Das Depot des Museums für Gegenwartskunst
Das Depot des Museums für Gegenwartskunst / Katharina Eglau

Iran - „Diese Kunst wird die Welt verzaubern“

Das Teheraner Museum für Gegenwartskunst verfügt über Kunstschätze, die jahrzehntelang im Verborgenen blieben. Nun werden die Werke von Jackson Pollock, Roy Lichtenstein oder Mark Rothko erstmals im Ausland gezeigt, auch in Deutschland. Ein Besuch in den Katakomben des Museums

Autoreninfo

Martin Gehlen ist Journalist und berichtet aus der arabischen Welt.

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Majid Mollanoroozis Augen leuchten. „Vom ersten Tag an war das mein wichtigstes Ziel“, schmunzelt er. Seit Frühjahr 2014 steht der füllige 50-Jährige an der Spitze des Teheraner Museums für Gegenwartskunst, welches 1977 noch kurz vor der Islamischen Revolution eingeweiht worden war. Seitdem lagern in den Katakomben des Hauses einzigartige Kunstschätze, die alle politischen Wirren schadlos überstanden haben. Und so besitzt der Iran heute die wohl bedeutendste Sammlung westlicher Gegenwartskunst außerhalb Europas und den USA.

Das MuseumNach 40 Jahren im Verborgenen soll sie Anfang Dezember nun erstmals außerhalb des Landes gezeigt werden – und zwar in Berlin. Einst zusammengetragen von der Frau des letzten persischen Schahs, Farah Diba Pahlavi, verschwanden die Werke nach dem Sturz des Monarchen in der Unterwelt des Museums, dessen Architektur den traditionellen Windtürmen iranischer Wüstenstädte nachempfunden ist. Oben in den Ausstellungräumen dominierten fortan revolutionäre Gemälde, linientreue einheimische Bilder, Teppiche, Kalligraphien sowie traditionelle Miniaturmalerei.

Nacktheit und Homoerotik sind bis heute tabu

Zwanzig Jahre lang waren die weltberühmten Werke des Impressionismus und Kubismus, der Op Art, Pop Art und Minimal Art als Ausdruck westlicher Dekadenz verpönt. Erst nach der Wahl des kunstsinnigen Reformpräsidenten Mohammed Chatami 1998 kamen kleinere Teile der Sammlung, die insgesamt 1500 Arbeiten umfasst, für jeweils einige Wochen wieder ans Tageslicht.

Zwanzig Werke von Pablo Picasso, Edvard Munch und Auguste Renoir, auf denen Nacktheit zu sehen ist, sind bis heute für das iranische Publikum tabu, darunter Renoirs „Gabrielle à la chemise ouverte“, ein zartes Frauenporträt mit entblößten Brüsten, das einst das Schlafzimmer des Schahs geschmückt haben soll. Von Francis Bacons Triptychon „Two Figures Lying on a Bed with Attendants“, einer Dreier-Szene mit homoerotischen Motiven, musste 2005 nach Protesten islamischer Moralwächter der mittlere Teil noch während der Vernissage entfernt und wieder zurück in das Kellerdepot geschafft werden.

Das Kulturforum zeigt 30 Meisterwerke der Moderne

Ein spiralförmiger Wandelgang wie im New Yorker Guggenheim Museum führt hinunter in die sagenumwobene Schatzkammer, deren Chefwächter seit 1996 Ehsan Abbasi ist. Den langen, doppelbärtigen Tresorschlüssel für die schwere Eisentür hütet der untersetzte, grauhaarige Mann wie seinen Augapfel. Drinnen im fensterlosen Neonlicht rauscht die Klimaanlage. An der Kopfwand auf Styroporstützen lehnt Picassos 2,14 Meter hohes „The Painter and his Model“ von 1927. „Bitte Vorsicht, das ist ein Picasso“, warnen Abbasi und seine Mitarbeiter höflich jeden, der der kostbaren Leinwand auch nur etwas nahe kommt.

Mit gekonntem Schwung ziehen sie die rollenden Gitterwände heraus, dicht an dicht belegt mit Arbeiten von Claude Monet, Max Ernst, Mark Rothko, Pablo Picasso, Francis Bacon, Victor Vasarely, Roy Lichtenstein und Andy Warhol. 30 dieser Meisterstücke mit einem Marktwert von 1,5 Milliarden Euro plus 30 Arbeiten iranischer Künstler werden in der Gemäldegalerie auf dem Kulturforum an der Spree zu sehen sein, darunter Jackson Pollocks „Mural on Indian Red Ground“ von 1950. Es gilt als das Hauptwerk des amerikanischen Aktionskünstlers und als ein Schlüsselbild des abstrakten Expressionismus.

Vier bis fünf Jahre dauert die Reise um die Welt

Die Idee für das kühne Projekt wurde in Gesprächen zwischen Majid Mollanoroozi und seinem Frankfurter Kollegen Max Hollein geboren, dessen Vater das Teheraner Museum für Glas und Keramik baute, und der kürzlich von der Schirn Kunsthalle zum „Fine Arts Museums“ nach San Francisco wechselte. Über ein Jahr lang feilte das deutsch-iranische Duo hinter verschlossen Türen an seinem kreativen Coup, bis beide im Herbst letzten Jahres auch die Politik einweihten.

Die Kosten für Versicherung und Transport teilen sich die deutsche und die iranische Regierung. Im März 2017 sollen die Bilder von Berlin aus weiter nach Rom zum MAXXI-Museum gehen. Insgesamt vier bis fünf Jahre will der Teheraner Museumschef seine Kunstjuwelen durch die Welt touren lassen. Mit der Tate Gallery in London, auch mit Museen in Paris, New York und Washington gibt es bereits Gespräche, aber noch keine konkreten Verträge.

Dubiose Rolle des Museumsleiters

„Ich habe keinen Zweifel, diese Kunst wird die Welt verzaubern. Sie kann die Gräben zwischen unseren Nationen überwinden“, sagt Mollanoroozi, der dekorative Malerei studierte und während der achtjährigen Präsidentschaft des Hardliners Mahmud Ahmadinedschad beruflich kaltgestellt war. „Erstmals wird eine Sammlung vorgestellt, die in ihrer Zusammensetzung und in ihrer Geschichte einzigartig ist“, frohlockt auf deutscher Seite der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger. Noch nie sei ein westliches Museum in der Lage gewesen, die in Teheran gesammelte, weitestgehend verborgene europäische und amerikanische Moderne zu zeigen und sie iranischer Malerei gegenüberzustellen. „Berlin steht vor einer Kunstsensation“, ist sich Parzinger sicher.

Majid MollanorooziEinen dunklen Schatten auf die Zusammenarbeit jedoch wirft die dubiose Rolle von Majid Mollanoroozi beim diesjährigen Holocaust-Karikaturenwettbewerb in Teheran. Bei der Preisverleihung am 30. Mai im Sarcheshmeh-Kulturzentrum stand er zusammen mit den Organisatoren auf der mit Hakenkreuzen drapierten Bühne, um den vier prämierten Holocaust-Leugnern ihre Urkunden zu überreichen. Den Ausstellungsvertrag mit Berlin, wo das monströse Menschheitsverbrechen im Dritten Reich geplant wurde, hatte er gerade zwei Wochen vorher im Beisein von Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterschrieben. Als Ehrengast zur Ausstellungseröffnung lud ihn Berlin nun wieder aus. Stattdessen kommt Ali Moradkhani, einer von Irans Vizekulturministern.

Fotos: Katharina Eglau

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Walter Wust | Fr., 12. August 2016 - 11:10

Ist das nun ein Zeichen von neuer Weltoffenheit, oder braucht der Iran vielleicht nur Devisen. Gut, daß die Ayatollahs diese Schätze nur weggesperrt und nicht als Teufelswerk gleich verbrannt haben. Naja, Geschäfte mit dem Bösen sind immer noch besser, als garkeine Geschäfte.

Christa Wallau | Fr., 12. August 2016 - 12:51

Ich bin mal gespannt, ob denn nun auch die Frage der Herkunft der Bilder auf's Tapet kommt.
Bei den deutschen Museen spielt dieses Thema ja eine große Rolle.

sind diese Gemälde" Einst zusammengetragen von der Frau des letzten persischen Schahs, Farah Diba Pahlavi, verschwanden die Werke nach dem Sturz des Monarchen." Das heißt, es ist keine Kriegsbeute.

Christa Wallau | Mo., 15. August 2016 - 12:43

Antwort auf von Karola Schramm

Nun ja, liebe Frau Schramm, Farah Diba hat die Bilder doch auch von jemand
erworben , und der oder die könnte sie unrechtmäßig in seinem/ihrem Besitz
gehabt haben, nämlich als Ergebnis von Enteignung in der Zeit des Nazismus in DE oder als Kriegsbeute. Oder etwa nicht?

Jürgen Friedrich | Fr., 12. August 2016 - 15:23

"Kunst kommt von Können" - pflegten wir als Kinder vor 70 Jahren zu sagen. Und als Inbegriff solcher Könner-Kunst erschien uns die Fähigkeit eines Schornsteinfegers, auf dem Dachfirst gehen zu können.Von Kunst im heutigen Sinne Als Kunstwerk eines Akademisch gebildeten Künstlers hatten wir keine Ahnung.

Heute erscheint es mir als Kunst, den Vorgang zu kopieren, der aus salzigem Seewasser Süßwasser-Regen werden lässt.Jürgen Friedrich Gäbe es diese Kunst nicht, wäre sämtliches Festland trockene Wüste. Das In großem Stil zu wiederholen und zu perfektionieren, damit auch die sogenannten Trockengebiete dieser Erde genügend Regen gekommen, ist ernstzunehmende Kunst. Der Kunstzirkus konventionellen Machart bedient hingegen nur Eitelkeiten.

Iman Mahdi | Fr., 12. August 2016 - 15:28

Kürzlich hat der Sohn vom ehemaligen Großayatollah Montazeri Tonbänder an die Öffentlichkeit gebracht, auf denen sein Vater über die Vertreter des Irans sagte: "„Ihr seid für das größte Verbrechen der islamischen Republik Iran verantwortlich und werdet als Bösewichter in die Geschichte eingehen.“ http://iranjournal.org/news/iran-hinrichtungen-montazeri

Arndt Reichstätter | Fr., 12. August 2016 - 15:38

Das Faszinierende am Kulturmarxismus ist, wie häufig er daneben liegt. Wie spannend wäre einmal eine kulturelle Einordnung der Dinge von einem Andersdenkenden.

Zum Beispiel:

Der Iran hat seinen letzten Krieg vor über 200 Jahren angefangen. Welchen gesellschaftlichen Fortschritt sich der Westen von moderner Kunst verspricht, wird zusehends unklarer, vergegenwärtigt man sich den Fakt, dass sich die USA zu 93% der Zeit seit ihrer Gründung im Krieg befindet.

Angesichts der aggressiven Außenpolitik der USA hat der Iran natürlich Angst, und ist entsprechend judenfeindlich, da Israel gemeinsames Spiel macht. Selbst "Meisterwerke" von Rothko, der einfach eine Leinwand rot angemalt hat, oder Pollock, der einfach schwarze Farbe gekleckst hat, haben unsere "progressive" Gesellschaft nicht von einer politischen Führung abhalten können, die offensiv Krieg gegen den Iran propagiert, obwohl die gesamte Geschichte der iranischen Atombombe eine Propagandalüge ist.

Hauptsache Nacktheit?

@Arndt Reichstätter"Der Iran hat seinen letzten Krieg vor über 200 Jahren angefangen."
Ups, da haben Sie aber eben mal das jahrzehntelange Sponsoring von Terrormilizen wie z.B. Hamas oder Hisbollah durch den Iran unterschlagen. Und wenn Sie schon auf moderne westliche Künstler verweisen, welche hat denn die Islamische Republik Iran nach Chomenei hervorgebracht?

Meines Erachtens ist Terrorsponsoring mit Krieg nicht gleichzusetzen. Alle Regierungen betreiben Terrorsponsoring. Aber allein die Trinkwasserverunreinigung als Folge der Irakkriege haben tausendfach mehr Opfer gebracht als Hamas-Raketen, oder nicht?
Mit iranischer Kunst nach Chomenei kenne ich mich nicht aus. Aber wenn ich mir die europäische Kultur seit Einführung der abstrakten Kunst anschaue, dann würde die Iraner warnen, Picasso nicht zu ernst zu nehmen.

Was macht der Iran überhaupt mit Atomenergie wo er doch riesige Ölvorkommen hat? Sie verschweigen den Hass auf den Westen und Israel.
Dass die Amis sich zu 93% der Zeit im Krieg befinden, das ist eine Aussage die gut zur Lückenpresse passt. Es macht einen Unterschied auf welcher Seite ich kämpfe. Oder halten Sie Roosevelt für einen Kriegstreiber weil er gegen Nazideutschland kämpfte? Die Qualität Ihrer Beiträge sinkt täglich.

Ich lüge nicht, sondern beziehe mich auf das Buch "Manufactured Crisis" von Gareth Porter.

Es ist nicht die Angelegenheit von Fremdmächten, den Iranern vorzuschreiben, "was sie mit Atomenergie machen". Sonst müsste Israel oder die USA sich auch erst die Erlaubnis für deren Nuklear-Programme von Iran holen. Ich bleibe zwar skeptisch auf die derzeitige iranische Führung und halte sie auch für amerika- und judenfeindlich. Aber ich kann nur nach den Fakten gehen. Und demnach hat der Iran weder eine besonders aggressive Außenpolitik noch jemals ein aktives Atombombenprogramm.

Roosevelt war ein ganz furchtbarer Charakter. Wenn es einen zum guten Menschen macht, gegen die Nazis gekämpft zu haben, müssten wir alle großen Respekt vor Stalin haben. Habe ich aber nicht.

Mein ursprünglicher Punkt war eher eine generelle Kritik an der Langweiligkeit des Cicero-Magazins und deren politisch korrekter Einstellung. Meine Beispiele waren nur Ansätze für andere Argumentationsmöglichkeiten.

ist wohl jeder Staatsführer für Sie "furchtbar". Der Iran hat noch keine aggressive Aussenpolitik weil er sich keine solche Aussenpolitik leisten kann, es fehlen schlicht die nötigen Ressourcen. So soll es bitte schön auch bleiben. Und noch eine Anmerkung an Sie : Sie bezeichnen sich als Kapitalist aber kritisieren dauernd Cicero obwohl die Onlineplattforum kostenlos ist. Was erwarten Sie denn für 0 Euro?

Dimitri Gales | Fr., 12. August 2016 - 20:46

Die Kunst, gleich welcher Gattung, ist ein stumpfes Messer im Kampf gegen totalitäre oder autokratische Regime. Das hat schon die Nazizeit deutlich gezeigt; ungehorsame Künstler mussten fliehen, der Schriftsteller Stefan Zweig nahm sich sogar in Brasilien das Leben, aus Verzweiflung über den Verlust seiner kulturellen Heimat, andere landeten im Lager oder wählten die "innere Emigration". Staatlich gesteuerte "Kunst" soll zur Volksverdummung beitragen; darauf hat in der Vergangenheit auch die katholische Kirche nicht verzichtet.

Karola Schramm | Sa., 13. August 2016 - 10:47

Typisch Berlin ? Erst Geschäfte machen, dann ist der Vertrag unter Dach und Fach und DE fällt ein, dass Majid Mollanaroozi beim diesjährigen Holokaust-Karikaturenwettbewerb auf der Bühne von Hakenkreuzfahnen umgeben war und die Preisverleihung an 6 "Holokaustgegner" getätigt hat ?
Berlin weiß, dass dieser Wettbewerb seit 2006 von Iran als Re-Aktion auf die dänischen Mohammedkaritauren entstanden war, auch als Reaktion von Charlie Hebdo zu sehen ist und dass nun auch inzwischen israelische Karikaturisten einen derartigen Wettbewerb durchführen.

Dieses politische mit Zweierlei-Maß-messen oder auch Doppelstandards genannt, ist nicht die feine englische Art von ehrlichen Menschen, was Berlin nun wieder an den Tag legt.
Unsere Kunstwelt darf Mohammed/Allah verlachen und die Kunstwelt der Iraner und Israelis darf nicht den Holokaust künstlerisch intellektuell auf die Schippe nehmen ?
Aus derartigen Sachen sollte sich die deutsche Politik heraushalten, bis sie gelernt hat, ehrlich zu sein.

Paul Reuter | Di., 16. August 2016 - 10:25

Antwort auf von Karola Schramm

Die Mohammed Karikaturen hatten einen wahren KERN. Die iranischen Karikaturen sind nichts als plumpe Lügen und Unterstellungen. Wenn Sie den Westen dermaßen verachten, warum leben Sie eigentlich noch in Deutschland? Ihr Selbsthass schadet dem Rest Deutschlands.

Romuald Veselic | Di., 16. August 2016 - 07:06

überstanden haben.
Und so besitzt der Iran heute die wohl bedeutendste Sammlung westlicher Gegenwartskunst außerhalb Europas und den USA.
Nun ja, was wird damit bewiesen, das keins dieser Kunstwerke, von einem islamischen Künstler erschaffen wurde?
Übrigens; nach der Marx-Leninschen Dialektik, ist es ein Nonsens, die Islamische Revolution im Iran/1979, als Revolution zu bezeichnen. Wenn ein monarchistischer Einmann-Absolutismus (immerhin mit aufklärerischen/antiklerikalen Aspekten), durch faschoklerikale Despotie abgelöst wird, ist dies kaum als eine Revolution zu bezeichnen - eher als Konterrevolution. Etwas überzogenes Beispiel: Würden die lutherschen Protestanten, ihr Rückkehr zur katholischen Lehre, auch als Revolution benennen und Kunstwerke der Renaissance Päpste huldigen?