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Paketzustellung - „Schade, wir haben Sie verpasst!“

Medienberichten zufolge baut Amazon seinen eigenen Zustellungsdienst in Deutschland auf. Keine schlechte Idee, findet unser Kolumnist. Denn schlimmer als bisher kann es gar nicht mehr werden

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Der Untergang des Abendlandes ist schon wieder ein kleines Stück näher gerückt. Amazon, die berüchtigte Handelskrake aus dem Internet, greift mit ihren Tentakeln jetzt nämlich auch nach der Logistikbranche. Betriebswirtschaftler nennen das, glaube ich, „vertikale Integration“ – also Sachen selbst zu machen, die bisher andere kostenpflichtig für einen erledigt haben. In diesem Fall bedeutet das: die Pakete in eigener Regie auszuliefern. In Großbritannien wird das schon seit ein paar Jahren praktiziert, demnächst könnte das Beispiel auch in Deutschland Schule machen. Ob dann noch mehr Lieferwagen als bisher Fahrradwege, Busspuren oder sonstige Straßenabschnitte blockieren werden, darüber möchte ich an dieser Stelle nicht spekulieren. Auch das beliebte Amazon-Bashing soll ausnahmsweise unterbleiben. Denn ich glaube, für alle Amazon-Kunden kann das nur eine gute Nachricht sein.

Bisher wurde die Amazon-Ware hierzulande vom Bringdienst DPD ausgeliefert. Das Kürzel steht übrigens nicht für „Deutscher Paketdienst“, wie man vermuten könnte. Sondern für „Dynamic Parcel Distribution“. Klingt schwer nach Ärmel hochkrempeln. Wer aber schon einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, irgendein Paket von diesen selbsternannten Dynamikern in Empfang nehmen zu müssen, der kann sich eigentlich nur darüber freuen, dass damit hoffentlich bald Schluss ist. Meiner Meinung nach wäre DPD nämlich besser mit „Dusselige Päckchen-Deponierer“ oder „Daily Parcel Desaster“ zu übersetzen. Schlechter kann es jedenfalls nicht laufen, auch nicht unter der Flagge von Amazon.

Abholschein „das Klo runterspülen“
 

Ein Paket mit zwölf Flaschen Wein an die Wohnungstür des Kunden zu bringen, klingt nach einer bewältigbaren Herausforderung – zumindest für Logistikunternehmen. Aber DPD sieht seine Aufgabe offenbar eher darin, die Menschen so lange wie möglich vom Alkohol fernzuhalten. Gesundheitspolitisch mag das ein hehres Ziel sein; rein praktisch ist es allerdings etwas lästig.

In meinem Fall lief das vorige Woche wie folgt ab: Zuerst kommt eine E-Mail mit der Ansage, der Zusteller werde zwischen 13.00 und 14.00 Uhr vor Ort sein. Wer es ganz genau haben will, kann die Route des Lieferwagens sogar in Echtzeit am „Live-Tracker“ verfolgen (eine interessante Beschäftigung übrigens für Leute, die sonst gern Mikado spielen oder stundenlang auf Aquarien starren). Leider kommt dann aber trotzdem niemand; weder zwischen 13.00 und 14.00 Uhr noch sonst irgendwann. Stattdessen findet sich im Briefkasten eine Mitteilung mit der Überschrift „Schade, wir haben Sie verpasst!“ Ja, Schade eigentlich. Vielleicht hätte man es ja mal mit Klingeln versuchen können?

Immerhin war auf dem Zettel die Adresse des örtlichen DPD-Paketshops vermerkt, in meinem Fall ein chinesischer Möbelladen, zu Fuß ungefähr 15 Minuten entfernt. Aber wer will schon zwölf Flaschen Wein zu Fuß nach Hause schleppen? Egal. In besagtem Möbelladen durfte ich jedenfalls hinter einem Paravent in bezaubernder Fernost-Optik sämtliche dort angelandeten Pakete inspizieren, um festzustellen, dass mein Wein doch nicht dabei war. Der Besitzer führte mich daraufhin in den rückwärtigen Bereich seiner Möbelfundgrube mit noch mehr Paketen, aber auch dort blieb die Suche erfolglos. Als ich ihm meinen Abholschein zeigte, meinte er lapidar, diesen Zettel könne man ohnehin „das Klo runterspülen“. Wenigstens mal eine klare Ansage.

Eigeninitiative ist gefragt
 

Ich erspare mir jetzt längere Ausführungen über Anrufe bei der DPD-Hotline (an alle Leidensgenossen: Nehmen Sie das nur auf sich, wenn Sie sehr viel Zeit und sehr gute Nerven haben) oder über weitere Emails aus dem DPD-Nirwana in Bezug auf den „Lieferstatus“ des Pakets. Nur noch so viel: Vier oder fünf Tage später lag es tatsächlich im chinesischen Möbelladen. Okay, die diesmal anwesende Verkäuferin wollte mich zuerst wieder mit leeren Händen nach Hause schicken, weil hinter dem exotischen Paravent nichts zu finden war. Aber hey – ich kannte ja von meiner Vorbesichtigung bereits das zweite Depot im hinteren Ladenabschnitt! Da ist eben ein bisschen Eigeninitiative gefragt, und vielleicht stößt man ja bei solcherlei Durchsuchungsaktionen noch auf eine hübsche chinesische Kommode im Sonderangebot.

Der DPD-Chef Boris Winkelmann kommentierte die Amazon-Pläne übrigens so: Wo sein eigenes Unternehmen eine Zustellung innerhalb von 48 Stunden nicht gewährleisten könne, „wird Amazon selbst aktiv“. Klingt irgendwie nach einer Kapitulationserklärung. Verständlich wäre es. Aber wissen Sie was, lieber Herr Winkelmann? Wenn ich Wein brauche, gehe ich künftig einfach wieder in den Weinladen.

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Thorsten Wilms | Fr., 7. Oktober 2016 - 13:34

Besser hätte man ihren Beitrag nicht schreiben können, und ist die Quintessenz und das Resultat aus der Einführung eines Systems, was niemals richtig funktionieren wird, und den Kunden schlichtweg in den Wahnsinn treibt, wie vieles in derartigen Fällen sind es mal wieder die "Anderen" die nicht funktionieren, aber niemals das System, weil dann müsste man konstatieren, das es schlichtweg "der Kapitän" ist, der das Schiff zum Sinken bringt.

Mal schauen wie lange Der Herr Winkelmann noch bleibt. Das Arbeitgeber Bewertungsportal spricht Bände über die Zustände seit seinem Amtsantritt 2012 / 2013.

Wünscht man in solchen Fällen, viel Glück für die Zukunft ?

Ronald Stark | Do., 16. November 2017 - 09:36

Liest Herr Winkelmann auch mal die Faceook Kommentare auf seiner FB Seite?
Da müsste es ihm doch wie Schuppen von den Augen fallen was bei DPD abgeht. Da werden Kunden mit Absicht verärgert und angelogen. Mein Paket fährt nu schon seit 3 Tagen im Auto an meiner Adresse vorbei ohne anzuhalten. Die Depotführung ist nicht in der Lage das zu ändern und den Fahrer dazu anzuhalten seiner Pflicht nachzukommen. Eine Call Center Agentin hat mir wörtlich gesagt, dass ich selbst Schuld hätte wenn ich mich von DPD beliefern lasse. Sie würde mir empfehlen beim nächsten Mal einen anderen Dienstleister zu wählen. Dies koste zwar einen € mehr, aber UPS ist dafür zuverlässig.
Vielen Dank für den Tipp Herr Winkelmann, diesen nehme ich gerne an.