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(picture alliance) Durch den Sextourismus sind in den vergangen Jahrzehnten die Aids-Raten explodiert

Sextourismus - Gefügige Frauen, befriedigte Egos

Millionen Sextouristen fallen jährlich in Länder ein, in denen es neben Sonne, Strand und Meer auch Frauen zu Spottpreisen gibt. Das kann man etwa bei der EM in der Ukraine sehen. Über eine moderne Form des Sklavenhandels, der selbst vor Kindern nicht halt macht

Erschwingliche Flüge und Fernreisen in alle Welt haben in den vergangenen Jahrzehnten zum Tourismus der Massen geführt. Damit wurde auch eine moderne Art des Sklavenhandels möglich: Millionen Sextouristen fallen jährlich in Länder ein, in denen es neben Sonne, Strand und Meer auch Frauen zu Spottpreisen gibt.

Allein 400.000 deutsche Männer ziehen im Jahr zum Sexurlaub los, wie die Hilfsorganisation Terre des Hommesschätzt. Besonders beliebte Reiseziele für den „Erotikurlaub“ sind nach wie vor Asien, die Karibik und Afrika, seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion auch der osteuropäische Raum. Ärmere Länder, in denen es an Arbeit, an Bildung, an Perspektiven fehlt, und in denen Frauen und Kinder oft nichts anderes übrig bleibt, als sich zu prostituieren.

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In südostasiatischen Staaten wie den Philippinen sind nach Schätzungen der USA etwa vierzig Prozent der ausländischen Urlauber zugleich Sextouristen. Kaum besser sieht es in afrikanischen Ländern wie Kenia, Madagaskar und Gambia aus, wo mittlerweile viele Frauen aus den wohlhabenden Industriestaaten auf Beutezug nach einem „Boyfriend“ auf Zeit gehen. In der Ukraine protestieren Frauengruppen seit Jahren dagegen, dass ihr Land immer mehr Sextouristen anzieht. „Die Ukraine ist kein Bordell“, wehrten sich die Frauen von Femen vor der Fußball-Europameisterschaft gegen den erwarteten Ansturm von Ausländern, denen der Sinn nicht nur nach Spielen, sondern auch nach billigem Sex steht.

Viele Sextouristen kommen aus gehobenen Gesellschaftsschichten, es sind Ärzte, Anwälte, Manager und Politiker. Männer, die Einfluss haben und Macht ausüben, und denen eine gefügige Frau dabei hilft, ihr narzisstisches Ego zu befriedigen. Für viele ist Sexurlaub auch eine Flucht aus einer komplizierten Paarbeziehung. Warum sich in „Emanzenland“ mit einer anspruchsvollen Frau herumärgern, wenn ein paar Flugstunden entfernt alles viel einfacher ist?

Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in den Industriestaaten ist ein wesentlicher Förderungsfaktor für den Sextourismus, meint der Hamburger Psychotherapeut Michael Cöllen, der die Probleme von Paaren auch in seinen Büchern untersucht. „Die sexuelle Revolution ist ja erst wenige Jahrzehnte alt. In diesem kurzen Zeitraum gingen aber jahrhundertealte Traditionen über Bord.“ Früher bestimmte der Mann, wann, wie oft und wie miteinander geschlafen wurde; eine Frau, die nicht mithielt, galt als frigide und wurde zum Arzt geschickt. Heute ist die Frau eine gleichberechtigte Partnerin, die eigene Ansprüche und eigene Bedürfnisse hat – „ich habe den Eindruck, dass unsere Männer sich daran nur langsam gewöhnen“, sagt Cöllen. Manche Männer kämen gar nicht damit zurecht, sähen sich durch den geforderten „Gefühlsdialog“ in ihrer Männlichkeit bedroht, bekämen Erektionsstörungen, würden impotent. „Das ist ein Problem auf der ganzen Linie“, sagt der Psychologe. „Die Paartherapie ist mittlerweile der stärkste Zweig der Psychotherapie.“

Einfacher und schneller als eine Paartherapie ist für manche dann eben der Sexurlaub. Statt Probleme auf Augenhöhe mit der Partnerin auszudiskutieren, steigt der Mann ins Flugzeug und sucht sich ein scheinbar anspruchsloses und gefügiges Mädchen, das seine sexuellen Wünsche erfüllt. Für ein paar Dollar bekommt er das Gefühl, stark und mächtig zu sein. Die Devotheit der jungen Geliebten befriedigt „einen zusätzlichen sexuellen Trieb der Unterwerfung“, wie Cöllen sagt.

Seite 2: Kinder sind die empfindlichsten Opfer

Kinder sind die empfindlichsten Opfer dabei. Weltweit werden rund 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Jungen zum Sex gezwungen, schätzt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF). Allein auf den Philippinen werden demnach zwischen 60.000 und 100.000 Kinder als Prostituierte ausgebeutet. Die Mädchen kommen in die Hauptstadt Manila, weil sie Arbeit suchen, und werden von Schleppern ins Bordell verkauft. An der Küste Kenias müssen sich den Schätzungen zufolge etwa 15.000 Jugendliche prostituieren. Jedes zehnte Mädchen aus der Region war demnach keine zwölf Jahre alt, als es seinen Körper erstmals gegen Geld zum Sex anbot. In Bangladesch lag das Durchschnittsalter von minderjährigen Prostituierten laut dem UNICEF-Bericht bei 13 Jahren. Wahrscheinlich meinen Sextouristen das, wenn sie in Internetforen von „ungeschliffenen Rohdiamanten“ sprechen, „frisch aus der Provinz“.

Länder wie Kambodscha, Malaysia und Vietnam lassen Sextouristen mittlerweile nicht mehr so einfach gewähren. In Kambodscha wurde ein 48-jähriger Deutscher festgenommen, der mehrere Kinder sexuell missbraucht hatte; ein deutsches Gericht verurteilte den Mann zu sechseinhalb Jahren Gefängnis. Erst am Montag verhaftete die kambodschanische Polizei einen früheren russischen Unternehmer, der sich wiederholt an jungen Mädchen vergangen hatte. Er soll nun in seine Heimat ausgeliefert werden. Im muslimischen Malaysia unternahm die Regierung im vergangenen Winter einen Anlauf, sämtliche Massage- und Wellnessbereiche in teuren Hotels zu verbieten, um die Prostitution in den Griff zu bekommen.

Im westindischen Bundesstaat Goa räumte die Polizei zur gleichen Zeit eine Sexparty am Strand und nahm neun mutmaßliche Zuhälter fest. Nahezu jeder ernsthafte europäische Reiseveranstalter verpflichtet sich mittlerweile, zumindest Minderjährige in den Urlaubsgebieten vor sexueller Ausbeutung zu schützen. Der Branchenverband DRV (Deutscher Reiseverband) unterzeichnete schon vor gut zehn Jahren einen entsprechenden Verhaltenskodex. Vorbei die Zeiten, in denen seriöse Urlaubsveranstalter „von Junggesellen bevorzugte“ Hotels im Katalog anpreisen konnten. Das hieß nichts anderes, als dass Prostitution dort gang und gäbe war. Heute arbeitet der DRV mit den Behörden der betroffenen Länder sowie mit dem Bundeskriminalamt zusammen und warnt in einem Faltblatt vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. „Nicht wegsehen – aktiv werden!“, fordert er die deutschen Urlauber auf.

Eine Festnahme und mögliche Haftstrafe sind aber vielleicht noch das kleinere Übel, das Sextouristen droht. Vielfach bringen sie ihre Gesundheit in Gefahr. In den meisten Ländern, in denen der Sextourismus sich ausgebreitet hat, sind in den vergangenen Jahrzehnten auch die Aids-Raten explodiert. Kambodscha hat es mittels einer starken Kampagne geschafft, die Verbreitung des Immunschwächevirus in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren wieder einzudämmen – davon sind etwa das südliche Afrika und Osteuropa weit entfernt. Malawi und Mosambik geben die Verbreitung des Aids-Virus mit elf Prozent an, in Südafrika tragen nach offiziellen Zahlen rund 18 Prozent der Bevölkerung den Erreger in sich. In Europa ist die Ukraine mittlerweile das Land mit der höchsten Aids-Rate. Bislang sind dort 1,25 Prozent der Gesamtbevölkerung infiziert, und das Virus breitet sich von Jahr zu Jahr weiter aus. Jede sechste Prostituierte in der Ukraine trägt es mittlerweile in sich.

Die Fußball-EM wird den Sextourismus noch vorantreiben – und die ukrainische Regierung unternimmt wenig gegen den blühenden Geschäftszweig, der jährlich hunderte Millionen Dollar in die Kassen spült.

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Jochim Schmidt-heitmann | Sa., 17. November 2018 - 08:50

Ja, der Sextourismus ist ärmlich. Jedoch vermixt der Artikel manches. In den Industrienationen hat sich eine Gefühlskälte eingeschlichen, die dazu führt, dass hauptsächlich Männer ausweichen, Ich meine hier nicht die Männer, die für 2 oder 3 Wochen eine Frau "buchen" sondern es gibt auch Männer, die sich dort fest binden, da z.B. in Asien Familie und Tradition noch von Bedeutung sind. NIcht alle sind Sextouristen. Da mach sich der Kommentator es zu einfach