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Krise des Polit-Fernsehens - Stefan Raab, der Ranwanzer

TV-Clown Stefan Raab soll den Schlagabtausch zwischen Merkel und Steinbrück moderieren? Cicero-Salonchef Alexander Kissler ist not amused

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Einerseits: Ein TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück würde nicht allein deshalb zur Farce, weil einer der Moderatoren Stefan Raab hieße. Noch immer gilt der Grundsatz, dass jede Minute ohne das Nachrichtenregiment der Herren Ulrich Deppendorf (ARD) oder Peter Frey (ZDF) ein aktiver Beitrag ist zum Selberdenken. Wer Zeuge war, wie Deppendorf einmal vor laufender Kamera den ostdeutschen Katholiken Wolfgang Thierse zum evangelischen Pastor machte, der kann den Blödeleien eines Stefan Raab mit größtmöglicher Gelassenheit entgegen sehen. Alles scheint besser als die öffentlich-rechtliche Verwechslung von Seriosität mit Desinteresse und von Kompetenz mit Langsamkeit.

Andererseits: Sehr zu Recht hat die zweite Auflage von Stefan Raabs Talkshow-Parodie "Absolute Mehrheit" (Pro Sieben) katastrophale Quoten eingefahren. Nur 800.000 Menschen taten sich den Tort an, ergibt eine Quote von schütteren 5,2 Prozent im Gesamtpublikum. Stefan Raab ist offenbar abseits seiner Kernkompetenz - dem komischen Flegeltum - kein Hit. Die Mittel, die ihm zu Gebote stehen, das legendäre breite Grinsen als Platzhalter für eine Pointe und ein großes Repertoire an Macho-Posen, verfangen bei politischen Themen nicht. Dass ihm bisher fast ausschließlich die zweite und dritte Garde der Politiker auf den Leim gehen wollte, verdient Respekt. Wer, der sich und sein Tun ernst nimmt, hat schon Lust, sich anblaffen zu lassen mit Fragen wie: "Haben Sie Bock, in diesem Business noch weiter zu arbeiten?" Oder: "Glauben Sie den Quatsch?"

Natürlich, Frechheit kann siegen, das Dreiste kann Reaktionen hervorrufen jenseits der Schablone, die unverblümte Anrede hat schon manchen aus der Fassung gebracht. Nur eben gibt es dafür keine Garantie, und "Absolute Mehrheit" ist eine sterbenslangweilige, zähe, durch Werbepausen künstlich aufgeblähte Veranstaltung. Gerade weil die Masche des Vorstadtcowboys mit der Lizenz zum Blödeln sattsam bekannt ist, holen die Gäste ihr rhetorisches Standardbesteck hervor und spulen ab, was unter den Rubriken "der kleine Witz" und "spontan wirken, überlegt reden" abgespeichert ist.

Drei Frauen und ein Mann erklärten nun, warum die Frauenquote eine klasse Sache sei, eine Frau widersprach - und trug den Sieg davon. Die brandenburgische Politikerin Linda Teuteberg sorgte so im Zuschauervoting abermals für einen FDP-Sieg wie zuvor Parteifreund Wolfgang Kubicki. Vielleicht wurde die von Raab heftigst angeschwärmte Blondine aber auch deshalb gewählt, weil das alte Mann-Frau-Spiel das einzige formgebende Prinzip der Show war, der verlässliche running gag: "Sagte ich Ihnen schon, dass Sie heute fantastisch aussehen?" Einem ganz gewiss ganz witzig gemeinten Einspieler war zuvor aus Frauenmund die Losung zu entnehmen, frau solle sich "lieber hochschlafen. Da haben wenigstens beide etwas davon."

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Jeder Witz braucht einen Standpunkt, jeder Klamauk eine Form. Bei Stefan Raab ist das Uferlose Prinzip. Da werden halbgare Statistiken heraus genuschelt, gefolgt von sich ranwanzenden Kumpeltönen, ehe das Abseitige zur Staatsaktion hochgejazzt wird. Karl-Theodor zu Guttenberg könne er einfach nicht verzeihen, dass er aus den USA ohne Brille zurückgekehrt sei, gerade so, als habe er in Deutschland zuvor mangelnde Sehkraft nur gemimt, "das fand' ich schräg."

Schräg soll hier alles sein, zusammengehalten einzig vom Grinsekater und selbsternannten "Frauenfreund", der in der Mitte des Sofas mit derart weit gespreizten Beinen sitzt, als gelte es ein Nilpferd zu zähmen, und dabei den Oberkörper nach vorne wippen lässt wie ein Sumo-Ringer vor Kampfbeginn: Insofern steht das bald zu erwartende Andocken des Stefan Raab an die gediegene Politikerbefragung symptomatisch für eine Übersprungshandlung.

Mit ihm wird der wahrlich ritualisierte Schlagabtausch endgültig als unreformierbar erscheinen. Den üblichen Verdächtigen wird Stefan Raab als deren permanentes schlechtes Gewissen zur Seite stehen. Er wird durch seine schiere Präsenz zeigen, dass man lieber in die Pubertät flieht, als versuchsweise zurückzufinden zu Argument und Gegenargument, zum echten Gespräch stand zum übellaunigen Abhaken von Stichwortzetteln. So schließen sich die Reihen, und die Routiniers der Sendezeitverwaltung können weiter an der Mär stricken, ihre Gedankenblässe sei Ausdruck von Kompetenz. Ist es aber nicht.

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