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Share-Economy - Der Schein des Teilens

Kolumne: Grauzone. Vom Auto bis zur Kleidung: Wer heute dazu gehören will, der teilt. Das nennt sich dann kollaborativer Konsum oder „Shareconomy“. Die Weltverbesserungsattitüde gibt es inklusive. Dabei sind die Nicht-Konsumenten so verlogen wie das Konzept selbst

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Hurra! Sie bricht doch noch an, die bessere Welt. Ade Besitzstreben und Konsumterror, lebt wohl ihr Statussymbole. Tschüss, du fieser Kapitalismus!

Glaubt man den Auguren des Zeitgeistes, so entsagt der urbane Trendsetter dem schnöden Privatbesitz, verabscheut persönliche Habe und empfindet individuelles Eigentum als das kleingeistige Relikt materialistischer Konsumspießer. Mein Haus, mein Garten, mein Auto – das war einmal, früher, in den Aufbaujahren nach dem Krieg, in den hedonistischen 80ern und während des New-Economy-Rausches der 90er.

Aus und vorbei. Endlich. Der posthedonistische und postmaterialistische Wohlstandsbürger hat seine Liebe zum Teilen entdeckt. „Share Economy“ heißt das Zauberwort der Saison, etwas schnittiger auch „Shareconomy“ genannt. In den Kreisen des linken Akademikerbürgertums vom Prenzlauer Berg spricht man auch gern von „kollaborativem Konsum“.

Die auffälligsten Beispiele für den neuen Anti-Konsum-Trend sind die Fahrzeuge der Car-Sharingdienste, etwa von „Car2Go“ oder „DriveNow“. Nach Zahlen des Bundesverbandes CarSharing sind in Deutschland zurzeit etwa 14.000 Fahrzeuge unterwegs, die von 757.000 Fahrberechtigten genutzt werden können. Tendenz: Stark steigend.

Sharingplattformen sorgen für Romantik
 

Mit einem Car-Sharing-Fahrzeug unterwegs zu sein, gilt in manchen großstädtischen Milieus als Statussymbol. Man zeigt damit, dass man ökologisch und nachhaltig ist. Zugleich gibt man sich unkonventionell, flexibel und natürlich unglaublich modern.

Neben der Carsharing-Branche ist vor allem die Immobilienplattform „Airbnb“ das Vorzeigeprojekt der boomenden Shareconomy. Mehr noch als Autosharing haftet „Airbnb“ das romantische Image des selbstlosen Teilens an: Menschen stellen Wohnraum zur Verfügung, so wird suggeriert, um neue Freunde kennen zu lernen. Um Menschen aus anderen Ländern und fremden Kulturen zu treffen und weil man überhaupt so international, weltoffen und selbstlos ist.

Es lassen sich nicht nur Autos oder Wohnung teilen. Sharingplattformen gibt es inzwischen für BücherKleidungSpielzeug oder was auch immer.

Nun ist dagegen natürlich nichts zu sagen. Wer Teile seines Eigentums kaum oder nur selten nutzt und sie daher anderen kostengünstig oder gar umsonst zur Verfügung stellt, soll das tun. Und dass Internet und Smartphone hierzu Möglichkeiten bieten, die noch vor zwanzig Jahren undenkbar waren – geschenkt.

Teilen setzt Eigentum voraus
 

Was allerdings erheblich nervt, ist die penetrante Weltverbesserungsattitüde mit ihren aufgeblasenen antikapitalistischen und sozialromantischen Phrasen, die den Shareconomy-Hype begleitet.

Da wird das Leihen oder Weiterverkaufen zur subversiven Aktion hochstilisiert, mit der dem globalen Kapitalismus der Garaus gemacht werden soll. Aus der banalen Mitbenutzung von irgendwelchen Gebrauchsgegenständen wird gleich eine Absage an Konsumwahn und Überflussgesellschaft.

Das alles ist schon schlimm genug. Vollkommen unerträglich wird es jedoch, wenn diese postmaterialistische Suada mit dem süßlichen Gesülze von einem neuen sozialen Miteinander, von Gemeinschaft und Überwindung des Eigentums garniert wird. Mehr intellektueller Kitsch war selten. Und mehr Verlogenheit: Denn Teilen setzt Eigentum voraus. Nur wer etwas hat, kann es anderen überlassen.

Bezeichnend ist auch, dass die Sharingmodelle nicht in genossenschaftlichem Gemeinbesitz gründen, sondern darin, Privateigentum für einen gewissen Zeitraum Dritten zu überlassen. Es geht nicht ums Teilen, sondern ums Tauschen.

Kein Ende des Kapitalismus
 

Die eigentliche Motivation der Shareconomy und der Grund ihres Erfolges ist daher auch nicht der Konsumverzicht oder gar eine neue Kultur des Habens. Im Gegenteil: Das Tauschgeschäft ermöglicht es, Dinge zu besitzen, die mir nicht gehören. Der kollaborative Konsum erweitert meinen Besitz ganz erheblich. Aufgrund des Sharings kann man sich Dinge leisten, die unter traditionellen Umständen vielleicht undenkbar gewesen wären: einen Urlaub in New York, den kurzen Trip nach Paris, die Nutzung eines fabrikneuen Mittelklassewagens.

Die Shareconomy ist somit nicht Ausdruck einer neuen Genügsamkeit, sondern lediglich eine Methode, mit der wohlhabende Menschen ihr Eigentum noch effizienter nutzen, um so ihren ohnehin hohen Lebensstandard noch zu steigern. Zudem gilt: Eine Mitwohngelegenheit kann vielleicht der mobile Metropolensingle anbieten – ganz sicher aber nicht ein Geringverdiener mit mehreren Kindern.

Der kollaborative Konsum läutet aber nicht das Ende der Kapitalismus ein. Eher schon handelt es sich um ein typisch kapitalistisches Instrument, um brachliegende Ressourcen gewinnbringend zu mobilisieren. Aus diesem Grund stehen hinter „Car2Go“ Daimler und Europcar und hinter „DriveNow“ BMW und Sixt – bekanntlich keine antikapitalistischen NGOs.

Durchkommerzialisierung unseres Alltags
 

Im schlimmsten Fall eröffnet die Sharecomony sogar den Weg in die totale Durchkommerzialisierung unseres Alltags. Denn eine Leiter geliehen, haben sich Nachbarn untereinander schon immer. Erst das Internet macht daraus ein Geschäftsmodell.

Letztlich folgt der unsägliche Hype um die Shareconomy einem alt bekannten Silicon-Valley-Muster. Zunächst werden Technologien geschaffen, die es Konzernen und Unternehmen in bisher ungeahnter Weise ermöglichen, in unsere privatesten Lebensbereiche einzudringen und diese kommerziell auszuwerten. Intellektuell flankiert wird dieser ökonomische Übergriff dann von linken Träumern und Netzenthusiasten, die den ganzen Quatsch auch noch als Ausdruck einer neuen, grenzenlos kreativen, besseren und kollaborativen Welt verkaufen.

Und hier liegt der eigentlich Skandal: In dem Versuch, uns alle für dumm zu verkaufen.

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