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Katholische Kirche - Drei Eigenschaften braucht der neue Papst

Machtbewusstsein, Weltläufigkeit und Mut: Diese drei Eigenschaften wird der nächste Papst brauchen, um die katholische Kirche mit Erfolg ins 21. Jahrhundert zu führen

Autoreninfo

Otto Kalscheuer ist Professor für politische Philosophie an der Universität Sassari und Autor zahlreicher Bücher

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1. MACHT: Machtbewusst wird er sein müssen, der neue Papst. Denn er muss – verdammt noch mal! – endlich die Kurie in Ordnung bringen, den Apparat der römischen Zentrale. Will er nicht nobel scheitern wie der deutsche Professor. Noch einen weiteren Aufschub wird der Herrgott dem Regime des Bischofs von Rom wohl kaum gewähren, 2013 ff.: ein halbes Jahrhundert nach dem II. Vatikanischen Konzil, dessen Impulse für eine Öffnung der Kirche (in der Welt und hin zur Welt) auch an einer unveränderten Routine des Vatikans gescheitert sind. Im Zweifelsfall wurden neue Dikasterien und Räte geschaffen (zuletzt von Benedikt XVI. ein Rat zu Neu-Evangelisierung, also zur Wiederverchristlichung Europas), aber die anderen, alten Ämter bestanden weiter – und bekriegten einander in diesem Labyrinth von Behörden.

Vom Umgang mit den reaktionären Traditionalisten Lefebvres bis zum Umgang mit wiederverheiratet geschiedenen katholischen Familien: Zu allen Fragen gab es hinter den Kulissen einen Kampf zweier Linien – ohne definitive Verantwortlichkeiten oder klare Kabinettsdisziplin.

Johannes Paul II. war charismatisch, autoritär, menschenergreifend – aber draußen in der Welt, in den Medien, in den Stadien. Gegenüber den Vatikan-Behörden in Rom betrieb der Pole eine selektive Gleichgültigkeit: drei, vier, fünf Vertraute – die beiden wichtigsten, Kardinal Sodano für die Realpolitik und Kardinal Ratzinger für die rechte Lehre, überschatten bis heute die Szene.

Der deutsche Professor Ratzinger hatte zwar ebenfalls personalpolitische Präferenzen (mit seiner „rechten Hand“, dem umfeindeten Bertone traf er freilich keine gute Wahl), schaffte es aber offenkundig nicht, dem vatikanischen Regieren seinen Stempel aufzudrücken. Über die politischen Laufbahnen „bei Hof“ in Rom entschieden weiter die einander blockierenden italienischen Netzwerke. Da schrieb der scheidende Papst lieber schöne Bücher – und hielt wunderschöne Predigten. Genützt hat das wenig.

Der neue muss die römischen Intrigen kennen wie ein Italiener – aber er sollte sich nicht in ihnen verheddern wie der deutsche Römer Ratzinger. Eine Rationalisierung der wichtigsten Behörden ist angesagt. Klare Verantwortlichkeit ist Voraussetzung für präzise Delegation. Weniger ist mehr.

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2. WELT: „Entweltlichen“ müsse sich die Kirche, um in der Welt wieder Gehör zu finden, meinte Benedikt XVI. unlängst in Freiburg. Das war zwar richtig gemeint: als Bereitschaft dazu, klerikale Machtpositionen im Sozialstaat und kirchliche Privilegien im Verfassungsstaat aufzugeben. Aber die Botschaft klang dennoch falsch: als Aufruf zur elitären Minorisierung abendländischer Feingeister, mit oder ohne Talar.

Doch gerade die brauchen das erlösende Wort Jesu (eines sterbenden Gottes aus Fleisch und Blut) weit weniger als jene, die in der patriarchalischen Bibel „Witwen und Waisen“ heißen. Heute sind das jene mobilen, von den Überschwemmungs- oder Dürrezonen in die Mega-Slums des globalen Südens drängenden Menschen, unter denen in Afrika oder Asien die katholische Kirche wächst – ebenso wie in Lateinamerika die Pfingstkirchen und protestantischen Fundamentalisten. Das lateinische, weihrauchgeschwängerte Amtscharisma der katholischen Kirche (und ihres Chefs) dünnt aus.

In der Welt sein heißt für Jünger Jesu natürlich nicht, sich einfach an diese anzupassen: Die Kirche muss sich nicht zwanghaft modernisieren, twittern oder demokratisieren. Sie muss sich ergreifen lassen vom Drama des Lebens und Überlebens in einer übervölkerten Welt. Doch hierbei wird die symbolische Kommunikation immer wichtiger und das verbale Lehramt immer relativer. Da geht es nicht einmal primär um die in den theologischen Fakultäten Europas so beliebten „linken“ oder „rechten“, prophetischen oder politischen Theologien. Die Kontrolle über die Richtigkeit dieser oder jener Glaubenssätze über die Jungfrauengeburt Mariens oder die gottmenschliche Natur des Heilands betrifft ohnehin eher das Archiv der Dogmengeschichte. Aber moralische Maximen zum Verhältnis von sozialer Befreiung und Errettung aus der Sünde können glaubwürdiger von Seelsorgern verkündet werden, die selbst die Lebenskrisen ihrer Gemeinden kennen: das Drama aus Kinderreichtum und Kindersterblichkeit in der ehedem Dritten Welt ebenso wie die Verfolgung oder Unterdrückung von Christen durch Diktaturen und die Entwürdigung der politischen Macht durch Korruption.

Natürlich ist solche lebendige Weltläufigkeit keine Frage der Nationalität oder Hautfarbe – aber man wird sie mutigen Kirchenführern wie dem afrikanischen Kardinal Peter Turkson oder einem Aktivisten wider die Verschuldungskrise wie Oskar Maradiaga aus Honduras womöglich eher zutrauen.

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3. MUT: Mut wird der nächste Papst nicht nur für die notwendigen Konflikte innerhalb der Kirche brauchen, sondern in der religiösen Konkurrenz auf dem weltanschaulichen Weltmarkt. Natürlich hatte Joseph Ratzinger als Schüler des Heiligen Augustinus recht mit seinen Warnungen vor den falschen Heilsversprechungen einer sich an den technologischen Fortschritt überantwortenden Moderne. Und gewiss muss die katholische Kirche die Herausforderung durch den politischen Islam ebenso erwidern wie das Terrain des friedlichen missionarischen Wettstreits mit den verschiedenen „Spiritualitäten“ der Religionen Asiens betreten. Sie darf sich dabei nicht einfach an bestehende kulturelle Milieus anlehnen – nicht einmal die des christlich-abendländischen Westens.

Dass heute ein Papst alles andere ist als ein Kreuzzugsprediger, dies hatte die Weltöffentlichkeit vor allem aus den Kampagnen von Johannes Paul II. wider die westlichen Golfkriege gelernt. Sie darf es nicht vergessen – doch eine eigene, weniger rituelle oder diplomatische Sprache schien der Heilige Stuhl in den vergangenen acht Jahren verlernt zu haben.

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