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Aufgaben in der Flüchtlingskrise - Wie Deutschland Europas Zukunft sichern kann

Das Schicksal Europas und Deutschlands ist in der Flüchtlingskrise eng miteinander verknüpft. Nur gemeinsam können sie Erfolg haben. Deshalb sollte Deutschland jetzt Geld in die Hand nehmen, um Investitionen im In- und Ausland zu tätigen

Autoreninfo

Andrew Denison ist Direktor von Transatlantic Networks, ein Zentrum für politische Beratung und Bildung in Königswinter.

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Die Deutschen haben den Zweiten Weltkrieg, die Teilung und die Wiedervereinigung überlebt. Sie werden sicherlich auch die heutige Flüchtlingskrise überleben. Mit geschickter Staatskunst und klugen Investitionen sollte Deutschland sogar gestärkt aus dieser Krise herauskommen können. Es ist heute reicher als je zuvor. Es ist Zeit für Deutschland, seine Investitionen in Europa und in sein internationales Engagement zu verstärken.

Helmut Kohl, der Vater der deutschen Einheit, soll einmal gesagt haben, dass man Glück hat, wenn man seine Probleme mit Geld lösen kann. Die Ausgabe von besonders langfristigen Anleihen - Deutschland- und Europafonds - die bei den heutigen niedrigen Zinsraten „Geld umsonst“ bedeuten, sollte eine Verdoppelung der deutschen Investitionen ermöglichen. Wappnet sich Deutschland so für die Zukunft, sind höhere Wirtschaftswachstumsraten und Steuereinnahmen zu erwarten - und nebenbei wird Europa gerettet, was ebenfalls als Gewinn gelten kann.

In Europa investieren
 

Deutschland wird nur gestärkt aus dieser Krise gehen, wenn auch Europa gestärkt herauskommt. Europas Stärke ist Deutschlands Stärke - und umgekehrt. Das ist eine grundlegende Realität des heutigen Europas und unterstreicht, warum Deutschland als Erstes seine Investitionen in die Europäische Union erhöhen sollte.

Deutschlands Nettobeitrag an die EU im Jahr 2014 betrug 15,5 Mrd. Euro oder 188 pro Kopf.

Deutschland sollte diesen Beitrag auf 30 Mrd. Euro erhöhen, vor allem, um in die europäische Grenzsicherung und in eine europäische Verteilung der Flüchtlinge zu investieren. Denn eins ist klar: Scheitert Schengen, stürzt der Weltexportmeister. Deutschland sollte, um Schengen zu retten, für die ärmsten acht EU-Länder ein „opt-out“ bei der Flüchtlingsverteilung unterstützen. Das bedeutet, dass die acht EU-Länder, die weniger als die Hälfte des deutschen Durchschnittseinkommens haben (Portugal, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Kroatien, Rumänien, Bulgarien), keine Flüchtlinge aufnehmen müssen.

Deutschland hat bereits sehr viel investiert - politisch und finanziell -, um den Euro zu retten und Griechenlands Verbleib im Euro zu sichern. Ohne Bankenunion,europäische Bankenaufsicht und Bankenversicherung gibt es aber keinen stabilen Euro, so sehr die Politik dies auch verschweigen möchte. Eine richtige Bankenunion fordert zunächst aber auch höhere deutsche Investitionen.

Deutschland sollte mit seinen Investitionen die europäischen Arbeitsmärkte beleben, durch die Einführung eines europäischen „Kurzarbeitergeldes“ und europäischer Arbeitslosenhilfe - wie es sich für einen richtigen Binnenmarkt mit Währungsunion gehört. Schließlich sollte Deutschland mehr in die so wichtige Infrastruktur der europäischen Bildung, Ausbildung und Wissenschaft, insbesondere in der Sicherheit und Nachhaltigkeit der europäischen Energieversorgung und der europäischen Computer- und Kommunikationsnetzwerke, investieren.

Deutschland fit für die Zukunft machen
 

Deutschland muss schnell seine Gesellschaft zur Integration von Migranten befähigen, solange das Land noch reich und demografisch ausgewogen ist. Wenn es gelingt, Einheit in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft herzustellen, ist damit gleichzeitig auch das Demografie-Problem gelöst.

Dabei muss aber klar sein, dass Verfassungstreue die zentrale Bedingung für Religionsfreiheit ist. Die beeindruckende und vorbildhafte Gastfreundlichkeit so vieler Deutscher in den letzten Monaten hat viel für Deutschlands Ruf - und Einfluss - in der Welt getan. Höhere staatliche Investitionen könnten den erfolgreichen Bürgerinitiativen zu größerer Nachhaltigkeit verhelfen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge könnte in ein Ministerium umstrukturiert werden, um den Herausforderungen der Integration politisch und organisatorisch besser gerecht zu werden.

Deutschland ist Europas Wirtschaftsriese. Schafft es Deutschland, die heutige Zahl der arbeitenden Bevölkerung künftig zu halten - oder gar zu erhöhen - wird dies auch so bleiben. Eine Million Einwanderer sind also ein guter Grund, die Arbeitsmärkte jetzt zu öffnen.

Jetzt ist auch die Zeit, in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur zu investieren - neue Schulen, Wohnungen, mehr Sozialarbeiter, Lehrer und Ärzte braucht das Land sowieso. Die Flüchtlinge machen dies nur deutlicher.

Die Zuwanderung kann in vielen Bereichen einen positiven Impuls für Deutschland bedeuten. Jedoch steigt auch die Gefahr von Kriminalität und Terrorismus. Deutschland könnte auch hier seine Investitionen in Polizei und Justiz verstärken, auch um die unterbezahlten, überforderten Beamten, die treu und tagtäglich ihren Dienst tun, nicht im Stich zu lassen.

Verdoppelung der Ausgaben für internationales Engagement
 

Die Bürgerkriege und Flüchtlingskrisen sollten klar machen, dass 25 Jahre nach der Wiedervereinigung Frieden und Wohlstand für Europa teurer zu bezahlen ist, als bisher angenommen. Deshalb sollte Deutschland auch sein Budget für Entwicklung, Diplomatie und Verteidigung erhöhen.

Der für 2016 leicht angestiegene Haushalt des Bundesministeriums für Entwicklung sollte von 7,4 Mrd Euro auf 15 Mrd. verdoppelt werden; das Auswärtige Amt sollte die Ausgaben von 4,8 Mrd. Euro auf 10 Mrd. verdoppeln. In Entwicklung und Diplomatie würden die Deutschen statt circa 150 Euro dann 300 pro Kopf investieren.

Diese Gelder sollten in die Türkei, den Libanon und Jordanien investiert werden, um die syrischen Flüchtlinge dort zu behalten und wieder dorthin zurück zu bringen.

Letztlich sind die vielen Millionen Flüchtlinge unmittelbares Resultat der Bürgerkriege in den benachbarten Regionen Europas. Kriege zu beenden, ist schwierig, aber es ist viel schwieriger, wenn man selbst keine militärischen Möglichkeiten hat. Friedensabkommen spiegeln die militärischen Gegebenheiten auf dem Boden. Kann man diese nicht beeinflussen, kann man auch den Frieden kaum beeinflussen.

Deutschlands Verteidigungshaushalt für das Jahr 2016 umfasst 34,3 Mrd. Euro, ein 4,2-prozentiger Anstieg gegenüber 2015. Dieser sollte sich auf 70 Mrd. Euro verdoppeln, oder von 415 auf 830 pro Kopf.

Addiert man dazu die Verdoppelung der Investition für Europa, Entwicklung und Diplomatie, käme man auf 126 Mrd. Euro oder vier Prozent des Inlandsprodukts. Das wären 1.620 Euro pro Kopf - ungefähr dem entsprechend, was die Amerikaner pro Kopf alleine für das Pentagon ausgeben (circa 1.770 US-Dollar). Ein kleiner Preis für die Sicherung der deutschen Lebensqualität, des europäischen Friedens und der globalen Märkte.

So weitet die Bundesrepublik ihren Einfluss in der Welt von Morgen aus. Deutschland kann nicht ohne ein friedliches, freies, wohlhabendes Europa überleben. Europa kann nicht überleben, solange seine alten, oft eitlen Nationalstaaten sich nicht einigen können.

Mit dem größten Interesse an einem geeinten Europa und den meisten Mitteln, um dies herbeizuführen, ist Deutschland dazu aufgerufen, Europa für die Zukunft zu wappnen. Dafür muss es das Geld sowohl ins Ausland sowie in seine eigene Gesellschaft investieren.

Die Überwindung der gegenwärtigen Flüchtlingskrise wird nicht einfach, aber Deutschland schafft das.

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