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ZDF/Jürgen Detmers

Neuauflage des Literarischen Quartetts - Überraschend scharf und kurzweilig

Im Foyer des Berliner Ensembles trifft sich die neue Generation des Literarischen Quartetts zur Buchbesprechung. Das Konzept bleibt das alte, der Mitteilungsdrang der Literaturkritiker gleich. Langweilig ist das nicht, jedoch weniger lustig als früher

Autoreninfo

Lena Guntenhöner ist freie Journalistin in Berlin.

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Was für ein Zufall. Ausgerechnet an dem Tag, an dem der Tod von Hellmuth Karasek publik wird, wird die erste Folge des neues Literarischen Quartetts im Foyer des Berliner Ensembles aufgezeichnet. Der Schriftsteller Maxim Biller kommentierte das mit folgenden Worten: „Das war sein letzter Gag, dass er diese Sendung nicht mehr sehen muss.“ Nach Marcel Reich-Ranicki ist damit auch der zweite große Kopf der legendären Sendung verstorben. Der Mythos wird mit jedem Todesfall größer. Der Druck, dem Vorbild gerecht zu werden, war spürbar. Aber er entlud sich glücklicherweise im Mitteilungsdrang über die gelesenen Bücher. Und so waren nach 45 Minuten vier Romane vorgestellt und alle Fragen offen.

[[{"fid":"67072","view_mode":"full","type":"media","attributes":{"height":439,"width":750,"style":"font-size: 13.008px; line-height: 1.538em; width: 180px; height: 105px; float: left;","class":"media-element file-full"}}]]Marcel Reich-Ranicki, Hellmuth Karasek, Sigrid Löffler und ihr Gast hatten früher immerhin dreißig Minuten mehr Zeit zum Streiten. Vierzehn Jahre nach der letzten Folge des Literarischen Quartetts startete am Mittwoch die „moderne Fassung“ mit neuen Diskutanten, aber nach altem Prinzip: „Vier Kritiker, vier Bücher, keine Einspieler“. Die neue Stammbesetzung besteht aus dem Spiegel-Literaturchef Volker Weidermann, „Zimmer frei“-Moderatorin und Journalistin Christine Westermann und Schriftsteller Maxim Biller. Jedes Mal kommt ein Gast hinzu, diesmal war es die Juristin und Autorin Juli Zeh. Jeder stellte ein Buch vor, das die anderen ebenfalls gelesen hatten, die Meinungen der anderen kannten sie bis dahin nicht.

Wer angesichts der neuen Besetzung erwartet hatte, dass es wohlwollend und langweilig werde, wurde eines Besseren belehrt. Überraschend scharf ging es zu, mitunter persönlich. Maxim Biller holte zum Rundum-Schlag aus, „Der ist kein Schriftsteller!“, als er über den Autor von „Macht und Widerstand“, Ilija Trojanow, sprach. Juli Zeh hatte den Roman über zwei Männer ausgesucht, der eine Widerstandskämpfer gegen das bulgarische Regime, der andere ein Repräsentant eben dieses Apparats. Zu ihrer Überraschung fiel er bei den drei anderen Kritikern gnadenlos durch.

Anregende Diskussionen ohne Wunschgast
 

Am besten schnitt der dritte Teil einer autobiografischen Erzählung des norwegischen Autors Karl Ove Knausgård ab. Der beschreibt in „Träumen“ seinen eigenen, von Zweifeln und Niederlagen durchsetzten Werdegang zum Schriftsteller. Während Weidermann die „Authentizität“ lobte, kritisierte Christine Westermann viele Schilderungen als belanglos: „Der Mann trinkt 18 Hektoliter Tee und ich bin bei jeder einzelnen Tasse dabei.“

Geteilt waren die Meinungen über Péter Gárdos „Fieber am Morgen“ und Chigozie Obiomas „Der dunkle Fluss“. Gárdos erzählt die Geschichte des ungewöhnlichen Kennenlernens seiner Eltern. Beide hatten den Holocaust überlebt, als Miklós, der Vater, beschließt, ein Mädchen aus seiner Heimatstadt zu heiraten, das wie er vor den Nazis nach Schweden geflohen ist. Eine, die Mutter Lili, antwortet. Daraus entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die unter dem Schatten von Miklós Krankheit steht. Ein Reich-Ranicki-Moment entstand, als Volker Weidermann das Werk mit Thomas Manns „Der Zauberberg“ verglich. Der Afrika-Roman „Der dunkle Fluss“ bewegte sich in der Rezeption zwischen den Attributen kafkaesk (Biller) und klischeehaft (Weidermann). Vom Inhalt dieses schriftstellerischen Debüts war weniger die Rede, vielleicht wollte man das „unglaubliche Ende“ nicht vorweg nehmen.

Kurzweilig war's, aber weniger lustig als früher, was an der Eingangsansprache Volker Weidermanns zum Tode von Hellmuth Karasek gelegen haben mag. Der Wunschgast kann leider nicht mehr in die Sendung kommen. Ein Stuhl blieb im Publikum für ihn leer. Auch ohne ihn dürfen wir auf anregende Diskussionen über Literatur gespannt sein. Sechs Folgen sollen in diesem Jahr noch ausgestrahlt werden.

Sendetermine: Freitag, 02.10., 23 Uhr im ZDF und Sonntag, 04.10, 10.45 Uhr auf 3Sat

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