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Anti-Homo-Gesetze in Uganda - Erbe des christlichen Abendlandes

In Uganda wird im Namen des Christentums Jagd auf Homosexuelle gemacht. Die hiesigen Religionsgemeinschaften schweigen und machen sich mitschuldig

Autoreninfo

Frieder Otto Wolf lehrt Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er ist unter anderem Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands

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In Uganda sind neue Strafgesetze gegen Homosexuelle in Kraft getreten. Und das geht alle etwas an, denn dieses Gesetz zeigt erneut: Das zerstörerische Erbe unserer Geschichte ist noch lange nicht überwunden.

Europa hat dabei eine schwere Verantwortung in vielen Fragen der Politik und Kultur zu tragen. Und wer hier heute als Christ bewusst leben will, muss sich dieser Tatsache stellen – sogar wenn die Verletzungen der Rechte von Menschen, bei denen es ja meist viel eher um einen Knochenbruch an Körper, Zukunft und Seele geht, auf dem Umweg über evangelikale Missionare aus den USA erfolgen. Denn auch sie sind ein Teil des Erbes des „christlichen Abendlandes“.

Wir selber haben keine Angst. Wir sind heterosexuell und teilen kein religiöses Bekenntnis – und besitzen somit Eigenschaften, die in nicht allzu ferner Zeit die Mehrheit der Menschen in Deutschland und anderen europäischen Staaten kennzeichnen wird. Wir müssen uns nicht fürchten, weder vor den Lehren der traditionellen Religionen, noch vor ihren Auswirkungen auf unser Leben. Doch darin sind wir leider eine Minderheit.

Besonders betroffen fühlen sollten sich andere. Denn gleich welcher Hautfarbe und gleich welchen Geschlechts: Diejenigen, die sich christlichen Konfessionen verbunden fühlen, werden in unserem Land immer weniger. Bereits in den vergangenen Jahren haben die veränderten Mehrheitsverhältnisse in unserer Gesellschaft für die Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland einen neuen Rechtfertigungsdruck bei politischen Fragen erzeugt. Die Stellung des Christentums in unserer Gesellschaft und seine Bedeutung für die Kultur sind zum Teil größer und grenzübergreifender und zu einer gesellschaftlichen Kontroverse geworden, wie sie ein grundlegender Wandel mit sich bringt. Und warum das gut so ist, wurde in der vergangenen Woche wieder klar.

Unterzeichnung des Anti-Homosexuellen-Gesetzes
 

Mit der Unterzeichnung des neuen Anti-Homosexuellen-Gesetzes durch den evangelikalen Christen Yoweri Museveni, Präsident der Republik Uganda, sind für viele Menschen in diesem afrikanischen Land Furcht und Angst in extremer Form zum festen Bestandteil ihres Alltags geworden. Einfach nur deshalb, weil sie keine Orientierung in sexuellen und emotionellen Belangen entwickelt haben wie die  Mehrheit, müssen Menschen um ihre Freiheit und körperliche Unversehrtheit fürchten. Oder weil sie an Homosexuelle eine Wohnung vermieten. Oder weil sie Personen nicht anzeigen, bei denen sie homosexuelle Handlungen beobachtet haben. Einfach nur deshalb – so scheint es.

Strafgesetze gegen homosexuelle Menschen kommen, anders als etwa Regeln gegen Diebstahl, keineswegs in allen menschlichen Kulturen vor. Das beweist der Blick in die vielen Länder, die Homosexualität nicht auf diese Weise bestrafen. Doch es ist noch nicht sehr lange her, dass sie in Europa und den USA abgeschafft worden sind. Wie die fehlende Gleichberechtigung von Frauen in vielen Gesellschaften sind sie ein Ausdruck tiefsitzender Traditionen der Diskriminierung. Aber dass diese in Uganda die Gestalt neuer Strafgesetze gegen Homosexuelle angenommen haben, ist ein konkret nachvollziehbares Resultat des Wirkens von christlichen Organisationen, die in einem der wohlhabendsten Staaten der Welt ihren Ursprung haben.

Homophobie und christliches Erbe
 

Gut belegt und unbestreitbar ist, dass sich die Verschärfung der Strafbarkeit von Homosexualität in Uganda unmittelbar auf das Treiben US-amerikanischer Christen in afrikanischen Gesellschaften zurückführen lässt. Unter ihnen der Jurist Scott Lively, Nachkomme von Auswanderern britischer Herkunft und Publizist zahlreicher Schriften, in denen er die Homosexualität unter anderem als Grund der Brutalität zahlreicher führender Nazi-Schergen (Redeeming the Rainbow – A Christian Response to the „Gay“ Agenda, 2009 Veritas Aeterna Press, freier Download auf www.defendthefamily.com) darstellt. Homosexualität ist laut Lively die größte Bedrohung für die traditionelle Familie, weltweit und noch zerstörerischer als Schwangerschaftsabbruch. Scott Lively ist kein Einzelfall.

Und widerspricht ihm die Bibel? Kaum. Widersprechen ihm die Glaubensgeschwister? Wir hören sie nicht. Und auch das bisherige Schweigen der großen Kirchen in Deutschland oder Europa zu diesem barbarischen Gesetz aus der Feder einfältiger afrikanischer Politiker unter dem Einfluss ihrer Glaubensgeschwister spricht Bände. Doch das Christentum, die Weltreligion aus Europa, macht sich schuldig, mit jedem einzelnen Fall der Anwendung dieses Gesetzes.

Gemeinsamer Feind der Hochreligionen
 

Gewiss, die mörderische Moral gegenüber homosexuellen Menschen ist keine Erfindung der christlichen Religion. Von den insgesamt 70 Staaten, in denen Gesetze gegen homosexuelle Handlungen existieren und wo die Strafen bis zum Todesurteil reichen, sind nicht wenige auch islamisch geprägt. Sogar in Indien wird Homosexualität seit letztem Jahr wieder sanktioniert. Homosexualität ist also zwar kein Problem allein des Christentums, sondern ein Problem diverser sogenannter Hochreligionen. Aus der Pflicht zur Beschäftigung mit den ugandischen Strafgesetzen entlässt das die Gläubigen in Deutschland nicht, weder Christen noch Muslime. Denn es ist eben auch ihr Glaube, der den Nährboden für dieses sinnlose Leiden von Menschen in dem afrikanischen Land und anderswo bildet.

Und was ist das denn für ein Gott, wie ihn auch die deutschen Bischöfe lobpreisen, wenn er sie nicht dazu bringt, die Gläubigen von derartigen Pogromen erschreckt und aufgerüttelt werden zu lassen? Was soll das für ein Gott sein, von dem die Christen in Deutschland freudig reden, wenn nur einige Tausend Kilometer entfernt ihresgleichen ein Leben mit Lügen, Freiheitsentzug und Gewalt erdulden müssen – bloß weil sie homosexuelle Christen sind?

Prüfstein für die Religionsgemeinschaften in Deutschland
 

Gewiss, solche ugandischen Gesetze sind nicht der einzige Maßstab, an dem sich Religionen messen lassen. Dass es möglich ist, religiösen Glauben und einen humanen Umgang mit der Existenz von Menschen, die keine heterosexuelle Orientierung der Mehrheit besitzen, beweisen täglich Millionen weltweit. Doch das reicht noch längst nicht aus, wenn die eigenen Traditionen – und deren schreckliche Fortsätze – nicht kritisch aufgearbeitet werden. Und das macht gerade diese Strafgesetze nicht nur zu einem Prüfstein für den effektiven Einfluss von Menschenrechtsorganisationen und ihren Pressemitteilungen, für die politische Schlagkraft von Entwicklungshilfekürzungen oder Medienberichten. Sondern vor allem für die Religionsgemeinschaften in Deutschland, zu deren Traditionen die Gewalt gegen Homosexuelle zählt.

Wir haben keine Angst und wir müssen uns nicht fürchten. Aber wir empfinden Mitleid, mit den vielen Millionen Menschen auf der Welt, die wegen repressiver religiöser Vorstellungen kein gutes Leben führen können. Und die, die einen christlichen Glauben vertreten, werden sich auch für diese Gesetze Ugandas rechtfertigen müssen. Warum sie nicht gehandelt haben, während andere Menschen wegen eines christlichen Glaubens litten? Warum ihre Religion einen Platz an unseren Schulen haben soll, wenn sie nicht zum konsequenten Einsatz für Menschenrechte erzieht? Wofür ihre Bischöfe und Pfarrer bezahlt werden sollen, wenn sie nicht auch das Augenmerk auf das bizarre Wirken ihrer Kollegen in anderen Ländern richten?

Noch sind wir damit in der Minderheit, aber mehr Menschen wie wir werden in Zukunft fragen, was Gläubige dagegen getan haben, dass Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt wurden. Vereinzelt hat sich zwar unter Christen das Gewissen zu regen begonnen. Es braucht aber mehr: dass sie die historische Verantwortung des christlichen Europa, die nicht länger zu verdrängen ist, endlich richtig aufarbeiten. Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen.

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