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Neil Youngs Autobiografie - Träum weiter, Hippie!

Neil Young sollte spielen und nicht schreiben

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Rüdenauer, Ulrich

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Es klingt wie eine Drohung: „Irgendwann werde ich Romane schreiben. In diese Richtung will ich.” Was eine ärztlich verordnete Marihuana-Abstinenz doch alles anrichten kann! Als der 1945 in der kanadischen Provinz geborene Neil Young vor zwei Jahren einmal seine Gitarre gegen die Schreibmaschine tauschte, machte ihm das offenbar so richtig Spaß: „Schreiben könnte genau das Richtige für mich sein”, notiert er in charmant-naiver Selbstverkennung.

Wenn man nun seine Memoiren liest, weiß man erst, was man an dem Musiker Young hat. Sein bekiffter Weltverbesserungsfirlefanz hatte zwar immer schon etwas Enervierendes, wurde aber stets weggeblasen von großartigen Songs und wunderbar-wirren Gitarrensoli. Wie in einem übergroßen Cabriolet cruist Young mit dem Leser kreuz und quer durch sein Lebens-Universum: von Familienangelegenheiten (Krankheiten, Kinder, Ehefrauen) zu den Hobbys (Modelleisenbahn, Ranches, überdimensionierte Autos), von revolutionären Projekten (eine digitale Offensive gegen MP3s oder die Entwicklung von Öko-Limousinen) zu wichtigen musikalischen Stationen (The Squires, Buffalo Springfield, CSNY, Crazy Horse). Der deutsche Titel des Buches, das im Englischen „Waging Heavy Heart” heißt, ist eigentlich genial gewählt: Dies ist tatsächlich „Ein Hippie-Traum” mit allen Assoziationssprüngen, die Träume mit sich bringen.

Einiges Interessante steht darin, aber auch vieles, das man so genau gar nicht wissen wollte. Bezeichnend ist Youngs Verteidigung seiner umstrittenen Sympathie für Ronald Reagan: „Nur weil man nicht alles gut findet, was jemand sagt, ist derjenige ja noch kein schlechter Mensch. Die meisten Menschen haben irgendwas Gutes an sich”, befindet er über den Cowboy im Weißen Haus. Fürwahr! Neil Youngs Weltbild fußt nun einmal auf der basalen Hippie-Ideologie von Love and Peace. Immerhin wagte er zumindest musikalisch immer etwas Neues.

Ein Wagnis ist auch diese verunglückte Autobiografie, aber da gerade ein neues Album seiner Band „Crazy Horse” erschienen ist, sei sie ihm verziehen.

Neil Young: Ein Hippie-Traum. Aus dem Amerikanischen von Stefanie Jacobs (u.a.). Kleppenheuer & Witsch, Köln 2012. 480 S., 22,99 €

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