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Katholische Kirche - Kollaps des religiösen Wissens

Kisslers Konter: Das Resümee der Deutschen Bischofskonferenz zum Thema Ehe und Familie war so vorhersehbar wie ein Kälteeinbruch im Januar. Doch das liegt nicht nur am veränderten Familienbegriff, sondern auch an der mangelhaften Kommunikation der katholischen Kirche.

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Es ist der Ruin der Akademien, die Kapitulation vor der Bildungskrise, der Rückzug aus der Verkündigung: Was die Deutsche Bischofskonferenz nun auf 20 Seiten nach Rom geschickt hat, ist ein Dokument mannigfachen Scheiterns. Die „Zusammenfassung der Antworten aus den deutschen Diözesen auf die Fragen im Vorbereitungsdokument für die III. Außerordentliche Vollversammlung der Bischofssynode 2014“ hält fest, womit zu rechnen war. Und findet weitere Antworten, die ein einziges großes Schweigen sind.

Das Resümee dieser vatikanischen Aktion war so vorhersehbar wie ein Kälteeinbruch im Januar: Jene Katholiken aus deutschen Landen, die sich die Mühe machten, den langen Fragebogen zu Ehe und Familie zu beantworten, gaben den Bischöfen ordentlich Bescheid: „Die kirchliche Ehetheologie und Sexualmoral findet nahezu keine Akzeptanz.“ Umständlich wird dieser Befund durchdekliniert an den heiklen Punkten vorehelicher Geschlechtsverkehr, Homosexualität, wiederverheirateten Geschiedenen, Geburtenregelung. Wohin die Bischöfe auch schauen lassen, überall ist es dasselbe Lied. Die Kirche dringe nicht durch.

Mit nichts anderem war zu rechnen. Ebenso war damit zu rechnen, dass vor allem die „fundamentale Veränderung und Pluralisierung des Familienbegriffs, ebenso auch die Privatisierung der Sexualmoral und menschlicher Beziehungen überhaupt“ hierfür verantwortlich gemacht werden. Die Welt habe sich gewandelt – wer wollte der Binse widersprechen –, da habe es die Kirche nun einmal schwer mit ihrer eigentlich wunderbaren Botschaft. So einfach ist es aber nicht.

Die Wirkungslosigkeit der kirchlichen Botschaft
 

Das wahre Problem besteht darin, dass viele Menschen in Deutschland gar nicht wissen, wie denn die authentische Lehre der Kirche momentan gerade aussieht – abseits wohlfeiler Bekenntnisse zu Toleranz, Völkerfreundschaft, Umweltschutz. Um wirklich ermessen zu können, inwieweit die „zentrale Botschaft der Kirche von Ehe und Familie“ auf Interesse oder Ablehnung stößt, hilft oder schadet, müsste ebendiese erst einmal an Mann und Frau und Kind gebracht werden. Daran hapert es gewaltig.

An wenigen Stellen kann die „Zusammenfassung“ ihr Erschrecken über diese selbstgemachte Wirkungslosigkeit des eigenen Tuns nicht verschleiern. Da heißt es unvermittelt, die kirchliche Lehre über Ehe und Familie spiele „in der Jugendarbeit eine nur geringe Rolle“ und werde auch in der Sonntagspredigt „nur vereinzelt“ aufgegriffen. Wie aber soll geglaubt werden, was nicht verkündigt wird? Wie soll ein Schweigen durchdringen, wie ein Pudding haften? Das Ehevorbereitungsgespräch wiederum, meist der für lange Zeit letzte Gesprächskontakt mit einem Pfarrer, verbleibe oft „im eher formalen Rahmen“. Warum soll man einer Institution trauen, die den Menschen Masken zumutet, Schablonen vorsetzt und das Eigene im Tabernakel lässt?

Wenn nun also eine „Neuorientierung“ der Pastoral gefordert wird – von jenen, die den Kollaps des religiösen Wissens zu verantworten haben –, ist diese Pointe zwischen Fatalismus und Büttenwitz angesiedelt. Dieser „Neuansatz“ wird, sofern er nicht nur die jeweils letzten Meinungsfragen absegnet, dort versanden, wo die meisten „Impulse“ und „Initiativen“ enden, im Treibsand der Gremien, Kommissionen und Dialogpapiere. Papst Franziskus wird all dies nicht ohne Amüsement zur Kenntnis nehmen und sich denken: Ist denn alles nur Windhauch in deutscher Provinz? Will sich denn niemand außer mir entweltlichen?

 

 

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