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Irans Atomprogramm - „Wir alle wissen, dass der Iran die Hisbollah unterstützt”

Die fünf Vetomächte in der Uno sowie Iran und Deutschland verhandeln über Irans nukleare Strategie. Die US-Politikwissenschaftlerin Haleh Esfandiari spricht im Interview über das iranische Atomprogramm, die Haltung der persischen Gesellschaft gegenüber dem Westen und ihre Zeit in iranischer Gefangenschaft

Autoreninfo

Krisztian Simon ist ein ungarischer Journalist. Er war Stipendiat der Robert-Bosch-Stiftung in Berlin. Zurzeit ist er unterwegs in Zentralasien.

So erreichen Sie Krisztian Simon:

In den nächsten Wochen müssen die Atomverhandlungen mit dem Iran abgeschlossen sein. Sind Sie optimistisch?
Ich denke, dass in der jetzigen Situation das angestrebte Abkommen das Beste ist, was die fünf UN-Vetomächte und Deutschland zusammen mit dem Iran erreichen können. Wenn sich nicht viel an den Beschlüssen vom April ändert, wird diese Vereinbarung wohl eingehalten werden. Barack Obama sagte mehrmals, dass er lieber keine Vereinbarung mit dem Iran hätte als eine schlechte Vereinbarung.

Gibt es eine Garantie dafür, dass der Iran nach einem Vertrag mit dem Westen die beschlossenen Vereinbarungen auch einhält?
Ich denke, dass es unvermeidlich ist, dass die IAEO, also die Internationale Atomenergie-Organisation, den vollen Zugriff auf die iranischen Anlagen hat und diese untersuchen kann, wann immer sie möchte.

Nach dem Gesetz verstößt das Herstellen von Atomwaffen gegen den Islam. Diese Fatwa hatte Irans politischer Führer Ajatollah Ali Chamene’i vor mehr als einem Jahrzehnt verfasst.
Chamene'i sagte in der Fatwa, dass der Iran keine Atomwaffen herstellen will, da das gegen den Islam verstoßen würde. Der Iran hatte aber auch die ganze Zeit kommuniziert, dass sein Atomprogramm friedliche Ziele verfolge. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen nuklearer Aufrüstung und einem friedlichen Atomprogramm. Die meisten Iraner betrachten ihr Atomprogramm als friedlich, für sie widerspricht die Vereinbarung nicht der Fatwa.

Friedlich hin oder her – wozu benötigt der Iran überhaupt ein Atomprogramm? Ist das Betreiben von Atomkraftwerken nicht auch sehr riskant in einem Land, in dem Erdbeben keine Seltenheit sind?
Das iranische Atomprogramm ist noch unter einem früheren Regime entstanden - und zwar mit deutscher Hilfe. Nach der Revolution im Jahr 1979 übernahmen die Russen die Kontrolle. Die Idee hinter dem Atomprogramm war die von Öl- und Gasreserven unabhängige Energieversorgung des Landes. Ich bin mir sicher, dass sich das iranische Regime nach dem Unfall von Tschernobyl über die Gefahren im Klaren war. Dennoch entschieden sie sich dafür weiterzumachen: Mittlerweile gibt es Anlagen in Natans, Fordo und in Arak. In der Rahmenvereinbarung wurde nun festgelegt, was mit ihnen passieren soll, wie viele Zentrifugen da beispielsweise erlaubt sind, wie viel Uranium angereichert werden kann und so weiter. Alles ist schriftlich festgehalten. Wenn die Iraner damit und mit den regelmäßigen Untersuchungen der Kraftwerke einverstanden sind, dann müssten wir uns für die nächsten Jahre weniger Sorgen machen.

Das Außenministerium der Vereinigten Staaten veröffentlichte letzte Woche einen Bericht, in dem stand, dass Iran weiterhin den Terrorismus im Nahen Osten unterstütze. Wie wird dagegen vorgegangen?
So viel ich weiß, werden die Sanktionen des Westens, die der Terrorismusbekämpfung dienen, nicht aufgehoben. Es werden nur die wirtschaftlichen Sanktionen aufgehoben und die eingefrorenen Vermögenswerte werden wieder zugänglich gemacht. Wenn der Iran sich nicht an die Vorgaben hält, wird es sicher neue Sanktionen geben.

Aber wie soll man kontrollieren, wie und durch wen Gelder zur Hisbollah gelangen?
Wir alle wissen, dass der Iran die Hisbollah unterstützt. Wir wissen auch, dass der Iran den syrischen Machthaber Baschar el-Assad, die schiitischen Milizen im Irak und die Hutis in Jemen unterstützt. Der Iran wird seine Unterstützung nicht beenden, so lange die Lage der zwei Nachbarstaaten Irak und Afghanistan so instabil ist. Er wird alles Mögliche tun, damit die Probleme dieser Nachbarländer nicht die Grenzen zum Iran überschreiten.

Welche Rolle könnte Iran im Nahen Osten spielen? Zurzeit ist es ja eines der wenigen Länder, denen der syrische Staatspräsident Baschar el-Assad noch Gehör schenkt.
Es war ein Fehler, dass der Iran nicht zu den ersten Genfer Verhandlungen eingeladen wurde, weil die syrische Opposition nicht mit dem Iran an einem Tisch sitzen wollte. Ohne Russland und dem Iran, also den zwei Ländern, die Syrien bis jetzt systematisch unterstützt hatten, gibt es keine Lösung.

Wie beurteilen Sie den Präsidenten Hassan Rohani? Hat sich unter ihm der Iran stärker gegenüber dem Westen geöffnet?
Präsident Rohani versprach den Leuten unter anderem eine Lösung des Atomkonfliktes, ein Ende der internationalen Isolation des Landes und die Einschränkung der Macht von Polizisten und Armee. Er hat die Wirtschaft gestärkt und die Verhandlungen mit dem Westen haben durch ihn erst angefangen. Das wird auch eine größere Zahl von ausländischen Investitionen mit sich bringen. Sein größtes Problem ist aber die Revolutionäre Garde, die eine wichtige Rolle bei den Konflikten im Irak, in Syrien, im Libanon und im Jemen spielt. Das andere Problem ist die Staatssicherheit, die ihre Macht missbraucht. Wenn Rohani seine Macht konsolidieren will, muss er die Staatssicherheitsorganisationen unter Kontrolle bekommen. Der jetzige Zustand ist immer noch alles andere als perfekt. Es gibt Hinrichtungen, Leute werden eingesperrt, aber eine Veränderung ist zu bemerken.

Die Repressionen im Iran haben Sie am eigenen Leib zu spüren bekommen. Als Sie im Dezember 2006 von Teheran zurück in die Vereinigten Staaten reisen wollten, wurde Ihr Taxi aufgehalten, bewaffnete Leute raubten Sie aus und stahlen Ihren Pass. Ohne Pass konnten Sie das Land nicht mehr verlassen. Danach wurden Sie festgenommen. Später war klar, dass die Regierung hinter dem Überfall steckte, um Sie an der Ausreise zu hindern. Wäre es nicht leichter gewesen, Sie einfach festzunehmen?
Wahrscheinlich hatte die Regierung damals den Raub fingiert, um keine Aufmerksamkeit zu erwecken. Leute werden andauernd ausgeraubt, das ist nichts Ungewöhnliches. Ich habe erst ein paar Tage später herausgefunden, dass das ein Plan des Geheimdienstministeriums war, um mich nicht ausreisen zu lassen, weil sie mich für verdächtig hielten. Danach verhörte man mich fünf Monate lang und im Mai 2007 kam ich für 105 Tage in Isolationshaft. Sie dachten wohl, ich wollte mit meiner Arbeit einen Regimewechsel vorantreiben. Sie wussten nicht, dass Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und Forschungseinrichtungen im Westen – anders als im Iran – vom Staat unabhängig funktionieren.

War Ihr Besuch damals offiziell oder privat?
Ich habe nie als Person das Wilson Center im Iran vertreten. Ich habe dort nur meine Familie besucht. Aber auch sonst bin ich sehr selten zu iranischen  Veranstaltungen gegangen, um problematische Situationen zu vermeiden. Es stellte sich heraus, dass die iranischen Behörden meine Arbeit in den USA mit großem Interesse verfolgt hatten. Sie haben zum Beispiel meine Vorträge gelesen und dachten, ich könnte gefährlich für sie werden. Sie dachten, ich wüsste über Pläne der USA im Iran Bescheid. Letztendlich mussten sie aber einsehen, dass sie falsch lagen, und wegen der großen internationalen Empörung ließen sie mich gehen. Aber dafür verlangten sie die Wohnung meiner Mutter als Kaution.

Könnten Sie sich eine ähnliche Situation auch unter dem jetzigen iranischen Präsidenten Rohani noch vorstellen?
Ich möchte hier nicht spekulieren, denn jede Situation ist anders. Es gibt immer noch viele Leute, die 2009 verhaftet wurden und immer noch nicht freigelassen worden sind. Obwohl Rohani versucht hat, sie zu befreien, hat er es immer noch nicht geschafft. Ein Fall der jüngeren Zeit ist der des Washington-Post-Korrespondenten Jason Rezaian, der unter Rohani festgenommen wurde. Ich bin mir sicher, dass Rohani sich darüber nicht freut. Aber noch kann er nichts dagegen machen, denn er ist zu sehr in der Hand der Sicherheitsbehörden.

Dr. Haleh Esfandiari ist Direktorin des Nahost-Programmes am Woodrow Wilson International Center in Washington, D.C., einem der renommiertesten politischen Forschungsinstitute der USA. Sie ist Autorin des Buches „My Prison, My Home“ (Mein Gefängnis, mein Zuhause), in der sie ihre Zeit in iranischer Gefangenschaft beschreibt.

Das Interview führte Krisztian Simon

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