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() Katharina Ziolkowski berät in Fragen der Cybersicherheit

Cybersicherheit - Von Star Trek zu Cyberwar

Von sozialen Netzwerken hält sie sich fern, und internetfähige Handys sind ihr ein Gräuel. Katharina Ziolkowski warnt davor, die Gefahren des Internets zu unterschätzen. Die Juristin wird wohl wissen warum – sie berät die Nato-Staaten in Fragen der Cybersicherheit.

Das Schild am Eingang zur Hamburger Bundeswehr-Führungsakademie verdeutlicht die Stimmung: „Gefahrenstufe Alpha“ steht dort, das ist die niedrigste Bedrohung. Ganz anders verhält es sich mit den Risiken, vor denen Katharina Ziolkowski warnt: Sie sind unsichtbar, ortsungebunden; sie lauern in den Weiten des Internets, im Cyberspace.

„Ich habe sehr viel Fantasie, deshalb will ich die Schreckensszenarien, die ich mir wirklich ausmalen könnte, gar nicht formulieren“, sagt die Juristin vorsichtig. Nur ganz grob umreißt die Rechtsberaterin der Bundeswehr nach einer Pause ihre Gedanken: „Was ich tatsächlich in der Zukunft für möglich halte, ist der Missbrauch des Internets durch Terroristen.“ Bisher seien es Computerviren oder Hackerangriffe gewesen, die eher zufällig sicherheitsrelevante Systeme lahmgelegt hätten. Je weiter sich die Vernetzung aber entwickle, desto größer werde auch die Verletzbarkeit der Systeme, glaubt die 37-Jährige. Auf die Frage, ob sie sich gezielte Attacken etwa auf einen Atomreaktor vorstellen könnte, schweigt die Juristin beredt.

Und dann bringt sie doch ein plakatives Beispiel; die wissenschaftliche Neugierde am Gedankenspiel siegt über ihre Zurückhaltung: „Statt wie am 11.September 2001 ein Flugzeug zu entführen, könnte man die Kontrollzentrale eines Flughafens übernehmen und durch eine Änderung der Flugkontrolldaten zwei Flugzeuge zusammenstoßen lassen.“ Was man früher physikalisch und mechanisch steuern musste, könne man heute durch einen Virus aus weiter Distanz bewirken, erklärt sie. Aber eigentlich sind solche Schreckensszenarien nicht Ziolkowskis Lieblingssujet, als Juristin ist sie es eher gewohnt, kleinteilig und nüchtern zu denken.

Wie sehr das Bewusstsein für Cybersicherheit geschärft werden müsse, macht sie daher an einem anderen Beispiel deutlich: Die für den Staat kritischen Bereiche­ sind eng mit der Funktionsfähigkeit der Informations- und Kommunikationsnetze verknüpft. „Aber die Mehrheit dieser Infrastruktursysteme, wie die Energie- und Lebensmittelversorgung, liegt in privaten Händen. Und damit auch die Cybersicherheit. Das halte ich für bedenklich“, sagt Ziolkowski.

Ihre Begeisterung fürs Internet sei die Spätfolge von Science-Fiction-Filmen wie Star Trek oder Matrix, bekennt die Wahlhamburgerin leicht verlegen. Tatsächlich bleibt sie auch in ihrer Freizeit dem Thema treu und liest und liest:. „Ja, ich gestehe es: Ich bin ein bisschen ein Workaholic, Hobby und Beruf haben sich bei mir wegen meines Interesses an Cybersicherheit vermischt.“ Dennoch – oder gerade deswegen – gehe sie sehr vorsichtig mit sozialen Netzwerken wie Facebook um. Auch halte sie sich von internetfähigen Handys fern, denn die könnten leicht gehackt werden. „Ich bin nicht paranoid, aber ich kenne die Gefahren.“

In ihrem Studium in Berlin und Barcelona befasste sie sich eher mit traditionellen Themen wie dem Völkerrecht. „Aber ich wollte immer schon praktisch arbeiten“, erzählt Ziolkowski. „Auf die Bundeswehr kam ich, als ich einen Bericht über den Einsatz in Afghanistan sah. Bei den Auslandseinsätzen spielt das Völkerrecht ja eine große Rolle.“ 2004, gleich nach ihrer Promotion, bewarb sie sich dort, wurde angenommen und in einem Sonderprojekt eingesetzt: Sie sollte das Internet vom juristischen Standpunkt aus betrachten. Ziolkowski arbeitete sich in den Aufbau des Netzes, seine Architektur und Historie hinein. Ihr Glück sei es gewesen, dass ihre Kollegen ihr die physikalischen Grundlagen erklärt hätten: „Das waren Techniker, ich bin Juristin, man sprach zwei verschiedene Sprachen.“ Danach sei sie einfach ihrem Wissensdurst gefolgt und habe grundlegende Fragen geklärt: wer etwa im Netz wofür zuständig sei, wer es ordne und wer es pflege, wer die Domains vergebe und für die Instandsetzung und Instandhaltung von Internetroutern zuständig sei.

Alles scheinbar rein technische Fragen – und doch der Schlüssel zum Verständnis des Netzes. Bei der Suche nach den Antworten auf diese komplexen Fragen, erzählt Ziolkowski, habe sie sich auf einen grundlegenden Charakterzug verlassen: ihre Neugierde. „Routine finde ich nicht sehr spannend“, sagt sie mit einer wegwerfenden Handbewegung – und muss über sich selbst lachen.
Folgerichtig hat sie sich – in ihrer üblichen Sorgfalt – auch auf einen möglichen Auslandseinsatz mit der Bundeswehr vorbereitet. Freiwillig holte sie die militärische Grundausbildung innerhalb eines Monats nach, robbte wie die anderen Wehrdienstleistenden durch den Schlamm, lernte schießen.

Vor allem aber ist die Juristin als Expertin für das Cyberspace international gefragt. Über eine Zwischenstation an der Nato-Schule in Oberammergau ging es in die USA. Dort vermischten sich im Laufe der vier Jahre, die Ziolkowski als Dozentin an der JAG-Schule, der Ausbildungsstätte für US-Militärjuristen, verbrachte, alle ihre Akzente: „Ich habe einen Teil meines Studiums in Barcelona gemacht, habe durch einen Elternteil einen polnischen Hintergrund, und dann kam noch das amerikanische Ostküstenenglisch hinzu.“
Heute berät sie das Cooperative Cyber Defense Centre, den renommierten Thinktank der Nato für Cybersicherheit im estnischen Tallinn, und arbeitet an ihrem Lieblingsthema, den Bedrohungen durch das Internet. Und wie managt sie die ständigen Ortswechsel? „Zum Glück unterstützt mich die Bundeswehr bei dem Umzug, auch wenn mein kleiner Ein-Personen-Haushalt locker in einen Laster passt.“

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