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Terror und Zensur - Der Westen schafft sich ab

Schweinefleisch verschwindet aus Schulbüchern, die Moschee von der Seifenpackung. Die Selbstzensur des Westens treibt absurde Blüten 

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Die Welt wird reiner mit jedem Tag. Nun hat auch „Aldi“ ein Einsehen gehabt und mutet uns keine Seife mehr zu, auf deren Verpackung eine Moschee zu sehen ist. Anfragen engagierter Muslime haben ausgereicht, um das Sortiment zu purifizieren. Vorbei ist es mit Kuppel und Minarett, „diese bedeutungsvolle Abbildung auf irgendeinem Gebrauchsprodukt“ war wahrlich unangebracht. So schrieb es ein türkischstämmiger Mann aus Buxtehude. „Aldi“ gehorchte, gab zu Protokoll, die Flüssigseife werde „in Kürze nicht mehr in unseren Filialen erhältlich sein.“ Man sei künftig hinreichend sensibilisiert.

So läuft das in den verrückten Anfangstagen des Jahres 2015. Sonntags werden Presse- und Meinungsfreiheit beschworen, lädt der Staat sich selbst zum Ringelreihen der Standhaften, und von Montag bis Samstag schreddert der Westen seine Werte, triumphiert ein Terror, dessen Drohungen unsere Köpfe längst schockgefrostet hat. Da mögen die Standhaften noch so laut im Walde vor sich hin pfeifen, draußen, auf der freien Wildbahn der Bekenntnisse, heißt das Programm Appeasement. Weil mit manchen Muslimen nicht gut Kirschen essen ist, soll mit allen muslimischen Forderungen willfährig verfahren werden. Aus der Geiselhaft, in die die Terroristen die friedliche Mehrheit nehmen, wird der soziale Terraingewinn eben dieser Mehrheit in Folge des Terrors der Wenigen. Das ist keine klammheimliche Freude, da ist ein klassischer Windfall profit.

Wer sich etwa schon lange über die gotteslästerlichen Karikaturen des schwulen Zeichners Ralf König aufregte, erfährt nun, nach den Pariser Anschlägen, Satisfaktion. König entfernte von seiner Homepage einen Cartoon, auf dem Vertreter des Westens den Kotau üben vor einem bärtigen Muslim, einem Imam vielleicht. König erklärte, er sei nicht stolz auf diesen Schritt, es gehe ihm nicht gut, er habe Angst vor „vereinzelten kranken Irren“. Und wieder fällt ein Blatt vom Baum der Freiheit zu Boden, wird Dung und ist wie nie gewesen.

Auf Kosten der künstlerischen Freiheit
 

Oder nehmen wir das Pariser Privattheater Ciné 13. Dort wurde das Stück „Gesteinigt“ von Jean Chollet zwei Tage nach der Premiere abgesetzt. Und warum? Weil sich herausgestellt hat, dass die in dem Stück thematisierte Steinigung einer Frau im Namen des Islam zu weit hergeholt sei, dass es keine solche Steinigungen gäbe? Aber nein. Abgesetzt wurde das Stück, weil die Präfektur sich außerstande sah, die Sicherheit der Theaterbesucher vor fanatischen Muslimen zu gewährleisten. Laut Korrespondentenberichten erhob sich keines einzigen Besuchers Hand, ergriff niemand das Wort zugunsten der künstlerischen Freiheit, als die Intendantin dem Publikum ihren Entschluss mitteilte. Schockgefrostet sind unsere Hirne und die Herzen auch.

Oder schauen wir auf die treusorgenden Umtriebe der Oxford University Press. Weil Muslime Schweinefleisch nicht besonders schätzen, sind die Begriffe Ferkel, Speck, Wurst und deren Abbilder aus den Schulbüchern des Verlages verbannt. Messerscharf erkannten die Oxfordianer, „unser Unterrichtsmaterial wird in 150 Länder verkauft. Es muss einer Reihe kultureller Unterschiede genügen.“ Das ist falsch gedacht und töricht bemäntelt. Zum einen gilt das Tier, nicht das Wort im Islam als unrein. Zum anderen handelt es sich um keinen globalen Beitrag zur Religionstoleranz, sondern um eine vorauseilende Unterwerfungsgeste: Die Oxford University Press stellt sich auf Zeiten ein, in denen nicht erst ein gezeichneter Mohammed, sondern schon das Schweinchenduo Piggeldy und Frederick eine Kalaschnikow-Briagade in Marsch setzen wird. Ist es ein Trost, dass die Stadt Hanau nun doch nicht eingeknickt ist und die Ausstellung des Karikaturistenduos Greser & Lenz wie geplant stattfinden kann?

Michel Houellebecq erklärte unlängst, hinter die Aufklärung könne man ein Kreuz setzen, sie sei verstorben. Unbeschadet der Frage, ob das christliche Symbol hier am Platz ist, kann bald auch der Westen als verblichen gelten. Zumindest ist er auf dem besten Weg, kulturell Selbstmord zu begehen aus Angst vor dem Tod. Die Islamisierung der Köpfe schreitet voran.

 

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