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„Star Wars“-Kult - Warum gucken sich Millionen die neue Episode an?

Der neue „Star Wars“-Film „Das Erwachen der Macht“ lockte bereits zur Premiere 560.000 Menschen ins Kino, bis Sonntag wird mit 3 Millionen gerechnet. Der Rekord-Erfolg erklärt sich mit einer gigantischen Marketingmaschine – aber nicht nur

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Die internen Vorgaben der Walt Disney Company waren klar: Es sollte der erfolgreichste Film aller Zeiten werden. Und es wird der erfolgreichste Film aller Zeiten: „Das Erwachen der Macht“, die siebte Episode der „Star Wars“-Saga.

Damit die Prophezeiung sich erfüllt, zog der weltgrößte Unterhaltungskonzern alle Register des modernen Marketings: Schon Ende November 2014 startete der erste Trailer des Films und brach alle Rekorde. Mehr als 110 Millionen Mal wurde der 90-sekündige Clip in der ersten Woche angeklickt. Im April dieses Jahres startete der zweite Trailer und schaffte es in den ersten 24 Stunden auf über 88 Millionen Klicks. Der dritten Trailer wurde am Tag seiner Veröffentlichung, dem 20. Oktober 2015, von über 112 Millionen Zuschauern angesehen.

Diese einjährige Anheizphase war jedoch nur eine Seite einer Marketing-Kampagne, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat: Genau einen Monat vor der Premiere von „Das Erwachen der Macht“ kam die neueste Fassung des Computerspiels „Battlefront“ auf den Markt, das Ergebnis eines Deals des Disney-Konzern mit dem Computerspiele-Produzenten „Electronic Arts“ (EA).

„Star Wars“-Verbundenheit seit der Schule


Wichtiger noch als die Kooperation mit EA ist für Disney die Zusammenarbeit mit Lego. Seit 1999 bringt der dänische Spielklötzchenhersteller Figuren, Roboter und Raumschiffe aus dem „Star-Wars“-Universum heraus und sorgt dafür, dass Darth Vader, Obi-Wan und Co. genauso wenig aus den Spielzimmern wegzudenken sind wie TIE-Jäger und Sternenzerstörer. Und seit 2010 sammeln Kinder weltweit „Star Wars“-Sammelkärtchen in dazugehörigen Sammelalben.

All diese Spiele, Figuren, Bausätze und Kärtchen sorgen dafür, dass ganze Schulen mit der Welt des George Lucas vertraut sind, noch ehe sie das erste Mal in einem Kino waren. Das schafft Verbundenheit.

Wer nach dem Erfolg von „Star Wars“ fragt und dem Hype im Vorfeld der Episode VII, der braucht sich nicht grübelnd in hochtrabenden Kulturtheorien zu verlieren, in Spekulationen über psychologische Grundmuster, die der Serie eingeschrieben sind, oder in archetypischen Motiven aus dem ewigen Schatz von Mythen, Sagen und Märchen. Um den Erfolg der Filmreihe zu erklären, reicht ein Blick in das nächste Spielwarengeschäft und auf den Verwertungskreislauf, der heutige Kinobesucher schon als Kinder mit der Serie vertraut machte und so mittlerweile drei Generationen gleichzeitig ins Kino lockt. Welches Produkt der Popkulturindustrie kann das schon von sich behaupten?

Buntes Potpourri aus dreitausend Jahren Literaturgeschichte


Andererseits helfen die rücksichtslosesten Vermarktungsstrategien wenig, wenn das Produkt an den Menschen vorbeigeht, wenn es sie gleichgültig lässt. Doch gleichgültig lässt die Menschen die Saga von Aufstieg, Fall und Erlösung des Anakin Skywalker – denn darum ging es in den ersten sechs Episoden – nicht.

Die Emotionalisierungsstrategien, mit denen „Star Wars“ arbeitet, sind schon häufig beschrieben worden. Was George Lucas unter tatkräftiger Mithilfe von Leigh Brackett und Lawrence Kastan auf die Leinwand brachte, ist ein buntes Potpourri von Motiven aus dreitausend Jahren Literaturgeschichte, angefangen bei dem Dauerbrenner Vater-Sohn-Konflikt über die Figur des reinen Toren auf seinem Weg zur Erkenntnis bis hin zum gefallenen Engel. Hinzu kommen religiöse Topoi, wie der prophezeite Erlöser und der Kampf zwischen heller und dunkler Macht, garniert mit kulturellen Erinnerungen an Ritter und Ritterorden. Insbesondere die Jedi sind Sehnsuchtsfiguren einer postmodernen Spiritualität, die christliche Mystik, Buddhismus und Suche nach Authentizität zu einer Patchworkreligion verquirlt.

Der Kern des Erfolges: Sentimentalität


Doch all diese Motive sind letztlich vor allem Schablonen, die Vertrautheit stiften sollen und Erinnerungen wecken an die Welt der Kindheit. Denn der Kern des Erfolges der „Star-Wars“-Saga hat mit Spiritualität oder gar mit Politik unendlich wenig zu tun – er lautet Sentimentalität.

George Lucas hat es geschafft, die Figuren, Raumschiffe und Roboter seiner Saga tief in das popkulturelle Gedächtnis von mittlerweile drei Generationen zu verankern und mit einem Geflecht zeitloser, tragischer Motive aus dem kulturellen und religiösen Erinnerungsschatz zu verbinden. Entstanden ist so ein mehrdimensionaler sentimentaler Erinnerungsraum, der dafür zu sorgt, dass heutige Eltern ihre Kinder an ihren eigenen Kindheitserinnerungen teilhaben lassen und die Vermarktungsmaschine seit Jahrzehnten am Rotieren hält.

Lucas hat aus dieser sentimentalen Stimmungskampagne, die seine Saga darstellt, nie ein Geheimnis gemacht. „Es war einmal vor einer langen Zeit in einer weit entfernten Galaxis...“, so begann einst die Episode IV. Das Geheimnis des Erfolges von „Star Wars“ liegt somit in einer paradoxen Konstruktion: Science-Fiction mit Nostalgie zu verklammern, die Hoffnung auf die Zukunft mit Erinnerungen an die Kindheit. Ein unschlagbares Rezept.

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