Kurz & Bündig: Buchrezenszion - Ror Wolf

Prosa Ror Wolf Zwei oder drei Jahre später. Siebenundvierzig Ausschweifungen Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt a.M. 2003. 122 S., 17,90 €

Vor zwanzig Jahren bereits empfahl Raoul Tranchirer, «gerade in dieser von falschen Empfehlungen strotzenden Zeit, mit Anstand und Feinfühligkeit auszuschweifen». An diesen Ratschlag knüpft nun sein Alter Ego, nämlich Ror Wolf, mit seinen «Siebenundvierzig Ausschweifungen» an. So zumindest lautet der Untertitel seiner neuen Sammlung von ebenso vielen Geschichten. Fast allen von ihnen ist eines gemein: unerwartete, oft gleichzeitig eintreffende Ereignisse, spontane Eskapaden, unverhoffte Begebenheiten. Mit geradezu teuflischer Unverdrossenheit scheinen die Missgeschicke einander abzulösen – je unangenehmer für die Betroffenen, desto amüsanter für die Leser. Dabei spielen weder Zeitpunkte, Hintergründe noch Örtlichkeiten eine Rolle, es geschieht dies ständig und weltweit, sei es in Schleiz, in Mainz, in Berlin, in Phoenix, irgendwo in Nevada, am Rande des Atlantischen Ozeans, sogar im Polargebiet des hohen Nordens. Da kippt unvermutet ein Mann vom Brückengeländer, während ein anderer, «Kenner und Liebhaber von Schwierigkeiten», tief unter der Erdoberfläche ausgeplündert und fast abgeschlachtet wird. Ein Dekorateur, der in der Auslage des Warenhauses seine Arbeit verrichtet, erleidet eine Herzattacke, stürzt auf ein Bett und bleibt dort tagelang liegen, weil die Leute glauben, es handle sich um eine Schaufensterpuppe. Oder es tauchen gänzlich unvermittelt mehrere Männer auf, um im selben Moment zu verschwinden, andere fallen plötzlich um, einfach so, oder verlieren jäh die Orientierung und kommen dabei ums Leben, während ein anderer Herr «in einer winzigen Unterbrechung der normalen Verhältnisse» in einem Wirtshaus ohne Anlass aufsteht und eine Stahltür aus ihrer Verankerung reißt. Solche unerhörten Begebenheiten werden von Ror Wolf höchst feinsinnig geschildert, mit einer eigentümlichen Akkuratesse, die dafür sorgt, dass diese Missgeschicke den Leser erheitern. Wie sagt Raoul Tranchirer in seinen «Mitteilungen an Ratlose»? Er stellt fest, «dass selbst Begebenheiten unter traurigen Umständen zuweilen das einfache Lachen hervorrufen».

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