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Krim-Krise - Europas Ukraine-Politik ist krachend gescheitert

Die EU hat bei ihrem Krisengipfel zur Ukraine die Chance für eine strategische Neubestimmung verpasst. Mit neuen Sanktionen gegen Moskau und dem Assoziierungsabkommen für Kiew riskiert sie eine weitere Eskalation

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Eric Bonse berichtet seit 2004 aus Brüssel über Europapolitik. Er betreibt auch den EU-Watchblog „Lost in Europe“.

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Von Max Weber wissen wir, dass man Politik nicht an Worten, sondern an Taten und ihren Ergebnissen messen soll. Weber unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. An diesem klassischen Maßstab gemessen, ist die Politik der EU in der Ukraine ein einziges Desaster.

Wenn die Europäer je das Ziel verfolgt haben sollten, in ihrer östlichen Nachbarschaft für Stabilität, Selbstbestimmung und Demokratie zu sorgen, sind sie krachend gescheitert. Von der Ablehnung des „gut gemeinten“ EU-Assoziierungsabkommens durch Ex-Präsident Janukowitsch über das Massaker auf dem Maidan bis hin zur russischen Annektierung der Krim ist alles schief gegangen, was nur schief gehen konnte.

Natürlich wäre es falsch, die Schuld allein bei der EU zu suchen. Die jüngste Eskalation geht eindeutig auf das Konto des russischen Nationalistenführers Wladimir Putin. Mit dem Anschluss der Krim konnten selbst die gewieftesten Brüsseler Strategen im Traum nicht rechnen - auch wenn sie Vergleichbares durchaus schon erlebt haben (man denke nur an die Teilung Zyperns durch die Türkei).

Vor dem Hintergrund der „schwersten Krise seit dem Kalten Krieg“ (Außenminister Frank-Walter Steinmeier) sollte man aber wenigstens meinen, dass die EU nun einmal innehält und ihre Position neu bestimmt. Macht es wirklich Sinn, die gewaltsam amputierte Ukraine im Westen zu verankern - mit jenem Assoziierungsabkommen, das die Krise überhaupt erst ausgelöst hat? Bringen uns Sanktionen näher an das Ziel einer Verhandlungslösung? Wie könnte eine dauerhafte Stabilisierung und Befriedung der Region gelingen?

Eine Strategiedebatte hat nicht stattgefunden
 

Doch auch beim zweiten EU-Krisengipfel zur Ukraine binnen 14 Tagen wurden diese zentralen Fragen ausgeklammert. Eine Strategiedebatte hat nicht stattgefunden, nur der österreichische Bundeskanzler Faymann gab sich nachdenklich und empfahl das österreichische Modell der Neutralität. Doch sein Denkanstoß ging hoffnungslos im Getöse unter. Wirtschaftssanktionen gegen Russland beherrschten die Debatte, nachdem US-Präsident Obama mit neuen Strafmaßnahmen vorgeprescht war. Zugleich wurde die EU-Assoziierung der Ukraine feierlich besiegelt.

Beides könnte sich noch als Fehler erweisen. Denn zum einen dienen die Sanktionen nicht mehr dem Ziel, Russland zurück an den Verhandlungstisch zu holen, wie man dies in Berlin immer noch standhaft behauptet. Es geht längst um schmerzhafte Strafen. Die Falken in der EU möchten (genau wie die USA) den „Preis“ für die russische „Aggression“ in die Höhe treiben. Die EU-Kommission wurde deshalb beauftragt, einen umfangreichen Katalog von Finanz-, Wirtschafts- und Handelssanktionen vorzubereiten.

Dummerweise ist die EU auf den damit drohenden Handelskrieg mit Russland jedoch nicht im Geringsten vorbereitet. Wenn Putin wie angedroht zurückschlägt, könnte er vor allem kleinere Länder wie die Slowakei oder Österreich empfindlich treffen. Die EU muss also erst einmal die Reihen schließen und Solidarität nach innen organisieren, bevor sie härter auftreten kann. Jetzt rächt es sich, dass man sich völlig unvorbereitet auf einen Konflikt mit Russland eingelassen hat.

Mit ihren „gut gemeinten“ Sanktionen hat sich die EU auf eine schiefe Ebene begeben, ein Ende ist nicht absehbar. Der zweite kapitale Fehler war die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens. Damit schafft die EU nämlich - genau wie Putin auf der Krim - Fakten, die die Fronten weiter verhärten könnten. Zudem lässt sie sich auf eine nicht gewählte, von nationalistischen Hitzköpfen geprägte Regierung in Kiew ein. Warum hat man nicht wenigstens die Wahlen im Mai abgewartet? Ist das die neue Demokratie?

Offenbar hat auch hier die Gesinnungsethik über die Verantwortungsethik gesiegt. Die EU lässt sich von guten Absichten leiten - und von Russland und den USA treiben. Bisher führte diese Politik in die Sackgasse. Wenn nun auch noch eine Sanktionsspirale hinzu kommt, vielleicht sogar ein Handelskrieg, läuft Europa sehenden Auges gegen die Wand. Sage niemand, das sei eben der Preis der Freiheit. Es ist der Preis für eine von Anfang an verfehlte, letztlich unverantwortliche Politik.

 

 

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