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picture alliance (Socrates Baltagiannis)

Griechenland-Krise - Was das Ausland von Tsipras und Co. denkt

„Der Geburtsort der Demokratie wird wohl in dem andauernden Kampf zwischen Demokratie und Kapitalismus eine Niederlage erleiden.“ Solche und andere Leserkommentare finden sich zur Griechenland-Krise auf den Seiten der New York Times. Eine Auswahl

Alexander Marguier

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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Was denkt eigentlich die Weltöffentlichkeit über die sich zuspitzende Griechenland-Krise? Wir haben versucht, ein kleines Stimmungsbild zu gewinnen und dafür Leserkommentare aus der „New York Times“ zu diesem Thema übersetzt. Das ist natürlich keineswegs repräsentativ, gibt aber immerhin unterschiedlichste internationale Meinungen wider. Die Beiträge sind nicht nach irgendwelchen Kriterien ausgewählt worden, sondern halten sich an die Reihenfolge, mit der sie auf der Homepage der New York Times erschienen sind.

Uzi Nogueira, Florianopolis, Santa Catarina, Brasilien:

„Der jugendliche Premierminister Alexis Tsipras spielt ein riskantes politisches Spiel, weit über den Einkommensverhältnissen seines Landes. Das griechische Volk ist der große Verlierer.“

Paul Muller-Reed, Massachusetts:

„Es ist von Verhandlungen die Rede, und Europa erscheint wesentlich schwächer, als ich das erwartet hätte. Viel Glück, ihr Griechen, ihr hättet Besseres verdient.“

Helen Walton, USA:

„Die Rettung Griechenlands hängt davon ab, ob die griechische Regierung die Bedingungen der Europäischen Union akzeptiert, also ob Griechenland dazu bereit ist, seinen politischen Standpunkt zugunsten der Interessen der EU und den USA aufzugeben.“

mr. mxyzptlk, Woolwich, South Jersey:

„Wem gehört Griechenland? Wir wissen, es gehört den Bankstern, nicht dem griechischen Volk. Um den Journalisten und Pulitzer-Preisträger Herbert Agar zu zitieren:

,Wenn der Demagoge an die Macht kommt und ihm bewusst wird, dass es keine einfache Lösung für ihn gibt, wird er sich an die Herren und Meister wenden … und mit ihnen einen Deal machen. Der Demagoge bleibt an der Macht und sorgt dafür, dass sein Volk nicht aufmuckt. Die Herren und Meister bleiben ebenfalls an der Macht und lassen das Wirtschaftssystem so weiterlaufen, wie sie es immer laufen lassen wollten. Der Monopolkapitalismus wird abgesichert. Zuerst werden alle Gewerkschaften beseitigt. Dann werden die einfachen Leute mit Hungerlöhnen, Patriotismus und einer Uniform abgespeist. Wenn sie dann immer noch aufmucken, wirft man ihnen irgendeine Minderheit vor, an der sie sich abarbeiten können.‘

In Griechenland heißt der Demagoge Alexis Tsipras, die ,Herren und Meister‘ sind die Zentralbankster, und die Griechen dürfen sich an den Deutschen abarbeiten. Der Geburtsort der Demokratie wird wohl in dem andauernden Kampf zwischen Demokratie und Kapitalismus eine Niederlage erleiden. Und uns steht ein neues Zeitalter des Feudalismus bevor – mit dem Unterschied, dass wir nicht mehr einem König dienen, sondern privaten Bankstern, die das Geld verwalten. Was im Widerspruch zu unserer Verfassung steht.“

bob ranalli, Hamilton, Ontario, Kanada:

„Wenn die Ersparnisse eines Volkes vergeudet werden von inkompetenten und reuelosen Leuten, ist es da ein Wunder, dass Europas Hauptstädte heute von einem nervösen Schaudern ergriffen werden?“

Girish Kotwal, Louisville, Kentucky:

„Die griechische Regierung sollte die unendlichen Härten für das griechische Volk bedenken, bevor sie gegenüber dem IWF und der EU selbstgefällig, arrogant und indifferent auftritt. Es scheint so, als seien Inseln (Vermögenswerte) im Austausch für weitere Einkünfte der einzige Weg. Ich frage mich, wie effizient es sein wird, wenn die EU in Griechenland regiert. Es sind schlimme Zeiten für Griechenland, und sie erfordern Taten.“

TheGardener, USA:

„Was macht das jetzt schon für einen Unterschied? Hillarys Antwort darauf kann man auf jede vertrackte Situation anwenden, und wir finden uns damit ab. Finde ich klasse.“

jpduffy3, New York:

„Soviel zur europäischen Einheit. Wenn keiner weiß, was die wirklich wollen, und von Tag zu Tag ändert sich wieder alles, wenn nicht sogar von Stunde zu Stunde, ist eine Einheit einfach nicht zu erreichen. Wenn Europa sich nicht zusammenrauft und eine vernünftige Regierungspolitik mit entsprechendem Regierungshandeln hinbekommt, bleibt dieses Ziel unerreichbar. Dann stellt sich die Frage, ob Griechenland wirklich ein Teil dieses vereinigten, gut regierten Europas sein will. Und der Rest Europas fragt sich umgekehrt dasselbe über Griechenland.“

Pag Cal, New Hampshire:

„Wenn der IWF es darauf angelegt hätte, die Banken zu bestrafen, wäre das eine Sache. Hat er aber nicht. Stattdessen werden die Alten und Kranken in Griechenland bestraft, die jetzt nichts zu essen haben, weil sie ihr Geld nicht mehr abheben können, um Nahrungsmittel oder Medikamente zu kaufen. Griechenland war eine Demokratie, lange bevor der Rest Europas es war. Und jetzt werden in der Wiege der Demokratie die Bürger dazu aufgerufen, über ihre Zukunft zu entscheiden. Und der Rest von Europa (einschließlich des IWF) beschwert sich, dass Griechenland sich nicht an die Regeln halte. Der IWF zeigt sein wahres Gesicht: Er ist nichts anderes als ein Haufen räuberischer Kredithaie ohne Seele und Gewissen.“

Patrick, Frankreich:

„Die ganze Krise war schon vorhersehbar, bevor Griechenland in die Eurozone aufgenommen wurde. Zu der Zeit, als das Land den Euro bekam, hatte mein Unternehmen einen Kunden, der als griechischer Rechtsanwalt in eher niedriger Position bei der Welthandelsorganisation arbeitete. Er war wütend auf die EU, dass sie Griechenland in die Eurozone aufgenommen hatte, und behauptete, Griechenland sei in keiner Weise darauf vorbereitet. Nochmal, es handelte sich um einen griechischen Rechtsanwalt mit untergeordneter Funktion. Und der wusste etwas, was hoch bestallten Eurokraten entgangen war?

Griechenland bleibt aus vielerlei Gründen, die von anderen Leuten ausgiebig dargelegt wurden, eine Zone des finanziellen Desasters. Schwer zu sagen, welche Gründe genau hinter seiner ursprünglichen Aufnahme in die Eurogruppe standen. Und ich zweifele keinen Moment lang an der Komplizenschaft der großen Banken mit den Eurokraten.

Wie eine bankrotte Firma muss Griechenland von verantwortungsvollen Dritten übernommen und wieder in Gang gesetzt werden; die riesige Zahl der Bürokraten muss reduziert werden, die Leute – insbesondere die Reichen – müssen dazu gebracht werden, ihre Steuern zu zahlen. Und, eine der größten Absurditäten überhaupt, es muss die absurde Gepflogenheit aufhören, dass Leute in ihren Fünfzigern pensioniert werden und Renten beziehen, die über jedes Maß hinausgehen.“  

Partlycloudy, Effingham „Methingham“ County, Georgia:

„Die griechische Regierung hat ihr Volk zu dem Glauben verführt, sie könnten ein ums andere Mal durch Finanzspritzen gerettet werden. Und die Griechen wissen, dass Europa keinen gescheiterten Staat wie Griechenland haben will. Aber an einem bestimmten Punkt, wenn die Regierung nicht viel getan hat, um die Krise zu lösen, müssen die anderen Euro-Länder Griechenland fallen lassen. Ansonsten werden sie weiterhin Geld und Hilfsleistungen für griechische Politiker verbrennen, denen alles egal ist.“

TKList, Michigan:

„Fortschritt: Beginnt mit der Abschaffung des IWF und der Weltbank.“

N. Smith, New York City:

„Angela Merkel gehört womöglich zu den wenigen europäischen Führungsfiguren, die gesagt haben, dass Griechenland seine Finanzpolitik ändern sollte. Sonst wäre das Spiel aus. Kein Wunder, denn Deutschland dürfte auf die eine oder andere Weise viel Geld verlieren. Sie haben bereits Milliarden nach Griechenland gegeben und wollen diese Summe verständlicherweise nicht noch erhöhen. Und während es so aussieht, als würde Merkel das Ergebnis des Referendums in Griechenland abwarten, hat sie sich innerlich eigentlich schon jetzt festgelegt.“

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