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(picture alliance) Die Bundesregierung muss endlich reinen Wein einschenken

Griechenland-Hilfe - Deutschlands Blockadepolitik gefährdet Europa

Deutschland blockiert weiter die längst versprochene Hilfe für Griechenland. Berlin will nicht mehr Geld geben – und sorgt damit für massiven Ärger in Brüssel und Athen. Lange kann das so nicht weiter gehen, die Bundesregierung muss endlich reinen Wein einschenken

Schon wieder eine Krisensitzung, immer noch keine Einigung: Griechenland muss weiter auf die längst überfälligen Hilfskredite aus Europa warten. Es seien noch einige „technische Details“ zu klären, hieß es nach einer Nachtsitzung der Eurogruppe in einer dürren Mitteilung. Doch in Wahrheit hat es heftig gekracht in Brüssel. Ist Griechenland überhaupt noch zu retten?

Zweifel sind erlaubt. Und zwar nicht wegen der desolaten Lage in Athen, sondern wegen der Bundestagswahl in Berlin. Von Anfang an ging Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit derart vielen „roten Linien“ in die Gespräche, dass eine Einigung praktisch unmöglich war. Kein Schuldenschnitt, kein dritter Hilfsplan, kein frisches Geld - mit Rücksicht auf die CDU-, CSU- und FDP-Wähler stellte sich Schäuble stur.

Die deutsche Haltung ist nicht nur nicht konstruktiv, sie ist auch nicht konsistent. Vor etwas mehr als einem Jahr war es schließlich Schäuble, der lauthals einen Schuldenschnitt für Griechenland forderte – für die privaten Gläubiger, also Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Damals setzte er sich gegen alle Bedenken hinweg. Nun, da es um die öffentlichen Gläubiger – also Steuergelder – gehen soll, ist er plötzlich dagegen.

Dabei ist der erste „Haircut“ im Wert von rund 100 Milliarden Euro schon wieder verpufft. Die Schuldenquote in Athen geht schnurstracks auf die Marke von 200 Prozent der Wirtschaftsleistung zu – von der 120-Prozent-Marke, die für den IWF noch als „tragfähig“ gilt, ist sie weiter denn je entfernt. Wenn das so weiter geht, wird Griechenland von der Schuldenlast erdrückt, eine „Rettung“ wird endgültig zur Illusion.

IWF-Chefin Christine Lagarde fordert denn auch schon seit Oktober einen zweiten Schuldenschnitt – völlig zu Recht, wie die meisten Experten meinen. Wegen des deutschen Widerstands kam es bereits beim ersten Treffen der Eurogruppe vor zehn Tagen zum Clash. Nicht nur Lagarde und Schäuble gerieten sich in die Haare. Auch dem französischen Finanzminister Pierre Moscovici platzte der Kragen. „Hier sind Verrückte im Raum“, rief er in den Saal, nachdem die Debatte in der Sackgasse gelandet war.

Auch in der Nacht zu Mittwoch ist es offenbar wieder hoch hergegangen. „Ich bin nicht desillusioniert, weil ich mir über Europa keine Illusionen mehr mache“, sagte ein ziemlich verbitterter Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. „Wir sind noch nicht am Ziel“, erklärte IWF-Chefin Lagarde, die eigens eine Asienreise unterbrochen hatte, um an dem Krisentreffen in Brüssel teilzunehmen.

Seite 2: Billiger ist eine Rettung nicht mehr zu haben

Bis zum Abbruch der Verhandlungen lagen mehrere Optionen auf dem Tisch. Im Gespräch waren Zinsverbilligungen oder Laufzeitverlängerungen für Kredite an Athen. Es könnten auch Zinsgewinne aus Griechenlandkrediten weitergereicht werden. Zusätzliches Geld im Hilfsprogramm von 130 Milliarden Euro soll es jedoch nicht geben. Auch der Schuldenschnitt ist offenbar vom Tisch.

Die Euro-Retter müssen gleich mehrere Rechenaufgaben lösen, für die es womöglich keinen gemeinsamen Nenner gibt. Sie müssen die Mehrkosten finanzieren, die sich aus der beschlossenen Verlängerung der Sparvorgaben um zwei Jahre ergibt. Die Finanzierungslücke bis 2016 beträgt laut Troikabericht 32,6 Milliarden Euro. Dann müssen sie die Schuldenquote drücken – von derzeit rund 180 Prozent auf 120 Prozent, und das möglichst schon bis 2020.

Dabei dürfen sie jedoch kein frisches Geld in die Hand nehmen – so wollen es neben Schäuble auch mehrere andere Euroländer, zum Beispiel Österreich. Und den Bundeshaushalt darf die ganze Aktion auch nicht belasten – mit ein Grund, warum die Krisensitzung morgens gegen fünf unterbrochen wurde. Man könne so früh am Morgen einfach nicht mehr gut rechnen, gab Juncker zu Protokoll.

Dabei kann man an fünf Fingern abzählen, dass die Rechnung auf Dauer nicht aufgehen kann. Denkbar wäre zwar, eine Übergangslösung für die nächsten zwei Jahre zu finden. Das wäre Schäubles liebste Lösung, dann hätte man das Problem auf die Zeit nach der Bundestagswahl vertagt. Doch eine dauerhafte, tragfähige Lösung des Griechenland-Dramas wäre das nicht, eher eine Konkursverschleppung.

Im Grunde genommen gibt es nur einen vernünftigen Ausweg: Schäuble und Kanzlerin Merkel müssen vor den Bundestag und die Bürger treten und erklären, dass und warum die Griechenland-Rettung teurer wird. Sie müssen darlegen, warum der erste Schuldenschnitt wirkungslos verpufft ist, wieso der Sparkurs nicht die gewünschte Wirkung zeigt, wieso sie dem konservativen Premier Samaras vertrauen – also ausgerechnet dem Mann, der zwei Jahre lang alle Reformen in Athen blockierte.

Wenn sie all das erklärt haben, müssen sie um frisches Geld für Griechenland bitten. Billiger ist eine Rettung nicht mehr zu haben. Ein Scheitern wäre allerdings noch teurer. Und zwar nicht nur für Athen, auch für Berlin.

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