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Eva Chloupek/Donaukurier

Neugestaltete Kirchen - Nackter Wahnsinn am Altar

Kisslers Konter: Immer häufiger erquickt Kirchenarchitektur nicht mehr mit Stein und Glas, sondern erschlägt mit Stahl und Metall: Wenn – wie im Dom zu Eichstätt – die Moderne im Sakralen Einzug hält, können sich viele Gläubige nur schockiert abwenden

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Eine diffizile Form der Kirchenschändung greift um sich. Sie nennt sich Neugestaltung des Altarraums und liefert nicht nur wie jüngst im Dom zu Eichstätt bizarre Ergebnisse. Das in der dortigen Kathedrale an Palmsonntag einem verdutzten Publikum präsentierte Ensemble liegt im Trend der Zeit. Stahl und Metall müssen als Gottesbeweis herhalten, Beton und Stein beerdigen das Numinose. In ganz Deutschland ist Gefahr in Verzug, wenn Domkapitel, Diözesanbaumeister, Kunstreferat nach neuen Formen rufen und das Füllhorn der Kirchensteuer über einen Kirchensteuerkünstler ausschütten. Das Tauschgeschäft – Geld gegen Modernismus – verläuft nach ehernen Prinzipien: Die einen zahlen, der andere vertreibt das Sakrale.

So schlimm sei es gar nicht? Man müsse sich öffnen für die Gegenwart, der Barock liege lange hinter uns, das 19. Jahrhundert sei glücklich überwunden? Aber natürlich. Niemand verlangt, bei Kirchenneubauten den Stil der Vergangenheit zu imitieren. Zu seiner Zeit war der Barock – ein Schimpfwort ursprünglich – nichts anderes als der dernier cri. Heute aber fährt die rohe, fühllose Gewalt in ein bestehendes Formengefüge, wenn dort die Versatzstücke einer missverstandenen Moderne implantiert werden. In Eichstätt und fast überall soll das Kahle, Abweisende, Schroffe auf Gegenwärtigkeit deuten.

Kirchenschiff mit dem Charme eines Krematoriums


Ein Irrtum aber ist es zu meinen, das unselige Erbe Corbusiers verbürge noch immer Zeitgenossenschaft – abgesehen von der Frage, ob Sakralbauten nicht eher das Ewige als das Zeitliche abzubilden suchen müssten. Altäre, die aussehen wie Campingtische, ein Ambo, der sich gut in einer Ausstellung über Völkermord machte, ein Kirchenschiff, das den Charme eines Krematoriums versprüht – all diese Elemente zeigen, dass die in den traurigen Räumen gerne beschworene „einladende Kirche“ das Gegenteil ist: ein Tritt in die Magengegend all jener, die einen Raum für das Geheimnis, einen Ort des Trostes suchen und mit Versatzstücken aus der Rumpelkammer des Brutalismus abgespeist werden.

Wer die im Internet kursierenden Dokumentationen hässlicher, da abweisender, disharmonischer, in jeder Fuge unfroher Kirchen studiert – etwa jene aus Polen unter dem Titel „Gott, was für hässliche Kirchen!“ –, der sieht ein grundsätzliches Unbehagen an der Moderne: Nur wer keinen Begriff von ihr hat, wer nicht weiß, dass in der Moderne die Vielheit der Formen Programm ist und sie sich nicht auf die eine Erzählung von der leidenden Hässlichkeit verkürzen lässt, nur der lässt sich solche Ungetümer andrehen. Ist es ein Wunder, dass Kirchen sich leeren, die kein Gotteshaus sein wollen, sondern Winkel zur Elendsanbetung?

Hinzu kommt – in Eichstätt und anderswo – die Brüskierung des betenden Stammpersonals durch eine ebenso selbstverliebte wie schütter informierte Kirchenelite. Es darf keine Rolle spielen, dass dieser gotische oder barocke Sakralbau in seiner gewachsenen Form Generationen von Menschen Stätte der Hoffnung und Erbauung war. Deren Gebetserfahrung wird ebenso negiert wie das ästhetische Sensorium des sonst so wohlfeil besungenen „einfachen Volkes“. Es ist eine Geschmacksverirrung von oben, die hier selbst sich feiert.

Eine Hoffnung aber bleibt: Vielleicht retten Denkmalschutz und Bürgersinn die alten Kirchen vor ihren neuen Herren.

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