Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
() Umstrittenes iranisches Atomprogramm
Wie gefährlich ist Iran?

In der April-Ausgabe 2005 beschrieb Cicero-Autor Bruno Schirra die Iran-Verbindung des Top-Terroristen Al Zarqawi. In diesem Text beleuchtet er Teherans Atomwaffenträume.

Lesen Sie auch: "Ein falscher Messias" von Jörg Lau "Kanonenfutter der Mullahs" von Matthias Küntzel "Der talentierte Mr. Atom" von Antonia Rados Mohammad Ali Abtahi ist ein Mann mit müde gewordener Stimme. Einer, den sein Glaube zielstrebig in die Politik geführt hat, was ihn, so scheint es, nach langen Jahren als Teilhaber der Macht zunächst in melancholische Gelassenheit, schließlich in tiefe Resignation getrieben hat. Nun sitzt er in seinem zerschlissenen Sessel und starrt mit trüben Augen in die Welt. Sein Gesicht ist vor der Zeit alt und grau geworden. Eigentlich ist der Mullah Mohammad Ali Abtahi mit 47 Jahren noch ein recht junger Mann. Einer, der vor vielen Jahren voll Elan und Zuversicht in die Welt und in die Zukunft geblickt hat, mit rundem pausbäckigem Gesicht und listigen Augen, aus denen immerfort der Schalk zu blitzen schien. Hat für seinen Gott gekämpft, für dessen Gerechtigkeit, auf dass sie Einzug halten möge in den gemäß Verfassungstext „Einzigen Gottesstaat auf Erden“. Zuletzt tat Abtahi dies in seiner Funktion als Vizepräsident der Islamischen Republik Iran. Zwei Tage vor unserem Gespräch war er von seinem Amt zurückgetreten, zermürbt von den ständigen Kämpfen mit den radikalen Hardlinern der Madschlis. Im Parlament in Teheran ist den radikalislamistischen Parteien Irans bei den Wahlen im Frühjahr 2004 ein Durchmarsch gelungen. „Machen wir uns nichts vor“, begann Mohammad Ali Abtahi unser Gespräch: „Auch wenn der Wächterrat vor der Wahl die meisten reformorientierten Kandidaten von der Parlamentswahl ausgeschlossen hat – für die Reformer in Iran war diese Wahl 2004 eine Katastrophe. Das Volk hat uns im Stich gelassen.“ Allen Boykottaufrufen der Reformer zum Trotz hatten die iranischen Wähler in Scharen an diesen Parlamentswahlen teilgenommen. Der Boykott, einziges Mittel der iranischen Reformer, sich noch als politisch relevante Macht im Land zu präsentieren, fand nicht statt. Sogar in Teheran, der Metropole des Gottesstaates, die tatsächlich so etwas wie weltläufige Nischen aufzuweisen hat, gingen knapp 50 Prozent der Wähler an die Urnen und wählten mehrheitlich konservativ oder radikalislamistisch. Herr Abtahi hat sich in seiner Analyse an diesem Oktobertag in tiefem Pessimismus verloren: „Diese Wahl bedeutet das Scheitern jeder Reform. Das Ergebnis ist eine hohe, eine sehr hohe Mauer, die radikalislamistischen Realitäten der Islamischen Republik sind damit auf Jahre festzementiert und die Vision einer demokratischen islamischen Zivilgesellschaft zunichte gemacht. Sie kennen den Fall Ateqeh Rajabi?“, fragt er dann leise. „Was ist mit Ateqeh Rajabi?“ Herr Abtahi hört die Frage, seine Stimme klingt jetzt noch müder, verzweifelt schwach. Er hat sich mit dem Fall der Ateqeh Rajabi beschäftigt. Er weiß genau, dass es unzählige Fälle wie diesen in seiner Islamischen Republik gibt, weiß, dass es Fälle wie diese auch in all den acht Jahren des reformerischen Aufbruches der Präsidentschaft seines Freundes Chatami immer gegeben hat, weiß, dass es diese Fälle sind, an denen sich beispielhaft erklären lässt, warum die Reformer seines Landes scheitern mussten. Denn solange die Scharia, das islamische Rechtssystem, die einzige verfassungsmäßige Grundlage der Islamischen Republik Iran ist, so lange sind demokratische Reformen tatsächlich nicht durchsetzbar. Nicht gegen die Widerstände der islamistischen Justiz, der islamistischen Revolutionswächter, des islamistischen Machtapparates des Obersten Geistlichen Führers Irans, des Ayatollah Ali Khamenei. Für all jene, denen die Scharia unbedingte Richtschnur ihres Handelns ist. An diese Wahrheit hat sich Herr Abtahi an diesem Oktobertag in den Stunden des Gespräches herangetastet, hat um sie herumgeredet, vorsichtig, müde und resigniert. Nur aussprechen kann er diese Wahrheit nicht, denn Mohammad Ali Abtahi ist ein Mullah. „Das“, so sagt er, „kann ich nun mal nicht ablegen, auch wenn ich nichts, was mit Ateqeh Rajabi geschah, für richtig halten kann.“ Ateqeh Rajabi wurde gehängt, eine ganze Stunde lang baumelte sie am Strick, an diesem Kran in Neka, einer kleinen Stadt im Norden Irans. Um sechs Uhr in der Früh des 15. August 2004 wurde sie gehängt, gehängt, bis ihre Beine endlich nicht mehr zuckten. Es dauerte elf Minuten, elf Minuten währte ihr Todeskampf. Die Einwohner von Neka, sie waren alle gekommen, um sich ihr Sterben mit eigenen Augen anzusehen. Sie standen und starrten, stumm und ohne Regung. Da selbst der Henker von Neka sich geweigert hatte, seines Amtes zu walten, schritt der Richter von Neka, der Hadji Rajai selbst zur Tat, legte ihr eigenhändig das Hanfseil um den Hals und zog sie am Kran hoch. Ateqeh Rajabi war 15 Jahre und sieben Monate alt, als sie starb. Ihrem Richter, dem ehrenwerten Hadji Rajai, war es eine Herzensangelegenheit, in aller Strenge seines Amtes zu walten. Schließlich war das Mädchen Ateqeh Rajabi „eine Verderberin der Moral, noch viel schlimmer als eine Hure“. So hatte der Hadji Rajai argumentiert, als sein erstinstanzliches Todesurteil im rechtsstaatlichen Weg vor dem Obersten Gerichtshof der Islamischen Republik Iran auf seine Gültigkeit geprüft wurde. Das Verfahren, der Gang durch die Instanzen, dauerte keine vier Wochen. Dann bestätigten die obersten Richter Allahs, dem Rechtsgut der islamischen Scharia entsprechend und zum höheren Wohle islamischer Moral, das Todesurteil gegen Ateqeh Rajabi. Sie war schuldig, denn Ateqeh Rajabi war vor Zeugen Händchen haltend mit einem zehn Jahre älteren Mann im Park von Neka gesehen worden; es stand zu vermuten, dass es eben nicht beim Händchenhalten geblieben war. Zumal sie sich nicht zum ersten Mal derart öffentlich „prostituiert hatte“. Also sprach der Richter von Neka, Hadji Rajai. „Ich bin keine Hure, ich bin noch Jungfrau“, hatte Ateqeh Rajabi während der Gerichtsverhandlung dem Hadji Rajai ins Gesicht geschrien, dann den Tschador sich hochgerissen, die Beine gespreizt, mit dem Finger auf die eigene Scham gedeutet und dem Richter ein „Sieh selber nach!“ entgegengeschleudert. Über diesen Vorgang, und auch darüber, was eine solche Todesjustiz für sein Land bedeutet, sprach Mohammad Ali Abtahi an diesem Oktobertag. Dass angesichts einer solchen Justiz kein Menschenrechtsdialog zu führen sei, „auch keiner zwischen Europa und den wahren Machthabern in meinem Land“. Als einen „Dialog zwischen Taubstummen“ hatte am Tag zuvor ein westlicher Botschafter diesen Prozess beschrieben. Und dann das feine Bukett einer trocken ausgebauten Spätlese bewundert. Nach dieser Geschichte hat Mohammad Ali Abtahi sich an diesem Oktobertag in seinem „Zentrum für den religiösen Dialog“ aus dem Sessel erhoben und dem Besucher eine letzte Warnung mit auf den Weg gegeben: „Wir haben hier in unserem Land mächtige rechtsextreme Machtgruppen. Sie können bei der nächsten Präsidentschaftswahl die letzte Bastion der Reformer zurückerobern. Das nächste halbe Jahr wird nicht nur für Iran die gefährlichste Zeitspanne seit langem sein. Vielmehr gilt das auch für Europa und die Vereinigten Staaten.“ Monate später ist, zur Verblüffung aller westlichen Experten und Beobachter, bei der Präsidentschaftswahl in Iran der Teheraner Bürgermeister Mahmud Ahmadinedschad mit deutlicher Mehrheit zum neuen Präsidenten der Islamischen Republik Iran gewählt worden. Der Kandidat der Reformer landete weit abgeschlagen. Morgens um drei Uhr erreicht mich eine Mail: „Ich habe alles getan, ich habe verzweifelt gekämpft. Es war alles umsonst. Wir alle haben versagt. Unser Land, es wird verloren sein.“ Absender: Mohammad Ali Abtahi. Seine Verzweiflung hat ihren Grund, denn mit der Wahl von Ahmadinedschad haben die radikalislamistischen Hardliner nun sämtliche Schaltstellen der Macht in Iran zurückerobert. „Ahmadinedschad“, so schreibt Abtahi, „ist ein Visionär. Er träumt von einer zweiten, der islamistischen Revolution in Iran. Er ist der Vertreter der Rechtsextremisten, vor denen ich Sie gewarnt habe. Ich war immer gegen Ahmadinedschab“, schreibt er weiter, „wir haben immer gegen ihn und gegen die, die hinter ihm stehen, gekämpft. Aber jetzt sind wir vernichtend besiegt worden. Was uns und auch was euch bevorsteht, ist die lange Nacht der Finsternis, von der ich damals gesprochen habe.“ Hinter Abtahis Worten steht die Angst, dass nun, da alle Machtzentren in den Händen radikalislamistischer Machtgruppen um den Obersten Geistlichen Führer Ayatollah Ali Khamenei vereinigt sind, „diese Leute die nukleare Karte genauso spielen wie die des globalen Terrors“. Tatsächlich stellt der neue Präsident gleich nach seinem triumphalen Wahlsieg klar, dass „wir die islamische Revolution nicht gemacht haben, um die Demokratie einzuführen“. Seinen jubelnden Anhängern hämmert er seine Ziele ein. „Unsere Revolution versucht eine weltweite Herrschaft zu erreichen“, und weiter: „Ich bin ein reiner Fundamentalist.“ Diese Sätze propagiert er landauf, landab, geißelt „westliche Dekadenz“, verspricht „die strengste Auslegung der religiösen Vorschriften der Scharia“. International anerkannte Konventionen zu Frauenrechten sind ihm „eine tödliche Beleidigung der Werte des Islam“. Da spricht nicht so sehr ein gläubiger Muslim, vielmehr einer, der weiß, dass er im Besitz der einen, der reinen Wahrheit ist. Die Massen folgen ihm. Im kleinen Kreis seiner Getreuen offenbarte Irans neuer Staatspräsident Mahmud Ahmadineschad seine große Vision. Sie stammt aus den Tagen der islamischen Revolution 1979. Jetzt birgt sie eine neue Sprengkraft in sich. „Die neue islamische Revolution“ werde, so Ahmadineschad, „die Wurzeln des Unrechts in der ganzen Welt abschneiden. Die Ära der gottlosen Regime, der Tyrannei und der Ungerechtigkeit hat ihr Ende erreicht“, prophezeit er. „Die Welle der islamischen Revolution wird bald die ganze Welt erreichen.“ Deren Feinde, so scheint es, hat der neue iranische Staatspräsident schon immer gnadenlos verfolgt. Die österreichische Staatspolizei besitzt Informationen, die nahe legen, dass Ahmadinedschad zur „Reserve“ des Killerteams gehörte, das am 13. Juli 1989 in Wien den Kurdenführer Abdulrahman Qassimlou ermordete. Den Befehl zum Mord gab der damalige Staatspräsident Rafsandschani. Ein jetzt aufgetauchter Zeuge, der aus Sicherheitsgründen nur „D.“ genannt wird, hat detailliertes Insiderwissen der österreichischen Polizei offenbart.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.