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Beim Insel Verlag ist jetzt endlich das Buch «Barcelona: Eine Stadt erfindet die Moderne» von Cristina und Eduardo Mendoza erschienen, ein kluges, verschwenderisch illustriertes Werk, das begreif­lich macht, warum Barcelona in gewissem Sinne nicht in Spanien liegt – und warum andererseits doch. Für Mendoza, der im Klappen­text «einer der angesehensten und beliebtesten Schriftsteller Spaniens» genannt wird, gilt Ähnliches.

Beim Insel Verlag ist jetzt endlich das Buch «Barcelona: Eine Stadt erfindet die Moderne» von Cristina und Eduardo Mendoza erschienen, ein kluges, verschwenderisch illustriertes Werk, das begreif­lich macht, warum Barcelona in gewissem Sinne nicht in Spanien liegt – und warum andererseits doch. Für Mendoza, der im Klappen­text «einer der angesehensten und beliebtesten Schriftsteller Spaniens» genannt wird, gilt Ähnliches. Gebürtig aus Barcelona, dort lebend und arbeitend, Autor des herrlichen Barcelona-Romans «Stadt der Wunder», ist der Katalane Eduardo Mendoza … nun, auch Spanier. Mehr: da er auf Spanisch und nicht auf Katalanisch schreibt, wird er wie selbstverständlich der spanischen Literatur zugerechnet, obwohl er natürlich Katalanisch spricht und durch seine Bücher viel eher das Katalanismus-Diplom verdient hätte als mancher andere, der so viel davon hermacht. Ich könnte mir jedenfalls schlechtere Autoren für den alles erklärenden Katalonien-Überblicks­essay vorstellen, den die deutschsprachigen Feuilletons im Herbst 2007 anlässlich des Buchmessen-Schwerpunkts drucken werden.

Doch jetzt die Preisfrage: Soll Eduardo Mendoza eingeladen werden, Katalonien bei der Frankfurter Buchmesse 2007 zu vertre­ten, obwohl er seine literarischen Werke auf Spanisch schreibt? Und wie steht es mit dem hochgeachteten Juan Marsé, dessen Fall ähnlich liegt? Oder mit Javier Cercas? Die Frage ist kein Witz. Sie lässt die Verwicklungen ahnen, die hinter der Selbstdefinition einer der vitalsten Kulturregionen Europas lauern.  Es beginnt schon bei der Einladung. Katalonien kann kein «Gastland» der Frankfurter Buchmesse sein, weil es kein Land ist, obwohl es sich so fühlt. Es will aus verständlichen Gründen aber auch keine «Gastregion» sein. Also lautet die salomonische Wendung der Veranstalter, das Schwerpunkt­thema der Buchmesse sei «die katalanische Kultur». Womit das Sprachenproblem nur verlagert wird. Zählt zur katalanischen Literatur, was von Kata­lanen in Katalonien produziert wird? Oder nur das, was sich auch der katalanischen Sprache bedient? Behaupten nicht die Poeten, die Sprache sei ihre eigentliche Heimat?

Der Dichter Pere Gimferrer zum Beispiel hat sich entschieden, nur noch auf Katalanisch zu dichten. (Er heißt ja auch Pere, nicht Pedro.) Ob das seine Chancen auf den Nobelpreis mindert oder erhöht, darüber sind sich die Spötter nicht einig. Dass er 2007 mit nach Frankfurt darf, wenn er möchte, gilt als sicher. Gute Karten haben auch Quim Monzó und Sergi Pàmies, die ihre Erzählungen und Romane auf Katalanisch und ihre journa­listischen Texte auf Spanisch schreiben – eine Sache des Marktes, auf den die Katalanen, ein Volk von Händlern und Kaufleuten, sich immer verstanden haben.

Für Außenstehende gibt es allerdings noch eine Menge zu lernen. Etwa, dass tote Künstler wie Dalí nicht zählen. Und dass ein Schriftsteller wie Juan Goytisolo, der seinerzeit für die katalani­sche Kultur ins Feld geführt wurde, alles andere als typisch ist, weil er auf Spanisch schreibt und in Marrakesch lebt. Aufgrund der Sprachwahl nach wesensmäßigen Unterschieden zu fahnden, wäre ohnehin fruchtlos: Auch Manuel Vázquez Montalbán, der 2003 verstorbene Krimi-Autor und glühende Fan des FC Barcelona, schrieb seine populären Pepe-Carvalho-Romane auf Spanisch.

Jüngst haben sich die Katalanen in ihrem neuen Autonomie­Statut als «historische Nation» definiert, eine Formulierung, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. «Historisch» heißt hier, dass da mal etwas war, was im staatsrechtlichen Sinne nie existierte, was aber über Jahrhunderte Kontur angenommen hat und, eingekeilt zwischen Frankreich und Spanien, gleichsam zu einer ideellen Wirklichkeit geworden ist. Etwas Abwesendes und Anwesendes zugleich. Die brutale Repression der katalanischen Sprache durch das Franco-Regime hat ein Übriges getan, um Spanien ein für alle Mal in das verhasste Andere zu verwandeln. Seitdem ist jedes Nachdenken über die Sprache politisch.

Keine Angst. Aus dem Widerspruch, kultiviert und wirtschaft­lich erfolgreich, doch territorial etwas zu klein zu sein – aus diesem tragischen Widerspruch hat sich ein ironisch durchtränkter Viktimismus entwickelt, der, wenn man ihn richtig zu nehmen weiß, zu den liebenswertesten Zügen der Katalanen zählt. Sie greifen ja nicht zu den Waffen. Sie bestehen nur darauf, anders zu sein. Es verrät viel Stoizismus, ständig hervorzuheben, Catalunya sei sechsmal kolonisiert worden. Und den Tag der schlimmsten militärischen Niederlage der katalanischen Geschichte, nämlich den Fall Barcelonas im Jahre 1714, zum höchsten Nationalfeiertag zu erklären.

Dass die spanische Demokratie viel dafür getan hat, den Multi-Lingualismus zu schützen, und ihn in Artikel 3.3 der Verfassung von 1978 sogar als «Kulturerbe» definiert – es ist alles nicht genug, wenn es um konkrete Gefühle von Identität und Zugehörigkeit geht. Katalanisch ist die größte nicht-offizielle Sprache der Europäischen Union. Wir sind sechs Millionen, sagen sie, allein in Katalonien. Da sie nicht alle nach Frankfurt fahren können, ist der Streit abseh­bar.

 

Paul Ingendaay ist Kulturkorrespondent der FAZ in Spanien. Zuletzt erschien sein Internatsroman «Warum du mich verlassen hast».

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