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François Hollande - Der ungeliebte Präsident

Frankreichs Präsident François Hollande hat mit der jüngsten Schlappe bei den Kommunalwahlen mal wieder eine herbe Niederlage einstecken müssen. Doch mit der Ernennung Manuel Valls' zum neuen Regierungschef schafft sich Hollande seinen größten Konkurrenten vom Hals

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Kallinich, Daniela

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François Hollande steht das Wasser bis zum Hals: Die scheppernde Niederlage bei den Kommunalwahlen vergangene Woche brachte das Fass zum überlaufen, das durch miese Umfragewerte, Skandale, hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte wirtschaftliche Lage in Frankreich bereits bis zum Rand gefüllt war. Er habe verstanden – so die Botschaft des Präsidenten am Montagabend im Fernsehen – und deswegen wurde der zuletzt umstrittene Premierminister Jean-Marc Ayrault vom bisherigen Innenminister Manuel Valls als Regierungschef abgelöst.

Hollande – der erfolglose Präsident
 

Ob dieses Rettungsmanöver Hollande allerdings aus den Tiefen der Umfragen befreien und der sozialistischen Regierung neuen Elan bringen wird, bleibt mehr als fraglich. Erste Kommentatoren jedenfalls äußern bereits Zweifel, ob ein derartig geschwächter, unbeliebter und erfolgloser Präsident (sein Schlüsselversprechen, die Arbeitslosenkurve im Jahr 2013 umzudrehen, konnte er beispielsweise nicht halten) für eine zweite Amtszeit bereit stehen werde – bzw. dies überhaupt wollen könne. Die dahinter stehende Frage lautet, ob François Hollande auch nach seiner ersten Amtszeit ein présidentiable, also ein legitimer Präsidentschaftskandidat seiner sozialistischen Partei (PS) sein könne.

Dies ist aus historischer Sicht eher verwunderlich, galt doch bislang in der V. Republik, also seit 1958, dass der amtierende Präsident fast automatisch ein weiteres Mal für seine Partei antritt, außer er hatte bereits die verfassungsmäßig erlaubten zwei Amtszeiten absolviert. Denn es gilt: In der politischen Landschaft Frankreichs gibt es niemanden, der besser aufgestellt ist, um in einen Präsidentschaftswahlkampf zu ziehen, als den amtierenden Präsidenten. Schließlich konzentriert er in seiner Person nicht nur die Legitimität einer bereits gewonnenen Direktwahl und den besonderen Status des „Président de la République“, welcher zumindest mit einem Hauch von Amtscharisma verbunden ist, sondern auch den im personalisierten, mediatisierten Wahlkampf unschlagbaren Vorteil während seiner fünfjährigen Amtszeit das prominenteste, in den Medien meist gezeigte Gesicht seiner Partei zu sein.  

Wird Hollande das Vertrauen entzogen?
 

Doch könnte François Hollande – der bislang unbeliebteste Präsident der V. Republik – die erste Ausnahme in diesem Ränkespiel sein? Ist es denkbar, dass er nach einer Amtszeit nicht wieder antreten und einem anderen Sozialisten freie Bahn lassen wird? Könnte seine Bilanz so schlecht ausfallen, dass seine Parteifreunde ihm das Vertrauen entziehen oder er frustriert die Flinte ins Korn wirft? Um es gleich vorweg zu nehmen: kaum. Denn Umfragewerte, mögen sie noch so schlecht sein, sind keine Wahlergebnisse. Und insbesondere im letztlich auf zwei Kandidaten zugespitzen Wahlkampf, könnte auch Hollande erneut gegen einen konservativen Widersacher punkten. Einerseits, weil es das bipolare Spiel des französischen Wahlsystems so will und andererseits, weil ihm das gelungen ist, wofür ihn viele zunächst gewählt haben: Er verhinderte Nicolas Sarkozys Wiederwahl. Gerade, wenn dieser erneut antreten sollte, hat Hollande den Nimbus des „Sarkozy-schon-einmal-Besiegers“ auf seiner Seite.

Darüber hinaus kann der Präsident versuchen, wie es die angestoßene Kabinettsumbildung belegt, schlechte Wahlergebnisse und unbefriedigende politische Performance auf seinen Premierminister bzw. die Regierung abzuwälzen. Dies bietet ihm einen doppelten Vorteil: Einerseits kann er den „Schwarzen Peter“ von sich weg schieben und andererseits durch die Besetzung des Premierminister-Postens potentielle Konkurrenten ins Straucheln bringen. Aus dieser Perspektive ist es kaum verwunderlich, dass nun Manuel Valls, der bislang beliebteste Politiker des Kabinetts und Hoffnungsträger der Sozialsten, neuer Premierminister ist; hätte Hollande wirklich „verstanden“, was die vielen Wähler und Nichtwähler bei den Kommunalwahlen ausdrücken wollten, hätte er auf einen Premierminister mit dezidiert linkem Profil gesetzt, um den Rufen nach mehr sozialer Gerechtigkeit Genüge zu tun. Hollande dürfte allerdings bei der Berufung von Manuel Valls im Hinterkopf gehabt haben, dass noch nie ein amtierender Premierminister zum Präsidenten gewählt wurde. Im Falle erfolgloser Politik fällt diese auf den Premierminister zurück; er hat dann nicht die nötige Statur als présidentiable. Im Falle möglicher positiver Entwicklungen kann sich der Präsident in deren Schein sonnen, was eine erneute Kandidatur unterstützen würde.

Premier Valls hat kaum Chancen auf eine Kandidatur
 

Dabei erscheint der bislang erfolgreiche Innenminister Manuel Valls, gemeinsam mit seinem smarten Kabinettskollegen Arnaud Montebourg, der ehemaligen Parteivorsitzenden und in Lille solide wiedergewählten Bürgermeisterin Martine Aubry und der ehemaligen Präsidentschaftskandidaten und neu ins Kabinett eingezogenen Ségolène Royal als einer der wenigen im gemäßigten linken Lager, die eine Alternative zu Hollande im Jahr 2017 darstellen könnten. Während Valls sich nun allerdings als Premierminister aufreiben und damit fast alle Chancen auf eine Kandidatur 2017 verlieren dürfte, könnte sich Martine Aubry in Stellung bringen.

Gerade weil sie im Gegensatz zu Hollande und Valls zu den linken Sozialisten zu zählen ist, könnte die PS im Falle eines Scheiterns des sozialdemokratisch angehauchten Gespanns Hollande-Valls die Sehnsucht nach einer „echten Linken“ dazu bringen, Aubry ins Rennen zu schicken. Ein weiterer Vorteil, der ihr zu Gute kommen könnte, ist, dass sie als ehemalige Parteichefin die PS kennt, diese hinter sich zu vereinen und enttäusche linke Sehnsüchte rhetorisch zu bedienen weiß. Einen ähnlichen politischen Kurs, links von Hollande, fahren auch Montebourg, dem derzeit allerdings noch die präsidentielle Statur fehlt und Royal, deren erstes „Rendez-vous mit den Franzosen“ als Kandidatin bei den Präsidentschaftswahlen 2007 zum Scheitern verurteilt war.

Indes, sollte Hollande nicht erneut antreten – gewollt oder ungewollt – werden wohl die Wähler darüber entscheiden, welche(r) Linke die Sozialisten im Wahlkampf repräsentieren wird. Die offenen Vorwahlen 2006 haben zur Überraschung vieler Hollande, den im Vorfeld kaum noch jemand im Spiel sah, zum Kandidaten gemacht. Hinter den demokratischen Standard der letzten Wahlen kann die PS – außer im Fall einer konkurrenzlosen Kandidatur des amtierenden Präsidenten – nicht zurücktreten. Doch offene Vorwahlen bieten Überraschungspotential, auf Kandidaten- und Wählerseite, so dass alles andere als vorhersehbar ist, wer im unwahrscheinlichen Falle eines Rückzugs Hollandes für die PS in den Wahlkampf ziehen könnte.

 

 

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