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TTIP im Europaparlament - Schulz in der Glaubwürdigkeitsfalle

Diese Woche wollten die Abgeordneten des Europaparlaments über ihre Position zum Freihandelsabkommen TTIP entscheiden. Weil der Wahlausgang unsicher war, verschob Parlamentspräsident Martin Schulz kurzerhand das Votum

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Lena Guntenhöner ist freie Journalistin in Berlin.

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Martin Schulz hat die Abstimmung des Europaparlaments zum Freihandelsabkommen TTIP am Dienstag verschoben. Als Parlamentspräsident wollte er das Europaparlament „sichtbarer und hörbarer“ machen, nun bringt er es zum Schweigen.

Woher kommt dieser Sinneswandel? Hatte Schulz Angst, dass es für den Forderungskatalog des Handelsausschusses keine Mehrheit aus Konservativen und seiner eigenen sozialdemokratischen Fraktion geben würde?

Offizieller Grund waren die mehr als 200 Änderungsanträge, die im Vorfeld der Debatte gestellt worden waren. Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), verteidigte Schulz‘ Entscheidung mit dem Argument, dieser habe auf Grundlage der Geschäftsordnung gehandelt und damit eine Überlastung des Plenums vermieden.

Normalerweise sind die Mehrheiten klar verteilt
 

Ein Beigeschmack bleibt dennoch. Schulz will TTIP, aber ohne Schiedsgerichte. Das hat er zumindest in der Vergangenheit so gesagt. Der Handelsausschuss hatte Schiedsgerichte in seinem Forderungskatalog erlaubt. Wie das Parlament darüber abgestimmt hätte, ist unklar. Unklare Entscheidungen sind im Europaparlament jedoch unbeliebt. Meistens winken die Abgeordneten der zwei größten Parteien die Vorschläge der Ausschüsse einfach durch. Wenn Schulz die Abstimmung vertagt, freuen sich die TTIP-Gegner. Aber ohne ein Votum des Europaparlaments hat die die Verhandlungen führende EU-Kommission keinerlei Vorgaben, an die sie sich halten kann. Verpflichtend ist der Forderungskatalog zwar nicht, würde aber doch ein klares Zeichen setzen.

Schulz mag das im Blick gehabt haben. Denn anstatt ein negatives Wahlergebnis zu riskieren, lässt er lieber gar nicht abstimmen. Vorzuwerfen bleibt ihm, dass er für eine Mehrheit sogar sein eigenes Wahlversprechen einkassiert hätte.

Kritik an Schulz‘ Nähe zu Juncker und Merkel
 

Ein „Nein“ aus dem Parlament hätte die Position der EU-Kommission bei den Verhandlungen deutlich geschwächt. Und es hätte die Differenzen unter den Sozialdemokraten zum Thema Schiedsgerichte ans Licht gebracht.

Rebecca Harms, die Vorsitzende der Grünenfraktion, sagte bei der hitzigen Debatte im Europaparlament am Mittwoch: „Martin Schulz tritt ein für Verschiebung dieser Abstimmung, weil nicht mehr klar ist, wie seine sozialdemokratische Fraktion zu ihren Versprechen im Wahlkampf steht.“ Ihr französischer Fraktionskollege Yannick Jadot bezeichnete Schulz gar als einen „Lobbyist“ der TTIP-Befürworter. Schulz habe das Votum blockiert, weil er Komissionspräsident Jean-Claude Juncker und Angela Merkel „keine Zustimmung des Parlaments zum TTIP mehr garantieren konnte“.

In der Tat wirkt es befremdlich, wenn ein hohes Streitpotential dazu führt, dass Parlamentarier nicht diskutieren. Gerade dann wäre eine Debatte sinnvoll. Sie würde Bürgerinnen und Bürgern zeigen, dass nicht in verschlossenen Hinterzimmern, sondern in aller Öffentlichkeit über ihre Belange entschieden wird.

Nun muss sich wieder der Handelsausschuss des Parlaments mit dem TTIP-Thema beschäftigen und einen neuen Vorschlag ausarbeiten, der nicht derart viele Änderungsanträge nach sich zieht. Ob dies noch vor der Sommerpause geschieht, die Mitte Juli beginnt, ist fraglich.

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