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Baschar al Assad dürfte der Gewinner des strategischen Tauziehens im Syrienkonflikt sein. Bild: Simon Prades für Cicero

Cicero im Mai - Die Akte Assad

Für das Chaos in Syrien und den Aufstieg des „Islamischen Staates“ gibt es laut Pulitzer-Preisträger Seymour M. Hersh vor allem einen Verantwortlichen: die USA. Seine Reportage in der Mai-Ausgabe des Cicero deckt das Ausmaß der verfehlten Syrienpolitik Obamas auf

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Vor kurzem hat Barack Obama „Libyen“ als schlimmsten Fehler seiner Amts­zeit bezeichnet. Das ist sicher nicht falsch. Der Sturz Gaddafis ohne Plan für die Zeit danach erweist sich als eine der Ursachen für den Flächenbrand in der Region.

Allerdings stellt sich die Frage, ob der amerikanische Präsident in einem der Nachbarländer Libyens nicht in noch viel gravierenderem Maße versagt hat. Der vielfach ausgezeichnete US-Investigativ­journalist Seymour M. Hersh hat sich tief hineinbegeben in die US-Administration, hat mit führenden Militärs und Diplomaten gesprochen, die dem US-Präsidenten in Sachen Syrien und Assad ein verheerendes Zeugnis ausstellen. Der Versuch, Baschar al Assad zu stürzen, sowie die Unterstützung von obskuren Oppositionellen und Rebellen hätten dazu geführt, dass Syrien im Chaos versunken ist und das Land einen Exodus ohnegleichen erlebt.

„Man wollte die Wahrheit nicht hören“
 

Schon im Sommer 2013 warnte der mili­tä­rische Geheimdienst DIA vor dem Sturz Assads und der Machtübernahme der Dschihadisten. Der damalige DIA-Direktor Michael Flynn gab Hersh zu Protokoll, die amerikanische Öffentlichkeit würde „ausrasten“, wenn sie die Geheimdienstinformationen zu Gesicht bekäme: „Wir kannten die langfristige Strategie und die Einsatz­pläne des IS, und wir diskutierten auch darüber, dass die Türkei bewusst wegsah, als der ‚Islamische Staat‘ in Syrien immer stärker wurde.“ Die Berichte seien aber auf enormen Widerstand gestoßen. Flynn wörtlich: „Ich hatte das Gefühl, man wollte die Wahrheit nicht hören.“

Im Januar erschien eine erste Fassung von Hershs Reportage über die verfehlte Syrienpolitik Barack Obamas in der London Review of Books. Für Cicero hat er weite Teile des Textes den aktuellen Geschehnissen angepasst und ergänzt. Herausgekommen ist ein erschütterndes Dokument politischer Ignoranz. Und ein herausragendes Beispiel für angelsächsischen Investigativjournalismus, das sich abhebt von zunehmend gefühliger Politikberichterstattung hierzulande. Ein kurzes Interview zu seiner persönlichen Sichtweise lehnte Hersh ab: Es sei nicht wichtig, was Journalisten dächten. Wichtig sei, was sie wüssten – und zur Kenntnis brächten. Alte Schule, im besten Sinne.

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Karl Koreno | So., 23. Oktober 2016 - 19:37

Gegen die ganzen Verschwörungstheorien und die mediale Simplifiierung hilft nur eines: Verschwörungspraktiker zu Wort kommen lassen. Sprich: CIA, NSA sowie Teile der US-Regierung sind immer wieder Teil des Problems und nicht der Lösung. Seymour Hersch, als ausgewiesener Experte und mit besten Geheimdienstkontakten versehen, bekommt - aus welchem Grund - bei unseren Leitmedien viel zu wenig Gehör! Daher: DANKE!