Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Ökonomie der Tierhaltung - Zu Pferd in Krisenzeiten

Lange vorbei die Zeiten, in denen das Pferd einen echten Nutzen hatte. Heute ist es für die meisten ein Luxusobjekt. Als solches wird es gut behandelt – solange die Kohle da ist

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

So erreichen Sie Marie Amrhein:

Holen wir nun den Tierarzt oder warten wir noch einen Tag? Wie viel Heu braucht ein Pferd? Muss es das teure Kraftfutter sein oder reichen die Karotten und ein zerschnittener Apfel aus? Wer ein Pferd hat, der muss rechnen. Etwa 300 Euro kostet sein Unterhalt im Monat, in der Stadt können es bis zu 1200 Euro werden. Eine plötzliche Augenentzündung oder offene Wunden sind da noch nicht eingerechnet – und eine Krankenversicherung für die großen Tiere ist für die meisten nicht zu bezahlen.

Pferdemenschen haben ein komisches Verhältnis zu ihren Tieren. Das erfahren wir, seitdem wir unseren Bauernhof in Niedersachsen übernommen haben. Niedersachsen gilt als Pferdeland, hier wird viel gezüchtet aber auch viel Freizeitreiterei betrieben. Pferde werden unter Solarien gestellt, man räumt ihnen Steine aus dem Weg, damit sie nicht darüber stolpern, baut ihnen Ställe auf Gummimatten, um ihre Füße zu schonen und alle sechs bis acht Wochen kommt der Hufschmied, um die Hufe zu feilen, die sich wie einst in freier Wildbahn nicht mehr von selbst abnutzen.

Pferdeklappen und ausgesetzte Pferde


Das Pferd als Nutztier ist lang passé. Früher rückte es Holz, zog dicke Äste durch den Wald, machte sich mit Munition beladen auf in den Krieg und brachte die Post ins hinterletzte Dorf. Es war die Zeit, in der Pferde wertvoll waren. Die Menschen bauten ihnen abgeriegelte Ställe und schlossen sie ein, weil sie teures Gut waren, das vor Dieben geschützt werden musste. Die Menschen brachten die Pferde in die Städte, um sie herum wuchsen Häuser, Straßen und Mauern. Und irgendwann fanden sich die Vierbeiner inmitten New Yorker Abgase um den Central Park wieder. So verlernten die Pferde in den Städten wie es ist, auf einer Wiese zu stehen und Regen und Sturm zu trotzen. Und die Menschen verlernten, den Pferden ihr Pferdsein zuzugestehen.

Heute ist das Pferd vor allem Luxusobjekt und höchstens noch für jenen ein Nutztier, der für seinen Unterstand Geld kassiert. Dafür werden Kühe von den Weiden massenhaft in die Ställe verbannt – nach dem Motto: Ein Nutztier braucht keinen Auslauf, es muss sich rechnen. Luxusobjekte dagegen müssen Sehnsüchte stillen. Solange das Geld für sie da ist.

Es passiert aber immer wieder, dass Menschen ihre Pferde nicht mehr versorgen können. In Deutschland gibt es für diese Fälle jetzt die Pferdeklappe. Eine Babyklappe für Pferde sozusagen, deren Besitzer mit ihren Tieren überfordert sind. Der Verein Notbox in Norderbrarup, vor nicht einmal einem Jahr von Petra Teegen gegründet, holt mittlerweile fast täglich neu eingetroffene Tiere von einer abgelegenen Weide. In einer Kiste können dort die Pferdepässe anonym hinterlegt werden, damit gehört das Tier dann dem Verein. Der päppelt es, wenn es krank oder vernachlässigt ist, wieder auf und vermittelt es für kleines Geld weiter an solvente Interessenten.

Auch aus Irland kamen vor einigen Jahren die ersten Meldungen über vernachlässigte und ausgesetzte Pferde. Über die grünen Hügel der Insel liefen schon immer die sogenannten Urban Horses, nie aber waren es so viele Pferde, die von ihren Besitzern einfach von Hängern geladen und in der Weite stehen gelassen wurden. In Zeiten boomender Wirtschaft hatten sich viele ein Tier angeschafft, dann aber, als die Krise viele Menschen in die Knie zwang, litten etwa 20.000 ausgesetzte Tiere darunter. Ähnliche Berichte gab es kurz danach aus Spanien, bekannt für seine noblen Andalusier.

Vier mal so viele Pferde in vier Jahrzehnten


In Deutschland geht es Menschen und damit auch den Pferden besser. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung hat hochgerechnet, dass es hier rund 1,2 Million Pferde und Ponys gibt. Die Pferdepopulation hat sich damit in den vergangenen 40 Jahren etwa vervierfacht. Die Tiere verbrauchen etwa 1,6 Millionen Tonnen Futtergetreide und 1,8 Millionen Tonnen Heu und Stroh im Jahr. Der Boom von Biogasanlagen treibt die Preise in die Höhe, für die Bauern wird der Anbau von Mais lukrativer, auch wenn die EU mit Subventionen von Grünlandflächen dagegen hält. Der Platz auf den Weideflächen wird auch auf dem Land rar, wo die Gentrifizierung um sich greift.

Und je teurer ihre Haltung wird, desto eher wird der Nutzen der Pferde in Frage gestellt. Vor der Moral kommt nämlich immer noch das Fressen. Und da stehen nun auf den Weiden viele Pferde viel herum, warten darauf, dass sich jemand mit ihnen beschäftigt, sie striegelt, reitet, herumführt und danach wieder in die Box oder auf die Weide stellt. Kühe oder Schafe dagegen erblickt man eher selten. Wofür das alles, fragt sich mancher Besucher, der die Pferdemassen auf den grünen Wiesen Niedersachsens betrachtet.

Wir hatten vor ein paar Tagen ein Pony im Garten stehen. Abwechselnd lagen die Kinder auf dem weichen breiten Rücken oder drückten ihre Nasen an das sonnengewärmte Fell. Und das machte sie glücklich. Ziemlich nützlich, dachte ich.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.