheitsfeinde darf der Westen nicht betreiben. Er muss der Versuchung widerstehen, sich aus den Marktplätzen in die Panic Rooms zurückzuziehen. Einen Westen ohne offene und öffentliche Gesellschaft kann es nicht geben.
Wahr ist aber auch: Nun ist die Stunde nicht der Stuhlkreise, der bunten Bänder und der allseitigen Betroffenheit. Der Krieg gegen den „Islamischen Staat“ kann nur militärisch gewonnen werden. Der Westen wird nur siegen können, wenn er vom Laissez faire zum wehrhaften Prinzip wird, wenn er bereit ist, Grenzen zu kontrollieren, Bürger zu schützen, Feinde zu verfolgen. Ohne eine vorübergehende Einschränkung mancher Freiheiten könnte die Freiheit nicht zu retten sein.
Flankierend kann und sollte es geben, was die „Islamische Zeitung“ fordert und der „Koordinationsrat der Muslime“ offenbar organisieren will, „eine Großkundgebung für alle Muslime“, um zu zeigen, dass die Radikalpolitisierung des Islams kein Mehrheitsphänomen werden darf. Der Krieg aber ist da. Wer ihn nicht annimmt, hat ihn schon verloren.
 

 

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