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(picture alliance) Möchte Angela Merkel eine Wachstumsagenda vorsetzen: Francois Hollande

Hollande und Griechenland - Der Biedermann und die Brandstifter

Frankreichs neuer Präsident Hollande hat ein Problem: Statt um eine Wachstumsagenda für Europa muss er sich zunächst um die Rettung Griechenlands kümmern - die Angst-Agenda aus Athen kann nicht warten

Francois Hollande ist ein bedächtiger, manche sagen auch biederer Mensch. Der neue französische Staatschef lässt sich nicht gerne drängen, für wichtige Entscheidungen nimmt er sich viel Zeit. Doch als er am Dienstagabend nach einem turbulenten Flug zu seinem Antrittsbesuch in Berlin eintraf, wurde er von Kanzlerin Angela Merkel gleich mit einem unangenehmen Thema konfrontiert: Der Krise in Griechenland und den Risiken für den Euro.

Wenige Stunden zuvor war in Athen die Regierungsbildung gescheitert, Staatspräsident Papoulias setzte Neuwahlen an. Voraussichtlich am 17. Juni müssen die Griechen nun entscheiden, ob sie jenen Parteien eine Mehrheit geben, die den mit Europa verabredeten Spar- und Reformkurs mittragen - oder ob sie den Ausschluss aus dem Euro riskieren. Hollande passt dies gar nicht in den Kram, denn er wollte ganz andere Prioritäten setzen.

Wie im französischen Präsidentschaftswahlkampf versprochen, möchte der Sozialist der EU eine neue Wachstumsagenda verordnen. Merkels Fiskalpakt müsse neu verhandelt werden, bekräftigte er in Berlin, allein mit sparen werde sich die Krise nicht lösen lassen. Bei einem Sondergipfel kommende Woche in Brüssel sollen alle Vorschläge auf den Tisch kommen, beim regulären EU-Gipfel Ende Juni sollen dann Entscheidungen fallen.

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Doch die französische Wachstums-Agenda könnte schnell in Vergessenheit geraten. Gleich an seinem ersten Arbeitstag sah sich Hollande mit einer Angst-Agenda konfrontiert, die aus dem politischen Chaos in Athen, aber auch aus drohenden Gesten in Berlin genährt wird. Denn während sich Merkel genau wie Hollande für einen Verbleib Griechenlands im Euro aussprach, kommen aus der Bundesregierung ganz andere Töne.

Vor allem Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) drohen Athen ganz offen mit der Pleite und einem Ausschluss aus der Eurozone. "Wenn Griechenland den Reformkurs aussetzt, werden keine Tranchen aus den Hilfsprogrammen mehr ausgezahlt", sagte Westerwelle. Ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion sei verkraftbar, ließ Schäuble wissen. Nachverhandlungen über das europäische Hilfspaket werde es nicht geben, fügte er hinzu.

In Deutschland hat man sich an die Mahnungen gewöhnt. Doch in Paris und Brüssel hört man diese Töne gar nicht gerne. Die Warnungen vor einem „Grexit“ - dem neuen Modewort für den „Exit“ Griechenlands - seien „Unsinn“ und „Propaganda“, schimpfte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker in Brüssel. "Ich mag die Art derer nicht, die Tag um Tag drohen", betonte der Luxemburger. "Wir haben den Griechen keine Lektionen zu erteilen."

Aus Sicht Junckers und vieler Experten spielen Schäuble und Westerwelle mit dem Feuer: Sie heizen Spekulationen über einen Euro-Austritt Griechenlands an und verstärken damit die Unsicherheit an den Märkten. Bereits seit Tagen kennen die europäischen Börsen wegen der Griechenland-Angst nur noch einen Trend: abwärts. Gleichzeitig schießen die Risikoaufschläge für italienische und spanische Staatsanleihen in die Höhe.

Die Eurokrise ist wieder voll da, beinahe noch schlimmer als im vergangenen Herbst, als Merkel und der damalige französische Staatschef Nicolas Sarkozy von Krisensitzung zu Krisensitzung eilten. Ähnlich könnte es nun auch Sarkozys Nachfolger Hollande gehen. Der bedächtige Biedermann aus Paris muss sich im Eiltempo mit der Rettung Griechenlands beschäftigen und versuchen, den Brandstiftern das Handwerk zu legen.

Ob er sich dabei auf Merkel verlassen kann, bleibt abzuwarten. Zwar bekannte sich auch die Kanzlerin bei seinem Antrittsbesuch in Berlin zum Verbleib Griechenlands im Euro. Doch zugleich lässt sie Westerwelle und Schäuble gewähren. Nach einem Bericht der britischen „Financial Times“ versucht sie Hollande zudem diskret auf die deutsche Linie zu bringen, indem sie ihn auf die Risiken hinweist, die ein „Grexit“ für Frankreich darstellen.

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Tatsächlich birgt die neue Griechenland-Krise für französischen Banken und den Staat ein hohes Risiko. Nach Berechnungen der IESEG School of Management in Lille könnten französische Geldinstitute 19,8 Mrd. Euro verlieren, wenn das Land den Euro aufgibt und die neue Währung um 50 Prozent abwertet. Deutsche Banken stünden mit  4,8 Euro besser da. Ganz anders sieht die Rechnung für die Steuerzahler aus: dem französischen Staat drohen Verluste von 66 Mrd. Euro, Deutschland hingegen 90 Mrd. Euro.

So gesehen, muss sich nicht nur Hollande Sorgen um die Krise in Griechenland machen. In Deutschland müsste die Angst vor einem Austritt eigentlich noch größer sein. Doch wer weiß, vielleicht machen manche in Berlin ja auch Politik mit der Angst. Die aktuelle Entwicklung spielt den Angstmachern und Brandstiftern jedenfalls in die Hände. Denn die nun geplanten Neuwahlen in Athen dürften wenige Tage vor jenem entscheidenden EU-Gipfel stattfinden, an dem Hollande seine Wachstumsagenda präsentieren will. Am Ende könnte es wieder ein Krisengipfel werden - und Hollandes hoffnungsvoller Start würde von harten Entscheidungen überschattet.

Wenn die Eurozone zerbricht, so viel ist sicher, wird es wichtigere Themen geben als Wachstum und Jugendarbeitslosigkeit. Dann stehen wieder Disziplin und Härte im Vordergrund - genau wie im vergangenen Herbst, als Merkel und Sarkozy den Fiskalpakt durchgepeitscht haben.

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