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Der Prinz der Demokratie

Für die bunten Blätter ist er ein smarter Gesellschaftslöwe, für die muslimische Religionsgemeinschaft der Ismaeliten ein charismatischer Führer – doch längst ist Prinz Karim Aga Khan weltweit zu einer Zentralfigur demokratischer Erneuerungsbewegungen geworden.

Macht, Reichtum, Glamour: Wohl kaum ein Protagonist der Zeitgeschichte ist schon zu Lebzeiten eine derart mythische Figur geworden wie Karim Aga Khan, mit offiziellem Titel „His Highness Prince Aga Khan IV.“. Was ist das für ein Mann, bei dem sich die Aura eines religiösen Oberhaupts mit dem luxuriösen Lebensstil des smarten Jetset-Kosmopoliten amalgamiert und der mit seiner international agierenden Entwicklungshilfeorganisation an den Brennpunkten politischer Konflikte arbeitet? Wer ist dieser geistliche Führer im Maßanzug, der alle Klischees eines rückwärtsgewandten Islamismus unterläuft? Auch wenn ihn die Regenbogenpresse gern zum schillernden Society-Event stilisiert – sein historischer Hintergrund und seine Bedeutung für die Weltpolitik werden selten thematisiert. Alles wird überstrahlt von den Ondits über seinen unermesslichen Reichtum, seinen Rennstall, seine Frauen. Dabei reicht der Ruhm seiner Familie weiter in die Geschichte zurück als bis zu seinem Vater Aly, der einst die Hollywood-Diva Rita Hayworth heiratete. Karim Aga Khan ist der 49. Imam der Nizari-Ismaeliten, einer Glaubensgemeinschaft von etwa 20 Millionen schiitischer Muslime, die weltweit in über 25 Ländern leben. Für sie hat er den Nimbus göttlicher Allwissenheit – schließlich wird er als leiblicher Nachkomme des Propheten Mohammed angesehen. Diese genealogische Herleitung erklärt, warum die Ismaeliten ihrem Oberhaupt traditionell tief ergeben sind: Für sie ist der Imam nichts weniger als der lebendige Beweis Gottes und die absolute Instanz für alle Glaubensfragen. Der Großvater des jetzigen Aga Khan, Sultan Muhammad Shah al-Husayni, Aga Khan III. wurde dermaßen verehrt, dass seine Anhänger ihn zum Goldenen Imamatsjubiläum 1935 in Gold aufwogen, zum Diamantenen Jubiläum zehn Jahre später sogar in Diamanten – eine spektakuläre Huldigung, die Assoziationen an die sagenumwobenen Herrscher aus Tausendundeiner Nacht weckt und bis heute die Fantasien beschäftigt. Nicht von ungefähr: Schon immer umgab die Ismaeliten ein Geheimnis. Da sie durch meist muslimische Gegner hunderte von Jahren erbittert verfolgt wurden, lebten sie lange im Verborgenen, ihre Lehren galten als Geheimwissen, und die Strategie der Verbergung (taqiyya) wurde zum Prinzip ihrer religiösen Praxis. In den vergangenen 150 Jahren jedoch fand eine bemerkenswerte Transformation statt. Immer offener bekannten sie sich zu ihrem Glauben, die Strukturierung und Modernisierung ihrer Gemeinschaft wurde zum vorrangigen Projekt. Inzwischen haben sich die Nizari-Ismaeliten trotz der geografischen Zersplitterung in der Diaspora zu einer bestens organisierten, wohlhabenden Glaubensgemeinschaft entwickelt – mit dem Global Player Aga Khan IV. als ihrem Oberhaupt. In Gold würde er sich wohl kaum aufwiegen lassen – aber noch heute spenden die Ismaeliten zehn Prozent ihres Einkommens dem Aga Khan. Sein Vermögen, das auf acht Milliarden Dollar geschätzt wird, betrachtet er als Eigentum aller Ismaeliten. Der Islamwissenschaftler mit Harvard-Abschluss versteht sich als Erneuerer und Förderer des Gemein-wesens und steht für einen offenen, toleranten Islam, der sowohl den intellektuellen als auch den kulturellen Diskurs sucht. Eine „Brücke zwischen Glauben und Gesellschaft zu schlagen“ – das ist das Credo des Aga Khan. Und alles andere als selbstverständlich. In Zeiten eines aggressiven islamischen Fundamentalismus ist diese Botschaft ein überraschender Kontrapunkt zur These des „clash of civilizations“, die mit den islamischen Terrorakten der vergangenen Jahre schlüssig belegt schien. Unbeirrt bekennt sich der Aga Khan zur Demokratie, und immer wieder weist er darauf hin, dass Demokratie und Islam kein Widerspruch sein müssen. Im Gegenteil: Sein Demokratieverständnis definiert sich verblüffenderweise gerade durch die Tradition des Islam. Seit dem Tode Mohammeds, so der Aga Khan, hätte man die Führungspersönlichkeiten stets durch öffentliche Wahlverfahren ernannt, nach den Kriterien von Verdiensten und Kompetenzen. Nicht Griechenland oder Frankreich also ist für ihn die Wiege der Demokratie, sondern die Konsensgesellschaft des frühen Islam. Damit hat er sich als höchst origineller Vordenker auf der politischen Weltbühne positioniert, denn er verknüpft seine islamische Ethik mit einer bemerkenswert effizienten Entwicklungshilfearbeit, die sich jenseits des modischen Charity-Aktionismus konsequent um strukturelle Aufbauarbeit in Krisenregionen bemüht – mit dem Ziel, nicht nur Notleidenden rasch zu helfen, sondern langfristig pluralistische Zivilgesellschaften zu schaffen. Dass es ihm ernst damit ist, belegt unter anderem sein soeben gegründetes „Global Center for Pluralism“, das weltweit vernetzt eine demokratische Diskurskultur aufbauen will. Das Plädoyer für Pluralismus und die politische Grundierung seines Engagements machen ihn zu einer Ausnahmeerscheinung und zum Visionär einer befriedeten Weltgesellschaft, in der Armut und Terrorismus mit den gleichen Mitteln bekämpft werden: durch eine nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen. In einer Rede bei der Jahreskonferenz der deutschen Botschafter 2004 in Berlin betonte er, dass die Gefahr des Terrorismus wesentlich mit den ungelösten sozialen und kulturellen Modernisierungsfragen armer Länder verknüpft sei. Besonders die zentralasiatischen Staaten sind hier in seinem Blickfeld – allein 80 Millionen Dollar spendete er für den Wiederaufbau Afghanistans, und in Tadschikistan gründete er die „University of Central Asia“, weil er eine Kultur der Meinungsführer und Eliten fördern will, die durch die Wirren von Bürgerkrieg und Verfolgung zerstört wurde. Die Unterstützung intellektueller Erneuerung wird ergänzt durch eine beeindruckende Basisarbeit der kleinen Schritte: In Nordpakistan beispielsweise hat er im Laufe von zwanzig Jahren fast viertausend dezentrale Entwicklungsorganisationen in entlegenen ländlichen Gebieten initiiert, die sich mit so unterschiedlichen Fragen wie Wassernutzung, Frauenrechten oder Kredit-vergaben beschäftigen. Dort ist mitt-lerweile nicht nur ein außergewöhnliches Wirtschaftswachstum zu verzeichnen, bei den Kommunalwahlen waren überdies genau jene Kandidaten erfolgreich, die sich mithilfe dieser Organisationen für die Dorfgemeinschaft einsetzten. Als „Bollwerk demokratischer Prozesse“ versteht der Aga Khan daher seine Aktivitäten. Dafür ist er in den vergangenen Jahren mit einer Fülle von Ehrungen ausgezeichnet worden – und auch er vergibt Preise. Besonders liegt ihm die Architektur am Herzen, deshalb stiftete er den weltweit am höchsten dotierten Preis für islamische Architektur. Eine „kulturelle Sprache der Gesellschaft“ soll mit diesem Preis gefördert werden. Zentrales Instrument seiner Arbeit ist das Aga Khan Development Network (AKDN), das weltweit größte private Hilfswerk. Es ist eine Entwicklungshilfe, Bildungs- und Kulturorganisation, die erklärtermaßen allen Menschen, unabhängig von Herkunft oder Religion offen steht, vor allem aber in jenen Ländern aktiv ist, wo Ismaeliten leben – in Asien, Afrika, im Nahen und im Mittleren Osten. Die Organisation wird aus dem Vermögen des Aga Khan finanziert, hinzu kommen Einnahmen durch Spenden und öffentliche Preise. Auch die Geldsumme, die mit dem deutschen Quadriga-Preis verbunden ist, fließt in seine Projekte. Wer weiß, vielleicht wird ein Student der „University of Central Asia“ mit einem Stipendium des AKDN Deutsch lernen und eines Tages den Dialog suchen statt der Konfrontation. Dann hätte sich eine Vision des Aga Khan erfüllt.

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