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Ausblick 2016 - Donald Trump erledigt die Republikaner

Was sind die wichtigsten Themen 2016? In der Außenpolitik ist es der US-Wahlkampf, der noch schriller werden dürfte: Mit Bernie Sanders und Donald Trump gibt es in beiden Lagern Kandidaten, die das politische System ablehnen. Letzterer schadet sogar seiner eigenen Partei

Autoreninfo

Judith Hart ist Ressortleiterin Weltbühne bei Cicero

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Er hat die Öffentlichkeit schon über die Maßen beschäftigt. Im nächsten Jahr werden wir noch mehr von „The Donald“ Trump hören. Meist, davon können wir ausgehen, wird es sich um skandalöse Vorschläge handeln, wie die Forderung nach den Attentaten von Paris im November, Muslimen die Einreise in die USA zu verwehren.

Die Amerikaner nennen den allzu lange dauernden Wahlkampf um den jeweiligen Präsidentschaftskandidaten und anschließend um das Amt des Präsidenten zu Recht „silly season“. Doch diesmal ist der Wahlkampf nicht einfach „silly“, töricht, im Sinn von: Jeder weiß genau, dass Versprechen gemacht werden, die niemand einzuhalten gedenkt. Dieser Wahlkampf offenbart ein sehr viel eklatanteres Problem: Viele Amerikaner haben längst das Vertrauen in das etablierte politische Establishment verloren.

Donald Trump punktet, weil er als Milliardär nicht nur das notwendige Geld besitzt beziehungsweise einwerben kann. Sondern weil er deshalb als unbestechlich gilt. Seine Botschaft lautet: „Ich muss keine Kompromisse machen, weil ich auf niemandes Mittel oder Unterstützung angewiesen bin.“ Was Trump damit vorgaukelt, ist eine Welt, in der kein Kompromiss, kein Konsens notwendig sind und man mit starken Forderungen komplexe Probleme zu machbaren Herausforderungen herunterdimmt. Hat er nicht ein erfolgreiches Imperium geschaffen? Na also, dann wird man doch auch mit den gleichen Mitteln eine US-Wirtschaft und die Welt sowieso auf Vordermann bringen können.

Die Republikaner haben sich selbst beschädigt


Gewinnen wird er wohl am Ende nicht. Aber ein Kollateralschaden ist bereits sichtbar: die „Grand Old Party“, die Republikaner. Weil sie sich auf einen Kurs der Destruktion gegen Barack Obama begeben hat, weil sie es den Extremisten von der Tea Party bis zu Trump erlaubt hat, alle anderen vor sich herzutreiben, hat sie sich als ernstzunehmende Partei für die nächste Zeit aus dem Rennen katapultiert.

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass im Weißen Haus demnächst eine Frau regiert. Mit Bernie Sanders hat Hillary Clinton nach wie vor einen ernsthaften Konkurrenten. Gerade von jüngeren Wählern wird er verehrt. Nach seinen Wahlkampfauftritten mag es keine Schlagzeilen in den etablierten Medien geben, aber bei Twitter explodieren die Feeds. Warum? Weil auch er die Verkörperung des Misstrauens in das etablierte System ist. Erinnert das nicht irgendwie an Hillary Clintons Wahlkampf gegen Barack Obama?

Europa hat viel größere Probleme als die USA


In Europa mag man über Donald Trump oder Bernie Sanders verwundert den Kopf schütteln. Dabei hat die Europäische Union derzeit viel größere Legitimationsprobleme. In Frankreich, Spanien, Großbritannien legen populistische Parteien wie der Front National, Podemos oder UKIP enorm zu. In Polen hat eine rechte, anti-europäische Partei die Parlamentswahlen gewonnen. In Deutschland hat die AfD mit der Flüchtlingskrise zugelegt, auch wenn hierzulande - wer hätte das vor wenigen Jahrzehnten gedacht? -, der Populismus weniger populär zu sein scheint als in anderen europäischen Ländern.

Dabei wird niemand abstreiten können, dass populistische Parteien nicht echte Probleme ansprechen: Jugendarbeitslosigkeit, Schwierigkeiten bei der Integration, die Zumutungen der Globalisierung. Toxisch ist nur deren Gegenmittel: die Abwehr gegen alles Fremde und die Rückkehr ins Kleinteilige, Überschaubare, Nationale. Aber Globalisierung lässt sich nicht stoppen. Die „Entglobalisierung“ und „Nationalisierung“ der Wirtschaft würden eben keine Arbeitsplätze schaffen. Ganz im Gegenteil. Jede der europäischen Volkswirtschaften ist zutiefst innerhalb der Europäischen Union und auch in der Weltwirtschaft vernetzt. Eine Entkopplung würde Jobverluste bedeuten. Europa ist auch kein bürokratischer Moloch. Seine insgesamt 500 Millionen Bürger sind ein Garant dafür, dass europäische Länder auch im 21. Jahrhundert neben Giganten wie den USA oder China noch Einfluss ausüben können.

Die Europäische Union hat mit ihren Wirtschaftsproblemen, dem Populismus und einer Nachbarschaft, die vor unseren Augen zerfällt, ihre größten Bewährungsproben noch vor sich. Dabei gilt: Würde die Europäische Union heute scheitern, man müsste sie morgen wieder neu errichten.

Eine Zentrale des fundamentalistischen Terrors in EU-Nachbarschaft


Wie das von einigen - auch hierzulande - ersehnte Ende der „unipolaren Welt“ mit den USA als Vormacht und eine multipolare Welt vieler Mächte aussieht, das lässt sich derzeit im Nahen Osten beobachten. Ganz besonders in Syrien: US-Präsident Barack Obama wollte eigentlich – zu Recht – nation building at home betreiben, vergaß aber leider dabei, dass außenpolitische Probleme durch Nichtbeachtung auch nicht kleiner werden. Nun hat er im Nahen und Mittleren Osten ein riesiges Machtvakuum hinterlassen. In Syrien wurde es von den Regionalmächten Türkei, Iran, Saudi-Arabien, Katar und schließlich auch von Russland gefüllt. Die Europäer blieben weitgehend abwesend.

Jetzt hat man in einem mühsamen, viel zu spät begonnenen diplomatischen Prozess angefangen herauszuarbeiten, wie man eine der größten humanitären Katastrophen dieses Jahrhunderts beenden kann. Die Akteure sind dabei zahlreich und haben unterschiedliche Interessen. Dieser Prozess dürfte Politiker und Diplomaten daher noch lange beschäftigen. Und er wird enorme Ressourcen kosten. Nur ist eines klar: Wird der Bürgerkrieg in Syrien nicht beendet, dann wird sich über Jahre hinaus in Europas direkter Nachbarschaft eine Zentrale des fundamentalistischen Terrors befinden. Dann wird die Region weiter destabilisiert, und dann werden noch mehr Menschen vor den Mördern nach Europa fliehen.

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