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NDR

Til Schweiger im Tatort - Bumm-Bumm Tschiller

Am Sonntagabend gibt Til Schweiger als Nick Tschiller sein Tatort-Debüt. Lohnt sich das Einschalten?

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Christophe Braun hat Philosophie in Mainz und St Andrews studiert.

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Unter deutschen Filmguckern gibt es wohl keinen, dem Til Schweiger gleichgültig wäre. Man liebt ihn oder man hasst ihn. Keine Meinung zu Til Schweiger? Ein Ding der Unmöglichkeit!

Entsprechend aufgeladen ist die Stimmung vor Schweigers Debüt als Tatort-Kommissar am kommenden Sonntagabend. Gilt doch der Tatort als eine der letzten Sendungen im deutschen Fernsehen, die einen generationen- und geschlechterübergreifenden Lagerfeuereffekt haben: Alle wollen dabei sein, alle schauen zu.

Eben deshalb ist Schweigers Besetzung umstritten: Wie soll einer, an dem sich die Geister derartig scheiden, dieses seit über 40 Jahren lodernde Lagerfeuer nähren? Hat Schweiger – irrlichternd zwischen seichten Komödien, merkwürdigen Soldatendramen und Talk-Show-Auftritten mit beachtlichem Fremdschämfaktor – überhaupt das Format, einen Tatort zu stemmen?

Die Antwort, in aller Kürze: Ja, hat er.

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Willkommen in Hamburg“ heißt der erste Til-Schweiger-Tatort, und um klar zu machen, worum es geht, sollte man das vielleicht so schreiben: TIL-SCHWEIGER-tatort. Will sagen: Man wird 90 Minuten lang gut unterhalten; in der 91. Minute weiß man schon nicht mehr, worum es ging.

Im Presseheft steht, „Willkommen in Hamburg“ sei ein „Popcorn-Tatort“. Vielleicht ist das so. Ich habe es nicht überprüft. Ich habe aber ausprobiert, ob er zu Flaschenbier passt, und muss sagen: ganz hervorragend; wie Nick Tschillers Faust in die Fressen all dieser hässlichen Mädchenschieber.

Womit wir bei der Handlung wären. Die lässt sich folgendermaßen skizzieren: Der Polizeikommissar Nick Tschiller ist ehemaliger SEK-Beamter. Er hat ständig Beulen und Kratzer im Gesicht. Und zwar, weil er sich in einem fort mit den Bösen dieser Welt prügelt.

Ein Beispiel – die Anfangssequenz. Tschiller überprüft eine Wohnung. Drinnen: eine Busladung minderjähriger osteuropäischer Prostituierter. Draußen: drei Zuhälter mit Stoppelbärten und Pistolen. Tschiller greift – in dieser Reihenfolge – zu Toaster, Eierstecher, Rollstuhl und Pistole und sorgt für klare Verhältnisse. Danach sind die Zuhälter tot und die Nutten dankbar. Nur Tschillers Chef ist nicht begeistert: Hat doch sein neuer Mitarbeiter den Kiezfrieden zwischen Polizei und Schieberbanden aufgekündigt.
 

Der Film beginnt mit einem Kickstart und versucht, das Tempo über 90 Minuten zu halten. Das gelingt nicht ganz. Aber „Willkommen in Hamburg“ ist allemal flotter als die üblichen Tatort-Folgen, die es in puncto Rasanz nicht mal mit einem Wettrennen zwischen bekifften Schildkröten aufnehmen könnten.

Der Vollständigkeit halber seien noch Tschillers Partner und sein Privatleben erwähnt.

Tschillers Partner heißt Gümer, wirkt eigentlich ganz nett, bleibt in „Willkommen in Hamburg“ aber im Hintergrund. Weil: Schussverletzung, gleich am Anfang (Toaster-Eierstecher-Rollstuhl…). Gottseidank nur ein glatter Durchschuss. Trotzdem liegt Gümer für fast den ganzen Rest der Geschichte im Krankenhaus und flirtet mit der Pflegerin. Da ein beträchtlicher Teil der Handlung in seiner Wohnung stattfindet, wagen wir aber zu sagen: Der Junge hat Potenzial. Nächstes Mal duckt er sich vielleicht einfach weg, wenn die Luft akut bleihaltig wird.

Tschiller hat auch Familie. Zusammen mit der Tochter von Til Schweiger (die im Film Lenny heißt) bewohnt er ein Appartement auf dem Dach eines Hochhauses. Lenny hat ständig Liebeskummer und trinkt viel Cola. Aus irgendeinem Grund steht im Wohnzimmer eine Harley Davidson. Wenn Tschiller mal einen Abend frei hat, sitzt er mit der Tochter von Til Schweiger (die im Film Lenny heißt) auf dem Sofa und blättert in alten Fotoalben. Oder er lässt sich von seiner Ex-Frau beschimpfen.

Das kommt aber selten vor, denn meistens prügelt Nick Tschiller sich mit Bösewichtern, die übrigens ausnahmslos aussehen, als wollten sie an einem Lemmy-Kilmister-Look-Alike-Wettbewerb teilnehmen. Außerdem gibt es eine flirtende Staatsanwältin und einen Mannschaftswagen voller Kollegen, die aber vorläufig nur zugucken dürfen. Immerhin darf Wotan Wilke Möhring mal neben Til Schweiger im Männerklo stehen und Pipi machen.

Jetzt kommt das Fazit.

„Willkommen in Hamburg“ ist ein solider Actionkrimi mit dem Tiefgang eines Papierbootes.

Aber beim Zuschauen macht es Spaß.

„Tatort: Willkommen in Hamburg” – Sonntag, 10. März, 20 Uhr 15, ARD

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