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(picture alliance) Dem Protest schlossen sich Menschen unterschiedlichster sozialer Schichten an

Occupy-Demos - Beginn einer neuen Protestbewegung?

Frage des Tages: Die Initiatoren der Proteste gegen die Banken am Samstag sind zufrieden und kündigen weitere Aktionen an. Ist es der Beginn einer neuen Protestbewegung?

Die Veranstalter des Aktionstages gegen die Macht der Finanzmärkte am Wochenende sind hochzufrieden. Auch wenn die Initiatoren, die 99 Prozent der Bevölkerung zu repräsentieren meinen, nicht mal ein Prozent davon auf die Straße holen konnten – sie sehen den Beginn einer neuen Protestbewegung. Die Bilder aus Rom, wo Gewaltbereite dafür verantwortlich waren, dass der friedliche Protest in eine Straßenschlacht umschlug, machen aber auch deutlich, welche Gefahren von solchen Aktionen ausgehen können.

Werden die Proteste weitergehen?

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac spricht, was die Proteste in Deutschland vom vergangenen Samstag angeht, von einem „großartigen Erfolg“. Ein Erfolg, der offenbar beflügelt. So kündigte Attac bereits für kommenden Samstag weitere Aktionen an. Stephan Lindner vom Attac-Koordinierungskreis sagt, was am Wochenende begonnen habe, solle „verstetigt und verbreitert“ werden. „Vor Ort sollen Bündnisse entstehen, die die Aktionen organisieren“, sagt Lindner. In einigen Städten sei auch geplant, die Montagsdemonstrationen wieder aufleben zu lassen. Laut der Organisation gebe es für kommenden Samstag, den Vortag des EU-Gipfels in Brüssel, wo ein Bankenrettungsplan erarbeitet werden soll, bereits Anmeldungen für Demonstrationen und weitere Aktionen unter anderem in Berlin, Düsseldorf und Kiel.

Wie wollen die Initiatoren verhindern, dass ihr Protest von Parteien vereinnahmt oder von Gewalttätern unterwandert wird?

Bei Attac ist man sich dieser Gefahr offenbar bewusst. „Wir müssen schauen, dass diese Bewegung unabhängig bleibt“, sagt Lindner. Dazu wolle man weiterhin vor allem die Vernetzung über das Internet nutzen. So erhoffe man sich von campact.de, der Online-Plattform der Bewegung „Demokratie in Aktion“, die nach eigenen Angaben jederzeit eine halbe Million Nutzer erreiche, eine wirksame Unterstützung. Zwar wolle man die Bewegung nicht zu parteipolitischen Zwecken missbrauchen lassen. Aber die Unterstützung von Parteien und Gewerkschaften sei wichtig. Viele der politischen Akteure seien jetzt schon vertreten, sagt Lindner mit Hinweis auf die Jugendorganisationen von Linken, Grünen und SPD, die bereits Mitglied seien. Aber auch Attac selbst („Wir sind ja auch nur ein Teil“) wolle die Bewegung nicht vereinnahmen. Von ihr müsse ein so großer Druck ausgehen, dass die Politik nicht umhinkomme zu reagieren.

Die Gefahr, dass in Deutschland so etwas wie in Rom passieren könne, sieht Lindner nicht. „Wir rufen nachdrücklich zu friedlichem Protest auf“, sagt er. Und wo es nicht friedlich geblieben sei, sei „übermäßige Gewalt von der Polizei“ vorausgegangen, sagt Lindner mit Blick auf Vorgänge in Berlin.

Wie konnte der Protest in Rom in Gewalt umschlagen?

Auf der Strecke vom Hauptbahnhof über das Kolosseum zur Lateran-Basilika wurden ganze Straßenzüge verwüstet, Geschäfte geplündert, Geldautomaten zerstört, Baugerüste und zahlreiche Autos angezündet, ein Gebäude des Verteidigungsministeriums in Brand gesetzt, eine Kirche überfallen, ein Kreuz und eine Madonnenstatue zertrümmert.

Als besonderen Sieg feierten die Demonstranten, dass es ihnen gelungen war, einen gepanzerten Mannschaftstransporter der Carabinieri zu kapern und ihn in Flammen aufgehen zu lassen. Die beiden Beamten im Wagen konnten in letzter Sekunde flüchten; dieser Anschlag gilt mittlerweile als versuchter Mord.

Die Gewalttäter hatten sich unter die gut 150 000 friedlichen Demonstranten aus allen Teilen Italiens gemischt. Bald stiegen aus verbrannten Autos schwarze Rauchwolken über Rom auf. Später stellte sich heraus, dass die Gewaltbereiten entlang der geplanten Route des Demonstrationszugs zuvor bereits „Waffenarsenale“ angelegt hatten: Da lagen Taschen voller einsatzbereiter Molotow-Cocktails, Eisenstangen, Stiele von Äxten und Pickeln sowie Haufen von Pflastersteinen.

Mit „Haut-ab!“-Schreien, mit Menschenketten und Tritten in den Hintern versuchten zwar zahlreiche friedliche Demonstranten, die Gewalttäter von Anfang an zu isolieren, sie fanden aber keinen Rückhalt bei den Einsatzkräften.

Auf dem von der Polizei als „Auslaufbecken“ betrachteten und zunächst praktisch ungesicherten Platz vor der Lateran-Basilika kam es dann zur regelrechten Straßenschlacht. Mit Wasserwerfern und Tränengas versuchten Carabinieri-Einheiten, die Gewalttäter von den friedlichen Demonstranten zu trennen; die Radikalen wiederum gingen mit Feuerlöschern, Straßenschildern und Pflastersteinen auf die Einsatzwagen los oder verschanzten sich hinter Barrikaden aus brennenden Müllcontainern. Um den friedlichen Demonstranten, unter ihnen Familien mit Kindern, eine Fluchtmöglichkeit zu geben, ließ der zuständige Kardinal die Lateran-Basilika öffnen. Mehr als tausend Menschen fanden darin Schutz.

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