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(picture alliance) 2012 geht es für Europa und den Euro noch einmal ums Ganze

Europa 2012 - Drei Feuerproben für den Euro

CICERO ONLINE schaut in einer Reihe auf die wichtigsten Themen 2012. Heute: Europa und der Euro: 2012 wird zum Schicksalsjahr für Europa. Die größte Gefahr geht dabei von der Politik aus - ausgerechnet Merkels Fiskalunion birgt erhebliche Risiken

Die Meldungen passen beim besten Willen nicht zusammen.

Da bereiten sich Engländer auf ihre Evakuierung aus Gibraltar und Malaga vor, weil sie einen Zusammenbruch der Eurozone mit massiven Unruhen und Übergriffen fürchten. Da flüchten Spanier und Griechen zu Hunderten nach Deutschland, um der heimischen Misere zu entkommen. Und da horten Geldinstitute aus ganz Europa Rekordsummen bei der Europäischen Zentralbank, weil sie kein Vertrauen mehr zueinander haben.

So schlimm sei es zuletzt nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers 2008 gewesen, sagen Finanzexperten.

Doch gleichzeitig erklärt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), es gebe gar keine Eurokrise. Die Gemeinschaftswährung sei stabil, Sorgen mache ihm lediglich die Schuldenkrise in einigen Mitgliedsländern und die davon ausgehende „Ansteckungsgefahr“. Auch Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker gibt Entwarnung: Man habe alles im Griff. Überschuldete Länder wie Griechenland oder Italien bräuchten zwar „sehr solide Pläne zur Haushaltskonsolidierung“, aber die würden „gerade umgesetzt“.

Was stimmt denn nun? Steht die Eurozone kurz vor dem Zusammenbruch, droht 2012 ein „annus horribilis“ für Deutschland und die 16 übrigen Euroländer? Oder kommt im neuen Jahr alles wieder in Ordnung, weil die Politik der Konsolidierung greift und die Märkte wieder Vertrauen fassen? Selten gingen die Meinungen unter Politikern und Experten so weit auseinander, selten war eine Prognose derart schwierig. Die Zukunft des Euro hat sich, so scheint es, zu einer Glaubensfrage entwickelt.

Auf der einen Seite stehen die Untergangs-Propheten, die - wie der US-Experte Nouriel Roubini - vor einem „ungeordneten Szenario“ der Eurozone warnen. Einige Euroländer seien längst insolvent und könnten in der Währungsunion nicht überleben, fürchtet Roubini, der schon den Crash 2008 richtig vorausgesagt hat. Wenn die EU dies weiter leugne und auf eine Politik des „Weiter-so“ setze, drohe spätestens 2013, wahrscheinlicher aber schon 2012 der Zusammenbruch.

Auf der anderen Seite stehen Optimisten wie der Chef des deutschen Sachverständigenrates, Wolfgang Franz. Eine Zuspitzung der Eurokrise erwartet er ebenso wenig wie eine Rezession in Deutschland. Zwar werde sich das Wachstum abschwächen. Es sei jedoch unverantwortlich, eine Rezession herbeizureden - wie die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde. Die Französin hatte, nicht zuletzt mit Blick auf den Euro, vor einer Weltwirtschaftskrise wie in den 30er Jahren gewarnt.

Lesen Sie im zweiten Teil, was man in Brüssel von den Kassandra-Rufen Lagardes hält

Auch in Brüssel hält man Lagardes Kassandra-Rufe für übertrieben. Die Schuldenkrise in der Eurozone wird in den EU-Institutionen nicht als fundamentale Bedrohung, sondern vielmehr als willkommene Bestätigung empfunden - nach dem Motto: „Wir haben Euch ja immer schon gesagt, dass wir mehr und nicht weniger Europa brauchen. Wir haben es ja immer schon gewusst, dass es ohne eine Haushalts- und Fiskalunion nicht gehen wird.“

Diese Union soll 2012 endlich aufgebaut werden - allerdings nicht nach Brüsseler, sondern nach Berliner Rezept. Und dieses Rezept, das Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zuhause schon mal als „historisch“ feiern lässt, sieht nicht mehr Europa im Sinne von mehr Hilfen für Krisenländer, sondern mehr Sanktionen für „Schuldensünder“ vor. Fast alle Forderungen aus Brüssel, den Euro-Rettungsschirm EFSF aufzustocken, ihn mit einer Banklizenz zu versehen oder gar Eurobonds einzuführen, hat Merkel abgeschmettert.

Recht so, werden viele Deutsche sagen, denn wir wollen keine europäische Transferunion auf Kosten des deutschen Steuerzahlers. Das Problem ist nur, dass Merkels Fiskalunion erst langfristig wirkt. Die darin vorgesehenen Schuldenbremsen werden, wenn überhaupt, erst in einigen Jahren die Defizite abbauen (in Deutschland, das EU-weit als Vorbild gilt, wächst der Schuldenberg weiter). Sollte die Krise in der Zwischenzeit eskalieren, werden die Rettungsschirme und Stabilitätsmechanismen nicht stark genug sein, da sind sich alle Experten einig.

Dann muss die Politik nachbessern - oder die EZB einspringen. EZB-Chef Mario Draghi hat jedoch schon klar gemacht, dass er nicht bereit ist, überschuldete Staaten wie Italien durch massive Anleihekäufe zu stützen. Seine letzte große Feuerwehraktion, bei der er den Interbankenmarkt mit rund 500 Mrd. Euro flutete, verpuffte ohne sichtbare Wirkung. Aus Frankfurt wird man daher nicht mehr viel erwarten dürfen.

Bleibt die Politik. Sie hat bereits für Ende Januar das nächste Euro-Krisentreffen angesetzt. Allerdings soll es dabei nicht um neue Maßnahmen, sondern um die Vorbereitung der Fiskalunion gehen. Erst im März will man über eine mögliche Aufstockung der Rettungsschirme sprechen. Doch Merkel hat bereits klar gemacht, dass sie dazu nicht bereit ist. Sie will „ihren“ Fiskalpakt auf Punkt und Komma umsetzen, basta. Mehr sei nicht drin, heißt es bisher aus Berlin.

Lesen Sie im dritten Teil, warum 2012 doch noch zu einem Krisenjahr für den Euro werden könnte

Wenn es dabei bleibt, könnte 2012 doch noch zu einem Krisenjahr für den Euro werden. Denn schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Finanzmärkte die Währungsunion erneut und hart testen werden. Noch im Januar will die Ratingagentur Standard & Poor‘s ihr Verdikt über die letzten EU-Beschlüsse abgeben - es dürfte negativ ausgehen. Wenn dann auch noch Frankreich herabgestuft wird, könnte auch der Euro-Rettungsschirm EFSF leiden - denn Frankreich ist nach Deutschland der zweitgrößte Geldgeber. Dann würde das  Kartenhaus der Euroretter zusammenbrechen.

Die nächste Feuerprobe kommt im Frühjahr, wenn Altschulden im Wert von rund 500 Mrd. Euro refinanziert werden müssen. Vor allem Italien ist gefährdet. Sollte es dem Land nicht gelingen, genug Investoren für seine Staatsanleihen zu akzeptablen Konditionen anzulocken, müssten seine Partner einspringen - oder die Krise würde eskalieren. In Rom werde sich 2012 das Schicksal des Euro entscheiden, prophezeit Deutsche Bank-Chefvolkswirt Thomas Meyer.

Doch selbst wenn es der römische Regierungschef Mario Monti schafft, alle Klippen zu umschiffen, wartet 2012 auf ihn und die übrigen Euro-Chefs eine weitere Belastungsprobe: die Rezession. In Italien, Spanien, Frankreich und den Niederlanden schrumpft die Wirtschaft bereits, von Griechenland und Portugal ganz zu schweigen. Doch trotz der Wirtschaftskrise sollen sich diese wie alle anderen Euroländer zu weiteren Sparmaßnahmen verpflichten - so will es Merkels Fiskalunion. Dies dürfte die Konjunktur zusätzlich belasten und den Abwärtstrend noch verstärken.

Womit wir wieder beim Szenario der Untergangs-Propheten wären. Roubini, Lagarde & Co. fürchten, dass die Eurozone in einen Teufelskreis aus Schuldenkrise, Rezession, sinkenden Einnahmen und noch mehr Schulden gerät, aus dem es kaum noch ein Entrinnen gäbe. In Griechenland, so die Pessimisten, ist dieser „Worst Case“ bereits eingetreten. Wenn der Teufelskreis auch noch Italien, Spanien oder gar Frankreich trifft, wäre der Euro wohl nicht mehr zu retten.

Es sei denn, die Politik reißt das Steuer erneut herum. Es wäre nicht das erste Mal - 2011 wurde der Kurs bei fünf Euro-Krisengipfeln fünfmal neu bestimmt. Und jedes Mal hieß es, diesmal habe man die Lage im Griff...

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