Kurz und Bündig - Stephan Thome: Grenzgang

Alle sieben Jahre verwandeln sich die Einwohner von Bergenstadt in Truppen und Tross des «Grenzgangs». Dieses traditionsreiche Volksfest gibt dem Debütroman des 1972 in Hessen geborenen Stephan Thome Titel und Rahmenhandlung. Auf den wechselnden Zeitebenen gleich mehrerer «Grenzgänge» bewegen sich die beiden Hauptpersonen aufeinander zu: Kerstin Werner, die vor einundzwanzig Jahren dort ihren späteren Mann kennenlernte, ist inzwischen vierundvierzig und wieder geschieden.

Alle sieben Jahre verwandeln sich die Einwohner von Bergenstadt in Truppen und Tross des «Grenzgangs». Dieses traditionsreiche Volksfest gibt dem Debütroman des 1972 in Hessen geborenen Stephan Thome Titel und Rahmenhandlung. Auf den wechselnden Zeitebenen gleich mehrerer «Grenzgänge» bewegen sich die beiden Hauptpersonen aufeinander zu: Kerstin Werner, die vor einundzwanzig Jahren dort ihren späteren Mann kennenlernte, ist inzwischen vierundvierzig und wieder geschieden. Ihr Sohn Daniel ist ein rebellischer Teenager; ihre Mutter verliert sich in zunehmender Alters­demenz. Kerstins männliches Gegenstück Thomas Weidmann hat sich nach dem Scheitern seiner akademischen Ambitionen als Gymnasiallehrer in seine Heimatstadt zurückgezogen. Beim Grenzgang vor sieben Jahren, als beider Wunden noch frisch waren, sind sie einander flüchtig nähergekommen. Und nun steht das Volksfest erneut an. So nähern sich im Rahmen dieser siebenjährigen Wiederkehr zwei Schicksalslinien einander an, um sich am Ende vielleicht zu vereinen – irgendwo im Provinzalltag, dessen dornenreiches Dickicht Stephan Thome gekonnt zu beschreiben weiß. Seine Protagonisten stehen mittendrin – und doch daneben. Sie erscheinen eher als Zaungäste des inszenierten Spektakels denn als Teilnehmer. Immer wieder tut sich hier jene sehr deutsche Distanz zwischen der beschriebenen Welt der Erscheinungen und einem klugen Erzähler auf, der, wie der habilitierte Lehrer Weidmann, fast ein wenig überqualifiziert wirkt. Der Autor vertraut seinen Figuren nicht: Er lässt sie die Welt nicht so sehen, wie es ihnen entsprechen würde, sondern gibt ihnen die eigenen Anschauungen und Sicht­weisen mit. Sie geraten mehr und mehr unter das Joch einer Erzählhaltung, die realistisch und analytisch zugleich sein will. Das ist auf die Dauer ziemlich strapaziös für einen Roman, der den provinziellen Rahmen, in dem er spielt, zu barocker Fülle anwachsen lässt, ohne ihn zu sprengen.

 

Stephan Thome
Grenzgang
Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2009. 454 S., 22,80 €

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