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Männerarmband - Esoterik für Technikverliebte

Fußballer, Schauspieler und sogar Spitzenfunktionäre: Sie alle tragen Armbändchen. Das hat modische, funktionale und teilweise libidöse Gründe. Männer, lasst es einfach

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Johnny Depp trägt eines, Brad Pitt wurde schon mit einem gesichtet, David Beckham sowieso und natürlich – Til Schweiger. Die Rede ist vom Männerarmband.

Ob diese Auswahl exponierter Zeitgenossen Werbung oder Warnung vor dem Anlegen eines Männerarmbandes ist, sei einmal dahingestellt und individuellen Vorlieben überlassen. Nachdenklich stimmt allerdings, dass sich Armbänder insbesondere bei Männern aus der Unterhaltungsbranche großer Beliebtheit erfreuen. Politiker, Manager oder Wissenschaftler hingegen haben, so hat es den Anschein, ein eher reserviertes Verhältnis zur schmucken Zierde am Handgelenk.

Oder besser: hatten. Denn spätestens seit unter der Manschette von Anshu Jain, Co-CEO der Deutschen Bank, ein Fitnessband von Jawbone hervorblitzte, ist der Schmuck am männlichen Handgelenk gesellschaftsfähig geworden – bis in die höchsten Chefetagen (sofern das ein Maßstab für Gesellschaftsfähigkeit sein sollte).

Gut, werden jetzt manche einwenden, aber ein Fitnessarmband ist ein Fitnessarmband, aber was hat das mit der dicken Edelstahlkette eines Türstehers zu tun oder dem Lederarmband eines Surfers?

Stimmt schon, ästhetisch ist da ein gewisser Unterschied. Doch letztlich geht es, wie fast immer in der Mode, um Zugehörigkeit, um Status und um Distinktion. Jains Fitnessarmband ist ein Bekenntnis zu Leistung und zu Selbstdisziplin. Es signalisiert, oder soll signalisieren, dass sein Träger Angehöriger einer internationalen Leistungselite ist, die Einsatz, Disziplin und Selbstkontrolle fordert und vorlebt.

Mode mit Signalwirkung
 

Anshu Jains Armband ist somit eine Ansage. Seine unmissverständliche Botschaft lautet: Ich bin ein harter Hund. Ich habe alles unter Kontrolle, immer. Auch mich selbst. Ich bin 24 Stunden lang da. Und wer das nicht ist, spielt einfach nicht in meiner Liga.

Armbänder bei Männern haben in unserer Kultur eine hohe Signalwirkung. Sie dienen weniger dem Schmuck als dem Image. Das liegt daran, dass sie im Grunde unüblich sind. Der Mann trägt als Schmuck eine Armbanduhr und einen Ehering. Punkt. Kann man so oder ähnlich in jedem Stilratgeber nachlesen.

Und es stimmt ja auch irgendwie: Ringe, Armbänder und Ketten wirken an Männern etwas deplatziert. Genau aus diesem Grund aber und um sich somit abzugrenzen, werden sie in Subkulturen getragen: bei Rappern etwa, Rockern oder an den Surf-Stränden dieser Welt.

Das war nicht immer so. Jeder Asterix-Leser weiß, dass die Römer Armbänder aus Metall trugen, die besonders Degenerierten sogar welche aus Gold und dicke Ringe dazu. Doch nicht nur in der Antike war Männerschmuck üblich. Im Gegenteil, in der Kulturgeschichte der Menschheit ist die Schmucklosigkeit des europäischen Mannes der Moderne die große Ausnahme.

Schuld daran ist das Bürgertum. Das wollte und musste sich ästhetisch vom Habitus des Adels absetzen, insbesondere nach der französischen Revolution. Alles Parfümierte, Künstliche und Dekadente sollte der Vergangenheit angehören. Schlicht wollte sich der Bürger geben, solide und bescheiden. Ringe und Armbänder passten nicht in dieses ästhetisch-ethische Konzept.

Interessanterweise funktioniert die Grundidee dieses Dresscodes bis heute. Zumindest ex negativo: Wer sich bewusst unbürgerlich, unkonventionell und rebellisch geben will, der trägt nicht nur entsprechende Kleidung, sondern auch den passenden Schmuck dazu: Punker, Rockstars, die Hippies der 60er.

Das Verlockende an solchen Konventionen ist natürlich ihr Bruch. Doch leider: Auch Konventionsbrüche unterliegen Regeln. Das macht sie so kompliziert – und mitunter etwas spießig.

Schmuck für die Libido
 

Nehmen wir das fette Edelstahlkettchen am Handgelenk: Wenn Sie einen dicken Totenkopfring tragen und Mitglied einer Rockergang sind, sollte die Sache in Ordnung gehen. Auch für den Fall, dass Sie Ihre sauer verdiente Kohle mit dem Handel von Waffen oder Drogen verdienen, oder sich die Nächte als Türsteher um die Ohren schlagen, gibt es keine stichhaltigen Einwände. In allen anderen Berufsfeldern sind Missverständnisse allerdings vorprogrammiert.

Oder nehmen wir das Lederarmband, verziert mir einer gravierten Muschelschale: Sie verbringen die meiste Zeit Ihres Lebens auf Hawaii und reiten auch Monsterwellen ganz lässig ab? Prima, dann ist die Sache stimmig, und wahrscheinlich tragen Sie so ein Ding ohnehin schon seit Jahren. Sollte Sie jedoch der klassische Couch-Potato sein und mit „Surfen“ vor allem ewige Nächte vor dem Computer verbinden, dann kommt so ein Lederbandel etwas albern daher.

Eine gewisse Vorsicht ist auch bei esoterisch angehauchten Bändern, Reifen oder Kettchen geboten. David Beckham sorgte vor Jahren mit seinem Energy-Muse-Band aus Steinperlchen für Furore. Das soll für eine stabile Gesundheit sorgen und eine – wie soll man sagen? – lebhaftere Libido.

Nun ist der gute Becks hauptberuflich Star. Da gehört solcher Schmuck zum Portfolio. Außerhalb der Unterhaltungsbranche ist die Sache eher heikel. Mit etwas Glück merkt keiner etwas und hält die farbigen Steinchen einfach für banale Perlen. Kenner jedoch könnten auf die Idee kommen, Sie hätten irgendwelche Defizite. Nunja.

Und dann sind da natürlich noch die schon angesprochenen Fitnessarmbänder von Jawbone, Garmin, Fitbit und Co. Der Unterschied zu Becks Perlchen ist hier eher marginal – Esoterik für Technikverliebte. Allerdings outen sie ihren Besitzer auch noch als neurotischen Kontrollfreak. Sehr unangenehm.

Zudem stellt sich eine ganz einfache Frage: Angenommen Sie sind Aufsichtsratsvorsitzender eines Dax-Unternehmens, jonglieren täglich mit Millionen- und Milliardenbeträgen oder sind ganz einfach nur ein toller Hecht. Herzlichen Glückwunsch. Dann sollten Sie allerdings bedenken, dass Männer, die ein Armband tragen, um zu zeigen, wie tough sie sind, eines sicher nicht sind – tough.

Es hilft nichts: Im Zweifelsfall sollte Mann lieber auf den neckischen Schmuck am Handgelenk verzichten. Mit einer Ausnahme natürlich: Wenn die kleine Tochter oder der Sohn dem Papa liebevoll ein Loop-Bändchen bastelt, dann ist das Tragen Pflicht. Und sympathischer als das Selbstdisziplinierungsband à la Jain ist es allemal.

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