Kurz und Bündig - Philippe Lacoue-Labarthe: Poetik der Geschichte

Zugegeben, Philosophie hat in Deutschland etwas Akade­misches, woran auch die Beredsamkeit von Fernsehmatadoren wie Gert Scobel nichts zu ändern vermag. Zugege­ben, auch das neue Buch des französischen Philosophen Philippe Lacoue-Labarthe ist akademisch – was der Titel «Poetik der Geschichte» kaschiert, denn es hätte auch «Studie zu Rousseaus Begriff des The­atralischen» heißen können.

Zugegeben, Philosophie hat in Deutschland etwas Akade­misches, woran auch die Beredsamkeit von Fernsehmatadoren wie Gert Scobel nichts zu ändern vermag. Zugege­ben, auch das neue Buch des französischen Philosophen Philippe Lacoue-Labarthe ist akademisch – was der Titel «Poetik der Geschichte» kaschiert, denn es hätte auch «Studie zu Rousseaus Begriff des The­atralischen» heißen können. Aber seine Klarheit und zeitweilige Frechheit lassen nie den Eindruck von Sprödigkeit aufkommen. Lacoue-Labarthe – 1940 geboren und einer der interessantesten Denker in der Generation nach Derrida und Foucault – setzt das Nachdenken über Politik fort, das er in den achtziger Jahren mit «Die Fiktion des Politischen» begonnen hat. Der Mensch ist kein Naturwesen, so seine Ausgangsthese. Vielmehr defi­niert die Benutzung von Tech­niken, also von etwas Unnatürlichem, seine Existenz. Lacoue-Labarthe folgt Aristoteles und spitzt dessen Aussage zu: Eigentlich spielt der Mensch immer Theater. Nachahmung ist nichts Sekundäres, son­dern wesenhaft. «Der Ursprung setzt also in der Tat eine Repräsentation voraus: Mimesis oder Darstellung.» Es war Rousseau, der, wenn man dem Autor folgt, diese Einsicht als Erster formuliert hat. Lacoue-Labarthe unterzieht nun Rousseaus Schreiben einer Ana­lyse, welche die Entwicklung hin zu den Sätzen nachzeichnet. Mehr als die Aussagen, die am Ende bei Rousseau stehen, interessieren ihn die Denk-Operationen auf dem Weg dort­hin. Von alldem scheint der Titel «Poetik der Geschichte» weit entfernt. Doch die Studie postuliert, dass die Theorie des Theaters, und damit des Tra­gischen, der Ursprung aller politischen Philosophie sei – oder zumindest hätte sein müssen. Damit sind nicht die bühnenhaften Bilder von Pressekonferenzen oder Wahl­auftritten gemeint. Vielmehr geht es Lacoue-Labarthe – und hier wird er spekulativ dialektisch – um eine Aufhebung des Schocks, der in der Erkennt­nis der eigenen Theatralität liegt. Katharsis ist sein zentraler Begriff. Er bedeutet für Lacoue-Labarthe nicht Reinigung oder Heilung, sondern ein pro­zesshaftes, unabschließbares Umgehen mit diesem Faktum – beziehungsweise Fatum. Direkt politisch wird das Buch fast nur in den Fußnoten. Die Französische Revolution wie der Nationalsozialismus sind für ihn Formen theatraler Politik, die über den Umstand ihrer Theatralität hinwegtäuschen. Entfernt scheint der Ent­wurf einer Ethik auf, die Verpflichtung einer Politik, die des Ter­rors eingedenk und also «auf die Erfahrung des Todes» gegründet ist. Lacoue-Labarthe spricht hier nicht von Ausch­witz, meint es aber. Spätestens an dieser Stelle sind seine Überlegungen nicht mehr akademisch.

 

Philippe Lacoue-Labarthe
Poetik der Geschichte
Diaphanes, Berlin 2005. 144 S., 19,90 €

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Siegfried Marquardt | Do., 21. September 2017 - 15:24

Die CDU/CSU werden die Wahl 2017 mit Bestimmtheit gewinnen!
Es sieht alles danach aus, dass die CDU/CSU die Wahl 2017 mit Bestimmtheit gewinnen wird, da beißt die Maus keinen Faden ab! Die Menschen in Deutschland wollen eindeutig Kontinuität und keine Experimente. Anderseits und darüber hinaus hat die SPD die Menschen in Deutschland sehr oft enttäuscht und mit Versprechen getäuscht, wie beispielsweise bei der Agenda 2010 und dem Versprechen einer Mindestrente vor vier Jahren. Da kann sich Marin Schulz von der SPD noch so genial rhetorisch in den Medien präsentieren und gerieren– wer einmal die Menschen täuscht und enttäuscht, wird kaum das Vertrauen der Bürger wieder zurückgewinnen können! Aber auch bei der CDU/CSU gibt es gewisse (wahltechnische und wahltaktische) Probleme: In der TV-Sendung Quer wurde vom Moderator Christoph Süß vor geraumer Zeit ausgeführt, dass in Bayern Bürger des Freistaates gerne die CDU wählen würden.

Siegfried Marquardt | Do., 21. September 2017 - 15:33

Dies geht aber nicht, weil auf den Wahlscheinen nur die CSU als „Schwesternpartei“ aufführt wurde. Anderseits taucht auf den Wahlscheinen des Freistaates auch nicht die Linkspartei (DIE LINKE) auf, sondern immer noch antiquiert die PDS. Und der größte demokratische Witz aller Zeiten ist, dass die Stimmen von der CDU und CSU bereits per Se quasi als eine Partei gezählt werden. Dies ist ein Unding! Diese Stimmen müssen einzeln für beide Parteien bilanziert werden und dann können die CDU und CSU nach der Wahl Koalitionsverhandlungen vornehmen, wenn die CSU die Fünf-Prozenthürde bewältigen sollte.
Siegfried Marquardt Königs Wusterhausen