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Männer und Mode - Ran an die Manschetten!

Es gibt grauenhafte, fürchterliche Manschettenknöpfe. Das sollte uns aber nicht dazu verleiten, das Accessoire ganz zu beerdigen. Manschettenknöpfe müssen schlicht und dezent sein. Ein fein gefasster Onyx oder Lapislazuli – fertig

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Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Nur oberflächliche Menschen behaupten, Mode sei oberflächlich. Natürlich hat Mode mit der äußeren Erscheinung zu tun, mit der Oberfläche, wenn man so will, aber die Oberfläche lässt mitunter tief blicken.

Und da wir trotz aller Suche nach Individualismus immer auch Teil einer Gesellschaft sind, die – Pluralismus hin, Pluralismus her – einen gemeinsamen Code hat, sagen modische Marotten auch eine Menge über ein Gemeinwesen aus. Manche Dinge bleiben aber auch rätselhaft, insbesondere die Details. Nehmen wir zum Beispiel – Hemdmanschetten.

Betrachtet man die Kollektionen englischer „Shirtmaker“ von Thomas Pink und T.M. Lewin über New & Lingwood bis zur altehrwürdigen Institution Turnbull & Asser, wird man feststellen, dass das britische Standardhemd – und sei es noch so modisch – eine Umschlagmanschette hat. Die heißt auf der Insel „Double Cuff“ oder auch „French Cuff“. Natürlich bieten die Häuser der Jeremyn Street auch geknöpfte Manschetten an – „Barrel Cuffs“ –, die absolute Mehrzahl der Hemdenmodelle hat jedoch eine Doppelmanschette.

Anders in Deutschland: Das deutsche Normalhemd hat eine geknöpfte Manschette, die man hier etwas euphemistisch „Sportmanschette“ nennt. Zwar bekommt man auch in Deutschland Doppelmanschetten, manchmal werden sie sogar getragen, doch das ist die Ausnahme. Doppelmanschetten trägt man in Deutschland bestenfalls zu den ganz besonderen Anlässen: Zu den großen Familienfesten, zu Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen, und vielleicht noch in die Oper – sofern man da nicht gleich in Jeansjacke und T-Shirt hinlatscht.

Was erklärt die deutsche Reserviertheit gegenüber Doppelmanschetten?
 

Mit ästhetischen Aspekten kann die deutsche Reserviertheit gegenüber der Doppelmanschette nicht erklärt werden: Denn Doppelmanschetten sehen einfach besser aus als ihre etwas armseligen, knopfgeknöpften Verwandten. Das liegt zum einen an dem gefalteten Stoff. Der macht den Ärmelabschluss stabiler, klarer und formschöner. Einfache Manschetten neigen dazu, etwas lust- und formlos über dem Handgelenk herumzuhängen.

Das schöne an Doppelmanschetten ist jedoch nicht nur ihre Stabilität, sondern vor allem der Manschettenknopf, den man für sie benötigt. Allerdings ist zu vermuten, dass es genau dieses nette Accessoire ist, das die Umschlagmanschette bei dem durchschnittlichen Germanen so unpopulär macht: zu unpraktisch, zu lästig, zu umständlich und überhaupt: eine elende Wurstelei.

Tja, so ist das eben, Kultur ist umständlich, Kleidungskultur sowieso. Frauen wissen das. Lange Haare, Schminke, Nagellack, High Heels, Röcke und Strumpfhosen – alles schrecklich unbequem und unpraktisch. Nur Männer, vor allem deutsche Männer, unterliegen der Zwangsvorstellung, dass Klamotten vor allem warm und trocken zu halten und darüber hinaus bitte schön keine Umstände zu machen haben. Das ist überaus bedauerlich, zumal Manschettenknöpfe, etwas Übung vorausgesetzt, nur unwesentlich umständlicher sind als ihre geknöpften Vettern.

Eines aber stimmt: Es gibt fürchterliche Manschettenknöpfe, sogar grauenvolle. Ich kann mich noch an die Dinger erinnern, die meine Großväter trugen: Schwere, plumpe und massive Edelmetallkonstruktionen mit martialischem Durchmesser, wunderbar als Waffe geeignet oder zum dauerhaften Bizepstraining – als dezentes Schmuckaccessoire aber eine komplette Fehlbesetzung.

Und um gleich bei den Knopfsünden zu bleiben: Es gibt nichts Grausameres in der Mode als Gags. Das gilt nicht nur für Krawattenmotive, sondern eben auch für Manschettenverschlüsse. Muss man unbedingt an Ihrem Ärmel ablesen können, dass Sie Hobbypilot sind, gerne Golfspielen oder leidenschaftlich gerne segeln? Nicht wirklich. Auch ein lustiges Paragraphenzeichen als Hinweis auf Ihren Broterwerb wirkt etwas albern – verteilen Sie lieber Visitenkarten. Und muss wirklich alle Welt wissen, dass Sie Fan des HSV sind? Was soll das bewirken? Mitleid?

Manschettenknöpfe sollten schlicht sein und dezent: ein fein gefasster Onyx oder Lapislazuli – fertig. Das erfindet die Welt des Manschettenknopfes nicht neu, sieht aber gut aus und ist universell einsetzbar.

Für alle denen Metallknöpfe zu overdressed wirken, gibt es ja auch noch Seidenknoten
 

Und für alle, denen im Büro oder in der Freizeit zur Jeans Metallknöpfe dann doch etwas zu overdressed und steif wirken, gibt es ja auch noch Seidenknoten. Die haben den Vorteil, dass sie weniger formell wirken und deutlich günstiger sind als ihre Kollegen aus Edelmetall – weshalb man sich nach Lust und Laune mit ihnen eindecken und zu jedem Anlass, jedem Hemd, jeder Krawatte, Jahreszeit oder Stimmung eine andere Farbkombinationen wählen kann.

Aber sind Hemden mit Doppelmanschette alltagstauglich? Klar, zumindest dann, wenn man Manschettenköpfe nicht nur alle paar Jahre trägt, wenn wieder mal ein Kumpel heiratet. Mit dem Schuhbinden, das hat ja irgendwann auch geklappt und ist eigentlich komplizierter. Und im Übrigen, auch wenn echte Stilpuristen jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Das Hochkrempeln der Hemdärmel im Sommer, wenn es zu heiß wird, geht mit Doppelmanschetten sehr viel besser und gibt einen schöneren, längst nicht so zerknautschten Effekt wie bei Sportmanschetten.

Und zum guten Schluss lieber Leserinnen: Doppelmanschetten sind kein Privileg für Träger des Y-Chromosoms. Gerade auch bei Frauen wirken Manschettenknöpfe ungemein – nicht zuletzt weil es immer noch den Hauch des Extravaganten hat. Egal ob zum Businessoutfit oder Freizeitlook, Manschettenknöpfe machen einfach mehr her als simple Knöpfchen an der Bluse und bereichern die Palette der Modeaccessoires – gleichgültig, ob Sie die bei Frauen etwas „tougher“ wirkenden Metallknöpfe wählen oder femininere Seidenknötchen. Selbst eine eher unscheinbarere und zurückhaltende Kombination aus Jeans oder Chino, weißer Bluse und Blaser wirkt durch die knalligen Seidenknoten plötzlich ganz witzig und originell. Unschlagbar cool ist es ohnehin.

 

 

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