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Stilberater Thomas Rath - Modetipps wie bei Monty Python

Mit Thomas Rath hat es eine Kopie von „Brüno“ zum Mode-Oberlehrer geschafft, die Binsenweisheiten zum Geheimtipp erhebt. Leider ist der selbsternannte Stil-Zar keine fiktive Figur von Hape Kerkeling oder Monty Python, sondern ganz real 

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Tatü, tata, die Stil-Polizei ist da! Mit grell blinkendem Blaulicht und überlautem Martinshorn drängeln und quengeln sich die Beamten des angeblich guten Geschmacks durch die deutsche Medienlandschaft, um allenthalben arglose Passanten zu ermahnen: „Wie lauft Ihr denn hier rum? Zieht Euch gefälligst richtig an! Geht ja wohl gar nicht!“

An jeder Ecke Mode-Oberlehrer


An jeder Ecke lungern maßregelnde Mode-Oberlehrer herum, die mit erhobenem Zeigefinger angelaufen kommen, sobald sie jemanden entdecken, der die falschen Schuhe zur falschen Hose trägt. Dann wird gejammert und lamentiert von wegen, die Deutschen hätten einfach keinen Geschmack und wie überlegen doch der italienische Mann seinen teutonischen Artgenossen in Kleidungsfragen sei.

Die gescholtenen Mode-Ignoranten blicken sogleich peinlich berührt an ihren schlecht sitzenden Anzügen von der Stange herunter und nehmen demütig ihre Lektion entgegen. Schlimm genug, dass dieses Reiz-Reaktions-Schema in unserem Land immer noch funktioniert.

Noch viel schlimmer aber ist die Auswahl jener, die als selbsternannte Dressing-Fachleute ihre seit Jahren immer gleichen Dressur-Nümmerchen vollführen.

Ist Thomas Rath nicht eigentlich Hape Kerkeling?


In letzter Zeit tut sich auf diesem Gebiet besonders penetrant ein gewisser Thomas Rath hervor, dessen Qualifikation darin besteht, Juror in einer Casting Show von Heidi Klum sowie Trainee bei einer unterfränkischen Bekleidungsfirma gewesen zu sein. Vergangene Woche sah ich ihn in der NDR-Talkshow, jetzt ist auch noch sein Buch „Der Fashion Rath für den Mann“ auf meinem Schreibtisch gelandet. Der Mann hat Erfolg, das sei ihm gegönnt. Allerdings habe ich Thomas Rath im Verdacht, dass es sich bei ihm in Wahrheit um Hape Kerkeling handelt, der unter falschem Namen einen Stil-Experten parodiert. Jedenfalls erinnerte sein geckenhafter Auftritt im NDR stark an „Brüno“, Sacha Baron Cohens Ulkfigur eines homosexuellen Modejournalisten aus Österreich.

Zwischen Paradiesvögeln und Billiy Regalen


Als Begleittext für diese Satire ist „Der Fashion Rath für den Mann“ absolut lesenswert, hier versammeln sich nämlich auf engem Raum sämtliche Stil-Blüten, die dieses Genre je hervorgebracht hat. Dass der Autor seine Leser noch dazu permanent duzt, ist absolut konsequent, denn für sie ist die Rolle der Fleißkärtchen sammelnden Grundschüler vorgesehen. Womöglich stand aber auch der familiäre Ikea-Jargon des schwedischen Möbelhauses mit seinen pfiffigen Einrichtungsideen Pate; ästhetische Parallelen sind jedenfalls unverkennbar.

So schreibt uns Thomas Rath beispielsweise folgende schöne Weisheit ins Stammbuch: „Wer zu bunt herumläuft, wird schnell als Paradiesvogel abgestempelt, was häufig ungerechtfertigt ist, weil dieser Stempel von manchen Zeitgenossen eindeutig zu oft und vorschnell verwendet wird. Wer aber alles nur Ton in Ton trägt, wirkt trotz modischer Schnitte schnell altmodisch, spießig und schlicht wahnsinnig boring.“ Noch ein buntes Teelicht fürs weiße Billy-Regal gefällig?

Apropos altmodisch, spießig und wahnsinnig boring: Die Ratschläge des Düsseldorfer Lifestyle-Fachmanns sind ungefähr so spannend und originell wie die Rezepte aus dem Maggi-Kochstudio. „Viel wichtiger ist es, dass die Kragenweite passt. Die kannst du schon ermitteln, indem du mit einem Maßband deinen Halsumfang misst.“ Das ist ja unerhört! „Lass dir lieber deine Initialen als farbiges Monogramm auf die Manschette sticken und die Knöpfe mit demselben Garn annähen.“ Auch gut! Oder der hier: „Bitte unter dem Hemd kein T-Shirt tragen.“

Da vermisse ich eigentlich nur noch eine Info-Grafik zum Zubinden von Schnürsenkeln oder den ultimativen Geheimtipp, dass man in Sandalen keine Socken tragen sollte. Doch halt, hier steht es ja, auf Seite 61: „Ob Socke, Strumpf oder Füßling: Getragen werden können sie nur in geschlossenen Schuhen, eine Sandale mit Socke ist das heimliche Erkennungszeichen des deutschen Urlaubers im Ausland.“ Mich würde interessieren, wo und wann Thomas Rath zum letzten Mal Urlaub gemacht hat: Rimini 1993? Oder war es die Busreise an den Plattensee vor 16 Jahren?

„Der Fashion Rath“: so innovativ wie Kochmagazine aus den Siebzigern


„Der Fashion Rath für den Mann“ liest sich über weite Strecken wie eine Ausgabe des Magazins „Essen und Trinken“ aus den Siebzigern, in der Wolfram Siebeck seinen Lesern erstmals Olivenöl als Alternative zu Butterschmalz empfiehlt. Das ist auf Dauer zwar etwas ermüdend, hat aber einen gewissen nostalgischen Reiz.

In seinen stärksten Momenten erreicht Thomas Raths Fibel allerdings schieres Monty-Python-Niveau: „Damit meine Haut schön glatt bleibt und nicht verunreinigt wird, wasche ich mein Gesicht abends mit lauwarmem Wasser.“ Erstklassig auch folgender Hinweis: „Mann trägt Uhr. Je größer, desto besser. Muss keine Rolex sein, kann aber.“ Düsseldorf lässt grüßen.

Wie gesagt: Als Satire ist „Der Fashion Rath für den Mann“ ein gelungenes Buch, und Hape Kerkeling würde seine Sache als gefakter Stilexperte echt prima machen. Sollte die ganze Chose jedoch ernst gemeint sein, wäre das Grund genug für einen Protestmarsch über die Königsallee in Thomas Raths Heimatstadt. Und zwar in Socken und Sandalen.

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