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(Picture Alliance) Gentechnisch veränderte Pflanzen Ergeben Risiken für Mensch und Natur

Risiko Gentechnik - „Man darf Äpfel nicht mit Birnen vergleichen“

Gentechnische Eingriffe in die Nahrungsmittelproduktion bergen Risiken für Mensch und Natur. Das behauptet der Geschäftsleiter von Testbiotech, Cristoph Then. Die industrielle Landwirtschaft nimmt damit immer extremere Formen an

Christoph Then ist Geschäftsleiter von Testbiotech. In seinem Kommentar antwortet er Gentechnikbefürworter Hans-Jörg Jacobsen, der sich in einem Interview mit Cicero Online zum „Mythos Bio“ äußerte.

Der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft und Nahrungsmittel­produktion zeigt Folgen: Gentechnisch veränderte Pflanzen wie Raps, Reis, Mais und Pappeln wachsen in manchen Regionen bereits unkontrolliert. Wenn Schäden bei Mensch und Umwelt auftreten, können diese Pflanzen nicht mehr zurückgeholt werden. Zudem lassen sich der Verlust an Biodiversität, ein erhöhter Spritzmittelaufwand und das Auftreten neuer Schädlinge auf den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zurückführen. In Bezug auf die menschliche Gesundheit sind die bisherigen Befunde widersprüchlich. Inzwischen gehen jedoch viele Experten davon aus, dass der Verzehr gentechnisch veränderter Pflanzen zumindest Auswirkungen auf das Immunsystem hat.

Mit der unabhängigen Folgenabschätzung im Bereich der Biotechnologie und insbesondere mit den Risiken der Gentechnik in der Landwirtschaft befasst sich der Testbiotech. Der 2008 gegründete Verein weisst gerne darauf hin, wenn Interessenkonflikte in deutschen und europäischen Behörden bestehen. Wissenschaftler im Dienste des Staates verheimlichen oft ihre Nähe zur Industrie. Unter anderem ging es auch um den „Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik“ (WGG), eine Organisation, die sich seit Jahren für den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft einsetzt.

Hans-Jörg Jacobsen ist Pflanzengenetik-Professor an der Universität Hannover und im Vorstand des WWG. Er hat sich in einem Interview mit Cicero Online zur Gentechnik geäußert und dabei vergessen, was Wissenschaftler gemeinhin von Lobbyisten unterscheidet: Statt bei den Fakten zu bleiben, verirrt er sich in Gerüchten und Behauptungen und ergeht sich zudem in diffamierenden Mutmaßungen über meine Person, die nicht zutreffend sind. Häufig macht die Gentechniklobby Stimmung gegen Kritiker und unabhängige Wissenschaftler: Wenn die Argumente ausgehen, greift man Personen an und versucht ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben.

Dabei rückt jedoch die zentrale Frage in der Debatte um den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft in den Hintergrund: Wie können und sollen Politik und Gesellschaft mit dieser Technologie umgehen? Um dies angemessen beantworten zu können, ist es von immenser Bedeutung, dass eine von der Industrie unabhängige Forschung und Risikobewertung organisiert werden kann.

Die Firmen, die gentechnisch veränderte Pflanzen auf den Markt bringen wollen, sind natürlich in erster Linie daran interessiert, Geld zu verdienen. Ihre Expertise ist wichtig, eine Gesellschaft kann sich bei der Risikoabschätzung aber nicht auf sie allein verlassen. Testbiotech fordert eine strikte Unabhängigkeit von Behörden und Risikoforschung. Wir unterstützen einzelne Forschungsprojekte, mit denen wir den Bedarf an unabhängiger Forschung im Bereich der Agrogentechnik belegen. Denn in Deutschland ist der kritische, unabhängige Wissenschaftler längst eine bedrohte Art, nicht zuletzt weil Drittmittel – auch aus der Industrie – an den Hochschulen immer wichtiger werden.

Die Probleme in der Argumentation von Jacobsen werden unter anderem bei seinen Anmerkungen zu einer Forschungsarbeit des Teams um den französischen Wissenschaftlers Gilles-Eric Seralini deutlich. In dieser Laborarbeit wurde die Giftigkeit von sogenannten Bt-Toxinen an menschlichen Zellen getestet. Diese Insektengifte werden ursprünglich von Bodenbakterien produziert. Die Gentechnik nutzt Teile des Genoms der Bakterien in Pflanzen wie Mais und Baumwolle, damit diese das Gift selbst synthetisieren. Die Untersuchung wurde von Testbiotech gefördert, ihre Ergebnisse in einem internationalen Fachmagazin veröffentlicht, nachdem sie durch unabhängige Gutachter überprüft worden sind.

Die Studie belegt, dass diese Toxine – und die Pflanzen – besser untersucht werden müssen. Denn zumindest einer dieser Giftstoffe hat im Versuch auch menschliche Zellen geschädigt. Bislang ging man davon aus, dass das Gift nur bei bestimmten Insekten wirksam ist. Dieses unerwartete Risiko für Verbraucher muss jetzt genauer untersucht werden.

Behörden und Unternehmen haben sich längst auf eine vereinfachte Risikoprüfung geeinigt. Sie stützt sich auf die Annahme, dass gentechnisch veränderte und „normale“ Pflanzen im Wesentlichen gleichwertig und damit vergleichbar sind, was ihre Risiken betrifft. Die meisten der für die Risikoprüfung durchgeführten Studien werden direkt von der Industrie durchgeführt. Die oben genannte Untersuchung ist in zweierlei Hinsicht besonders: Sie geht über die notwendigen Anforderungen der Behörden hinaus und wurde nicht von den Gentechnikfirmen selbst – oder in deren Auftrag – durchgeführt.

Jacobsen setzt sich leider nicht mit den Ergebnissen der Untersuchung auseinander. Er behauptet lediglich, „dass die gleichen Bt-Toxine im Ökolandbau verwendet werden“. Das ist irreführend. Zwar stimmt es, dass Bt-Toxine in ihrer natürlichen Form schon lange in der Landwirtschaft verwendet werden. Allerdings werden sie von den Bodenbakterien in einer inaktiven Version hergestellt. Die Aktivierung erfolgt bei bestimmten Insektenarten erst nach der Aufnahme in deren Darm. Gentechnisch veränderte Pflanzen produzieren demgegenüber bereits aktive Gifte, die in ihrer Struktur verändert sind.

Unterschiede gibt es auch in der Art der Anwendung: Die natürlichen Präparate werden nur dann gespritzt, wenn die schädlichen Insekten tatsächlich auftreten. Danach wird das Gift „von Wind und Wetter“ rasch wieder abgebaut. Die gentechnisch veränderten Pflanzen produzieren das Gift dagegen über die gesamte Vegetationsperiode. Es ist deshalb auch in der Ernte vorhanden. Dadurch ergeben sich für Mensch und Umwelt neue Risiken. Wer diese Unterschiede in Abrede stellt, ist an einer Diskussion der Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen nicht wirklich interessiert. Hier werden ganz einfach Äpfel mit Birnen verglichen.

Dieses Vorgehen hat System. So antwortet Jacobsen auf die Frage, inwieweit sich gentechnisch veränderte Pflanzen von denen aus der konventionellen Züchtung unterscheiden: „Eigentlich gar nicht. Die Veränderungen bezogen auf die Gesamtzahl der Gene sind minimal.“ Verschiedene Untersuchungen machen aber deutlich, dass durch die Methode des Gentransfers ungewollt auch die Aktivität anderer Gene und der Stoffwechsel der Pflanzen verändert werden. Tatsächlich bestehen grundlegende Unterschiede zwischen dem gentechnischen Eingriff in das Erbgut und der konventionellen Züchtung: Normalerweise kontrolliert das komplexe System der natürlichen Genregulation die Genaktivität in den Zellen der Pflanzen.

Diese Regulierung wird bei der Manipulation des Erbgutes durch die Gentechnik umgangen, indem man die Aktivität der zusätzlich eingefügten Gene mit technischen Hilfsmitteln erzwingt. Zudem erfolgt die Übertragung der genetischen Information oft über Artgrenzen hinweg. Dagegen arbeitet die Züchtung – auch wenn sie technisch ausgelöste Mutationen nutzt – immer mit dem gesamten System der Pflanzenzelle und überschreitet dabei (in der Regel) keine Artgrenzen.

Der Unterschied zwischen Züchtung und gentechnischen Verfahren ist sowohl für die Abklärung gesundheitlicher Risiken als auch für die Beurteilung der Folgen eines Eintrags der Gene in die Ökosysteme und in den Genpool von Wild- und Ackerpflanzen von Bedeutung.

Der Eingriff in die Genregulation kann unterschiedliche Folgen haben: eine Schwächung der Pflanzen (erhöhte Krankheitsanfälligkeit, geringerer Ertrag), eine geringere Toleranz gegenüber Stressoren (wie klimatischen Einflüssen), aber auch eine höhere Fitness (zum Beispiel durch Produktion von mehr Pollen und Samen) oder die Bildung ungewollter (wie immunogener oder toxischer) Inhaltsstoffe. Dabei ist es möglich, dass sich unbeabsichtigte Reaktionen gentechnisch veränderter Pflanzen nur unter dem Einfluss bestimmter Umweltbedingungen oder erst nach einigen Generationen zeigen. Verschiedene Untersuchungen belegen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen auf Umweltreize tatsächlich anders reagieren als solche aus konventioneller Züchtung.

Für die Risikoabschätzung bedeutet dies, dass man gentechnisch veränderte Pflanzen nicht als unveränderliche Objekte begreifen darf, sondern alle Ebenen ihrer biologischen Dynamik berücksichtigen muss. Um die Reaktionen gentechnisch veränderter Pflanzen auf Umweltbedingungen, wie sie zum Beispiel durch den Klimawandel verursacht werden, besser abschätzen zu können, müssten sie in einer Art Stresstest unter kontrollierten Umweltbedingungen (wie zum Beispiel in einer Klimakammer) untersucht werden. Dies ist bislang nicht vorgeschrieben.

Auch für die Abschätzung der Langzeitfolgen sind diese Risiken wichtig: Wenn sich die Pflanzen unkontrolliert in der Umwelt verbreiten, können sich auch die technischen Konstrukte aus dem Genlabor innerhalb der betroffenen Arten und unter verwandten Spezies ausbreiten. Wie sich diese dann im weiteren Verlauf der Evolution oder unter dem Einfluss von veränderten klimatischen Bedingungen verhalten werden, lässt sich nicht vorhersagen. Der dauerhafte, nicht rückholbare Eintrag gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt ist deshalb nicht verantwortbar.

Jacobsen macht weitere irreführenden Aussagen. Er behauptet im Hinblick auf die Eigenschaften der gentechnisch veränderten Pflanzen: „Es geht darum, ein, zwei Eigenschaften zu verändern – also meistens um eine Resistenz gegen Schaderreger oder Stress einzubringen oder auch einen toxischen Inhaltsstoff, etwa ein Allergen, zu eliminieren.“ Bisher spielen gentechnisch veränderte Pflanzen, die stressresistent sind oder aus denen ein toxischer Inhaltsstoff entfernt wurde, in der Landwirtschaft fast keine Rolle. Es gibt dagegen massenhaft Pflanzen, die Insektengifte produzieren und/oder gegen Spritzmittel resistent gemacht wurden. Diese Eigenschaften werden auch in absehbarer Zukunft mit Abstand die häufigsten Merkmale von gentechnisch veränderten Pflanzen sein.

Ein Blick in die USA zeigt, wohin die Reise geht: Die Gentechnik ist dort zu einer Einbahnstraße geworden, die zu einem regelrechten Wettrüsten auf dem Acker führt. Die Entwicklung ist mit erheblichen Risiken für Mensch und Umwelt und hohen Kosten für die Landwirte verbunden. Immer mehr Gifte werden per Gentechnik in den Pflanzen kombiniert, es kommt zu einer neuartigen Belastung der Umwelt und der Nahrungskette mit einer ganzen Reihe von neuen Giftstoffen.

Der in den USA angebaute „SmartStax“-Mais, der gemeinsam von den Firmen Monsanto und Dow AgroSciences entwickelt wurde, produziert sechs verschiedene Insektengifte und ist unempfindlich gegenüber zwei Unkrautvernichtungsmitteln. Mit derartigen Produkten nimmt die industrielle Landwirtschaft immer extremere Formen an.

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